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Debatte um „totalitäre Demokratie“: Tut ihr da oben, was ihr sollt?

Debatte um „totalitäre Demokratie“: Tut ihr da oben, was ihr sollt?

Debatte um „totalitäre Demokratie“: Tut ihr da oben, was ihr sollt?

Trumputin
Trumputin
Journalistin in Moskau mit Putin-Le-Pen-Trump-Plakat Foto: picture alliance/dpa
Debatte um „totalitäre Demokratie“
 

Tut ihr da oben, was ihr sollt?

Nun also nicht mehr Populismus, sondern „totalitäre Demokratie“. Was auf den ersten Blick wie ein Mehr an Differenzierung wirkt, bedeutet tatsächlich eine Verschärfung der Auseinandersetzung, wenn nun Trump, Putin, Orban, Le Pen, Wilders und Petry so rubriziert werden. Ein Kommentar von Karlheinz Weißmann.
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Nun also nicht mehr Populismus, sondern „totalitäre Demokratie“. Was auf den ersten Blick wie ein Mehr an Differenzierung wirkt, bedeutet tatsächlich eine Verschärfung der Auseinandersetzung, wenn nun Trump, Putin, Orban, Le Pen, Wilders und Petry so rubriziert werden. Denn „totalitäre Demokratie“ ist nur ein Synonym für die politischen Ordnungen eines Robespierre, Lenin, Stalin, Hitler.

Die Reihenfolge hat Bedeutung. Weil der Schöpfer des Begriffs – der israelische Historiker Jacob Talmon – unter „totalitärer Demokratie“ ein System verstand, das seinen Ursprung in der Französischen Revolution hatte. Es handelt sich also nicht um einen Wiedergänger von Absolutismus oder klassischer Despotie, denn die Demokratie als Prinzip wird anerkannt. Die Macht des Mannes an der Spitze mag sehr groß sein, sie bleibt doch gebunden an die mehr oder weniger deutliche Zustimmung der Beherrschten.

Das Volk muß seine Repräsentation als glaubwürdig empfinden

Die Deutung Talmons stand immer am Rande, war den tonangebenden Denkschulen verdächtig. Denn in der Zeit des Kalten Krieges, als die ersten Arbeiten Talmons erschienen, sollte die „Demokratie“ unbefleckt von jedem Zweifel als schlechthin beste Verfassungsform gelten; genauer: ihre westliche Variante sollte diesen Status haben, und nicht nur als optimale staatliche Ordnung gelten, sondern auch als Hort jenes demokratischen „Lebensstils“ (John Dewey), der sie an einen bestimmten Wertekanon band, bestimmt von Fortschritt durch social engineering, Toleranz und Minderheitenschutz.

Talmon dagegen beharrte auf der Ansicht, daß Demokratie zuerst einmal sei, was sie dem Namen nach sei: „Volksherrschaft“. Das heißt, sie müsse auf die eine oder andere Weise der Annahme Rousseaus folgen, daß es etwas wie einen „Gemeinwillen“ gebe und daß der in einer Demokratie auch zum Ausdruck zu kommen habe.

Er wies damit nicht nur auf einen blinden Fleck der vorherrschenden Weltanschauung hin, er machte zudem deutlich, daß die Anerkennung des demokratischen Prinzips in sich ein Problem birgt, das man zwar kaschieren, aber nicht beseitigen kann: Das Volk als Souverän mag unfähig sein, zu herrschen, aber es muß doch seine Repräsentation als glaubwürdig empfinden.

Wißt ihr noch, wer eure Leute sind?

Wenn man dieses Bedürfnis ignoriert, indem man die Demokratie einfach als gegeben oder als eines jener „cold projects“ betrachtet, mit denen wir unser Dasein mehr oder weniger überzeugend bewältigen, ohne uns wirklich um das Gerede in Verfassungstexten oder Handbüchern des Politikunterrichts zu kümmern, dann wird das dahin führen, daß sich das rare Gut des politischen Vertrauens auflöst, und die Regierten werden den Regierern Fragen stellen.

Und das werden nicht oder nicht nur die üblichen sein, also: Wer sorgt dafür, daß die Wirtschaft läuft? Wer verschafft meiner Berufsgruppe, meiner Schicht, meiner Klientel die besten Konditionen? Wer belästigt mich möglichst wenig mit irgendwelchen zusätzlichen Forderungen? Vielmehr lauten die Fragen dann: Tut ihr da oben, was ihr sollt? Seid ihr in euren Entscheidungen frei oder abhängig von irgendwelchen Einflußnehmern, die im verborgenen bleiben? Habt ihr die Zukunft im Blick? Wißt ihr noch, wer eure Leute sind?

Perfide Behauptung

Wenn die Etablierten auf diese Fragen keine plausiblen Antworten wissen, dann bekommen sie Konkurrenz, und diese Konkurrenz bekommt Unterstützung. Nicht weil sich da irgendwelche reaktionären, faschistoiden, nazistischen Impulse geltend machen, sondern weil die „normative Autorität“ (Jürgen Habermas) jenes Modells in Frage steht, das man als das „liberal-demokratische“ bezeichnet.

Dessen Widersacher in den USA, Rußland, Frankreich, Ungarn oder Deutschland kann man mit Gründen als „antiliberal-demokratisch“ bezeichnen und verlangen, daß das „anti“ irgendwann durch eine positive Bestimmung ersetzt wird. Aber die Behauptung, sie begäben sich auf einen Weg, der letztlich bei Hitler ende, ist perfide.

Man mag die Trumps, Putin, Orbans, Le Pens, Wilders und Petrys als unerzogen, lästig und inkompetent empfinden. Aber die Suggestion, hier werde die Errichtung totalitärer Systeme samt Massenterror und Gulag geplant, überschreitet doch die Grenzen des Zulässigen in einer Debatte, deren zivile Standards neuerdings – vor allem von den Gralshütern des „liberalen Systems“ ­– so oft angemahnt werden.

Journalistin in Moskau mit Putin-Le-Pen-Trump-Plakat Foto: picture alliance/dpa
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