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Anschlag von Straßburg: Der Terror ist eingeschleppt

Anschlag von Straßburg: Der Terror ist eingeschleppt

Anschlag von Straßburg: Der Terror ist eingeschleppt

Strassburg
Strassburg
Sicherheitskräfte patrouillieren auf dem geschlossenen Weihnachtsmarkt in Straßburg Foto: picture alliance/Sebastian Gollnow/dpa
Anschlag von Straßburg
 

Der Terror ist eingeschleppt

Im Hinblick auf den Anschlag von Straßburg scheinen die deutschen Medien kein anderes Bestreben zu kennen, als dem Vorgang möglichst wenig Bedeutung beizumessen. Einige führen die Tat auch auf eine gescheiterte Integration zurück, so als sei der Terrorismus ein hausgemachtes Problem. Ein Kommentar von Karlheinz Weißmann.
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Im Hinblick auf den Anschlag von Straßburg scheinen die deutschen Medien kein anderes Bestreben zu kennen, als dem Vorgang möglichst wenig Bedeutung beizumessen. Irgendwann hinter Theresa Mays Kampf ums parlamentarische Überleben und dem Umweltgipfel kommt dann doch die Sprache auf den „in Straßburg geborenen“ Mann, der drei Unbeteiligte auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt getötet und zwölf weitere Personen zum Teil schwer verletzt hat.

Immerhin weist Michael Hanfeld in der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auf die irritierende „Zurückhaltung der großen hiesigen (öffentlich-rechtlichen) Fernsehkanäle“ hin, die „sich auch auf Ablegersender wie tagesschau24, ZDFinfo und Phoenix“ erstrecke.

Hanfelds Interpretation bleibt vorsichtig, aber er knüpft die Verbindung mit dem Berliner Anschlag vor zwei Jahren, der ganz gezielt gegen einen Weihnachtsmarkt gerichtet war, und mit einem vereitelten Anschlag in Straßburg des Jahres 2000, als es den Sicherheitskräften gelang, ein Attentat zu verhindern, das nicht nur den Weihnachtsmarkt, sondern auch die Fassade des Münsters als Sinnbild des christlichen Abendlandes treffen sollte.

Verdrängung der Gefahr

Und wenn Hanfeld die Äußerung des CDU-Europaparlamentariers Elmar Brok zitiert, der im Hinblick auf den Angriff im Radio äußerte, daß wir eben lernen müßten, mit dem islamistischen Terror zu leben, dann, um diese Lässigkeit als „Verdrängung“ zu entlarven.

Nun ist Verdrängung der Gefahr sicher das gängige Verfahren, mit dem die tonangebenden Kreise operieren, wenn es um den radikalen Islam geht. Lediglich die Argumentationsstrategien sind verschieden, wie man einem weiteren Text in der aktuellen Nummer der FAZ entnehmen kann. Denn auf der ersten Seite des Feuilletons findet sich ein Artikel von Jürg Altwegg, der überschrieben ist mit: „Im Kopf des Terroristen“.

Es geht dabei um den aus Algerien stammenden Schriftsteller Yasmina Khadra, der einen Roman über einen Dschihadisten in der Ich-Form geschrieben hat; dessen Ziel sei es, nachvollziehbarer zu machen, was jemanden dazu bringt, in den „Heiligen Krieg“ gegen die Ungläubigen zu ziehen.

Verschiebung der Perspektive

Das geschieht in kritischer Absicht, betont Khadra, aber dann staunt man über die plötzliche Volte in seiner Argumentation: Ihm gehe es nicht in erster Linie um den Kampf gegen den Islamismus, vielmehr habe er geschrieben „aus `Protest gegen die Schriftsteller, Philosophen, Politiker, die den Islam als Gefahr darstellen´. Ihren Diskurs hält er für gefährlicher als den Dschihadismus. `Die Terroristen kann man entwaffnen, aber die Reden gegen den Islam führen zu Spannungen in der Gesellschaft und könnten einen Bürgerkrieg auslösen.´“

Eine derartige Verschiebung der Perspektive geht einher mit einer bestimmten Zielsetzung: Der Verschiebung der Perspektive folgt die Verschiebung von Verantwortlichkeit. Zu welchem Ende, darf man dem Leitartikel von Michaela Miegel entnehmen, den die FAZ heute bringt.

Unter der Überschrift „Terror – Hausgemacht“ kommt sie zwar zu dem Schluß, daß der Attentäter von Straßburg wie die meisten anderen islamistischen Gewalttäter „die Schulen der Republik besucht“ habe: „Sie besitzen einen französischen Paß. Die französische Wohlstandsgesellschaft bietet ihnen eine Grundversorgung und Möglichkeiten, die ihnen in den Ursprungsländern ihrer Eltern oder Großeltern verwehrt geblieben wären. Dennoch sind sie in die Kriminalität abgeglitten und haben sich für einen `Heiligen Krieg´ gewinnen lassen.“

Eigennutz, Dummheit und Schwäche

Aber das bedeutet nicht, daß man von ihrer Schuld, ihren Fehlern, ihrer Haltlosigkeit, ihren oder den Defiziten ihrer kulturellen Prägung sprechen darf. Denn versagt hat Frankreich mit seinem „gescheiterten Integrationsmodell“, „zu dessen Merkmalen geringe Chancengleichheit im Schulsystem, hohe Schulabbruchquoten und hohe Jugendarbeitslosigkeit zählen“.

Welche Konsequenz daraus zu ziehen ist, bleibt dunkel. Aber wahrscheinlich schwebt Michaela Miegel ein Mehr an Fördermaßnahmen, Sozialarbeitern, öffentlichen Investitionen und Quotierungen vor. Denn ihrer Idee vom „hausgemachten Terrorismus“ entspricht die von der Bringschuld der „aufnehmenden Gesellschaften“, die sich unfähig zeigen, eine immer weiter wachsende Zahl von Fremden so zu versorgen und zufriedenzustellen, daß die nicht die Waffe gegen sie wenden.

Wenn der Text von Michaela Miegel etwas zeigt, dann daß diese Denkfigur mittlerweile bis weit in die bürgerliche Mitte selbstverständlich ist, so daß dort niemand mehr begreift, daß dieser Terrorismus nicht „hausgemacht“, sondern „eingeschleppt“ ist und es deshalb nur um zwei Fragen geht: 1. Wer hat aus Mitleid, aber wahrscheinlicher aus Eigennutz, Dummheit und Schwäche, diese Situation entstehen lassen, die kaum noch kontrollierbar ist; und 2. Welche Mittel wären tatsächlich wirksam – und zwar rasch wirksam –, um die uns alle bedrohende Gefahr zu beseitigen?

Sicherheitskräfte patrouillieren auf dem geschlossenen Weihnachtsmarkt in Straßburg Foto: picture alliance/Sebastian Gollnow/dpa
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