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Krieg und Energiepreiskrise: „Das ist nicht durchzuhalten“

Krieg und Energiepreiskrise: „Das ist nicht durchzuhalten“

Krieg und Energiepreiskrise: „Das ist nicht durchzuhalten“

Textilunternehmer Wolfgang Grupp
Textilunternehmer Wolfgang Grupp
Krieg und Energiepreiskrise
 

„Das ist nicht durchzuhalten“

Hätte der Westen mit einer anderen Politik den Ukraine-Krieg verhindern können? Diese Frage treibt den bekannten Unternehmer Wolfgang Grupp um. Der Trigema-Chef fordert von der Politik, endlich einen Ausweg aus der Krise zu finden statt nur auf Härte gegen Moskau zu setzen.
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Hätte der Westen mit einer anderen Politik den Ukraine-Krieg verhindern können – und so sowohl die zahlreichen Toten dort wie die Energiepreisinflation bei uns? Diese Frage treibt den bekannten Unternehmer Wolfgang Grupp um. Der Trigema-Chef fordert von der Politik, endlich einen Ausweg aus der Krise zu finden statt nur auf Härte gegen Moskau zu setzen – und die bedrohliche Entwicklung in Deutschland unbedingt zu stoppen.

Herr Grupp, Sie warnen, angesichts der Energiepreise werden Sie eventuell Deutschland verlassen? 

Wolfgang Grupp: Nein! Das ist ein Mißverständnis, ich habe nur vor einem Produktionsstopp gewarnt. 

„Produktionsstopp“ also im Sinne von Unterbrechung, nicht von Aufgabe der Produktion? 

Grupp: Richtig, denn entspannt sich der Gaspreis nicht, droht Trigema genau das. Unsere Ausgaben für Gas sind zeitweise um das Achtfache gestiegen! 

In welchem Zeitraum? 

Grupp: Bis April 2021 schwankte unsere Gasrechnung stets um 100.000 Euro pro Monat. Dann aber stieg sie im Herbst sukzessive auf 400.000 bis 500.000 Euro und kurzfristig auch, im März dieses Jahres, auf das Achtfache. Stellen Sie sich das mal über ein Jahr vor, das wären Kosten in Höhe von zehn Millionen Euro zusätzlich! Soviel Gewinn machen wir gar nicht. 

„Ich mache mir Sorgen“

Sie haben Angst? 

Grupp: Ich mache mir Sorgen – Sorgen um unseren Betrieb, unsere Mitarbeiter, unsere Firmentradition und den Standort Deutschland. Und auch wenn seit März der Gaspreis zum Glück wieder um etwa die Hälfte gesunken ist – auch 400.000 bis 500.000 Euro monatlich extra sind auf Dauer nicht durchzuhalten. 

Das wäre für Trigema das Ende? 

Grupp: Wir hoffen, die Lage entspannt sich wieder. Daher auch mein Appell an die Politik, nicht nur abzuwarten, sondern etwas dafür zu tun! So lange versuchen wir, durch Einsparen zu überbrücken. 

Meinen Sie Entlassungen? 

Grupp: Nein, sparen auf Kosten der Mitarbeiter kommt bei Trigema nicht in Frage! Unsere Leute haben eine Arbeitsplatzgarantie. Wir versuchen es damit, erst mal bis Ostern die Nachtschicht einzustellen und in dieser Zeit die Gasturbine abzuschalten. So sparen wir 25 bis 30 Prozent. 

„Die Politik muß etwas unternehmen!“

Bedeutet Produktionsausfall nicht Umsatzverlust? 

Grupp: Zum Glück haben wir reichlich vorproduziert, auch weil wegen Corona der Umsatz zurückging. Vorerst können wir also aus unserem Lager schöpfen und dieses später unter hoffentlich besseren Bedingungen wieder auffüllen. Was mich aber stört, ist, wenn diese Lage, unter der ja nicht nur wir, sondern viele Industriebetriebe leiden, eventuell nicht so ernst genommen wird. 

Inwiefern? 

Grupp: Wissen Sie, „Frieren für den Frieden“, solche Sachen sind leicht gesagt, vor allem von Leuten, die es sich leisten können. Aber wir leben in Zeiten, in denen überall Kosten und Preise steigen – für viele Menschen ist das irgendwann zuviel! Es muß also etwas unternommen werden, um der Entwicklung entgegenzuwirken! 

Was fordern Sie da denn konkret? 

Grupp: Da fragen Sie den Falschen, ich bin kein Politiker – die Politik muß eine Lösung finden! Meine Aufgabe ist es, deutlich zu machen, wie die Lage ist, und im Interesse von Unternehmen und Mitarbeitern Einspruch zu erheben, wenn zunehmend Maßnahmen gegen Rußland gefordert werden, die keinerlei Rücksicht auf Industrie und Verbraucher nehmen. Ist der Politik eigentlich klar, was es für viele Firmen bedeutet, wenn wir den Bezug des russischen Gases einfach einstellen würden? 

„Seit ich mich dazu zu Wort gemeldet habe, kriege ich ‘Schläge’“ 

Aber denken Sie denn nicht an die Ukrainer? 

Grupp: Seit ich mich in der Sache zu Wort gemeldet habe, bekomme ich „Schläge“, indem mir genau das vorgeworfen wird. Ich denke schon an die Menschen dort, aber eben auch an die hier. Und Sie glauben doch nicht, daß wenn wir Putin kein Gas mehr abnehmen, er deshalb den Krieg einstellt? 

Aber muß man nicht zugeben, daß das Problem im Moment für die Politik wirklich kaum zu lösen ist? 

Grupp: Ich bin natürlich kein Experte und habe mein Wissen nur aus den Medien. Ich frage mich aber schon, wie es sein kann, daß Gerhard Schröder und Angela Merkel ganz gut mit Putin auskamen, daß er bei seinem Auftritt im Deutschen Bundestag 2001 stehende Ovationen bekam, daß es seit seinem Amtsantritt als Präsident im Jahr 2000 zwischen Rußland und Deutschland geklappt hat – und dann plötzlich 2014 kommt dieser Umschwung? 

Worauf wollen Sie hinaus? 

Grupp: Der Volksmund weiß: „Zum Streiten gehören immer zwei“ – und so frage ich mich, ob wir diesen Krieg nicht hätten verhindern können? Immerhin haben wir doch alle mitverfolgt, mit welcher wachsenden Arroganz Rußland begegnet wurde. Wie haben denn wir, der Westen, reagiert, also das souveräne Kuba auf seinem Gebiet russische Raketen stationiert hat? Fast wäre es deshalb zum Dritten Weltkrieg gekommen. Rußland aber sind wir mit der Nato immer weiter auf den Leib gerückt. Oder nehmen Sie Präsident Obama, der 2014 Rußland klarmachte, daß Amerika eine Weltmacht, aber Rußland nur noch eine „Regionalmacht“ sei! Wie gesagt, ich bin kein Fachmann, aber ich sehe das vom Standpunkt eines normalen Menschen aus. 

Was bedeuten soll? 

Grupp: Na, würde ich etwa meine Mitarbeiter öffentlich belehren: Ich bin der Chef – ihr nur Angestellte! Jeder weiß doch, so ein Auftreten gehört sich nicht. Es ist demütigend und die Folge wäre Antipathie, und die Betroffenen würden sich provoziert und herausgefordert fühlen. 

„Ist denn wirklich alle Welt auf Putin reingefallen?“

Doch was, wenn die These zutrifft, Putin habe schon immer losschlagen wollen, und das Verhalten des Westens ist nur eine Ausrede? 

Grupp: Das kann natürlich sein, ausschließen will ich das nicht. Doch frage ich mich, wie wahrscheinlich das angesichts des Umstandes ist, daß alle Welt anderthalb Jahrzehnte mit Rußland Verträge gemacht hat? Ist die ganze Welt etwa 14 Jahre lang auf Putin hereingefallen? Oder hat er nach 14 Jahren ganz plötzlich sein Wesen verändert? Wer weiß – aber erscheint es nicht wahrscheinlicher, daß da etwas vorgefallen ist, sich ein Streit aufgeschaukelt hat? Jeder von uns hat doch Erfahrung mit Konflikten und weiß, daß diese meistens durch Wechselwirkungen entstehen. Und wenn das auch für den Konflikt mit Rußland zutrifft, dann hätte eine andere Politik das Sterben in der Ukraine jetzt sowie die für viele Menschen hier fatale Energiepreiskrise wohl verhindern können! Und ähnliche Gedanken mache ich mir auch in bezug auf den ukrainischen Präsidenten Selenskyj. 

Was meinen Sie? 

Grupp: Nun, ich frage mich, was man zum Beispiel über mich sagen würde, wenn ich Trigema auf Teufel komm raus auf Kosten unserer Mitarbeiter verteidigen würde. Wenn ich, statt Kompromisse zu schließen, bedingungslos Mitarbeiter kündigen, am Ende die Firma vielleicht sogar „austrocknen“ würde, nur um nicht der Konkurrenz nachzugeben. 

Sie kritisieren Präsident Selenksyj? 

Grupp: Nein, aber ich frage mich – sowohl als Mensch wie auch als jemand, der als Chef Verantwortung für andere trägt –, ob es wirklich so heldenhaft ist, die mir Anvertrauten in die Schußlinie zu manövrieren, um in der Sache unerbittlich zu bleiben. Oder ob die Verantwortung nicht gebietet, als höchstes Ziel genau dieses zu verhindern – und dazu lieber Kompromisse in der Sache einzugehen. In der Ukraine sterben nun Zigtausende Menschen, allen voran die Wehrlosesten, Alte und Kranke, die gar nicht in der Lage sind, vor den Kämpfen zu fliehen, selbst wenn sie wollen. Und vor allem: Am Ende muß Präsident Selenskyj doch sowieso einen Kompromiß schließen, denn weder kann er das riesige Rußland besiegen, noch kann der Krieg ewig dauern. Also muß er sich unvermeidlich irgendwann auf irgend etwas mit Putin einigen. 

„Mir ist die Schuldfrage wichtig“ 

Von unseren Medien wird das Dilemma, daß der ukrainische Widerstand auch einen schrecklichen Blutzoll bedeutet und möglicherweise zu nichts führt – wobei Letzteres offen ist, da vom Ausgang des Krieges abhängig –, wenig diskutiert. Warum eigentlich? 

Grupp: Tja, das frage ich mich ehrlich gesagt auch. 

Allerdings hat Ihr Einwand auch diesmal nur Sinn, wenn stimmt, daß Putin provoziert wurde. Trifft dagegen die „Putler“-These (Putin ist Hitler) zu, dann nicht. 

Grupp: Wie gesagt, all das sind Fragen, die ich mir stelle – ohne zu beanspruchen, darauf letztgültige Antwort geben zu können. Bei einigem bin ich mir aber schon sicher – etwa, daß man auf gar keinen Fall ein Land, von dem man weiß, daß es unter dem Verlust seines Großmachtstatus leidet, vor aller Welt als zweitrangig verhöhnt! Daß man das einfach nicht tut, weiß man aus allgemeiner Lebenserfahrung, dazu muß man kein Experte sein. 

Warum sind Ihnen diese Schuldfragen denn so wichtig? 

Grupp: Wer Verantwortung trägt, ob für ein Unternehmen oder für eine Politik, der hat einfach nach den Folgen seines Handelns für die ihm anvertrauten Menschen zu fragen. Aber auch weil, wenn es zutrifft, daß wir diesen Krieg mitverursacht haben, darin die Möglichkeit liegt, Einfluß zu nehmen, ihn möglichst rasch zu beenden. Was wiederum auch der schnellste Weg aus der Energiepreiskrise wäre, in der wir nun stecken. 

Aber ist deren Ursache nur der Krieg? 

Grupp: Natürlich nicht, unser Gaspreisproblem etwa begann ja zehn Monate vor Putins Angriff. 

„Daß ich grün gewählt habe, wurde verkürzt dargestellt“ 

Was ist dann die Ursache – das Erlahmen der Weltwirtschaft durch die Corona-Maßnahmen oder ist es die Folge der Energiewende? 

Grupp: Das müssen Sie einen Makroökonomen fragen, nicht mich, ich bin Unternehmer. Sicher gibt es mehrere Ursachen. Inwieweit die Energiewende eine Rolle spielt, kann ich nicht sagen. Allerdings stelle ich mir auch hier natürlich Fragen. Zum Beispiel, was eigentlich gewonnen ist, wenn Deutschland aus der Atomenergie aussteigt, um uns herum aber alle Kernkraftwerke bauen? Denn wenn eines davon platzt, sind wir genauso betroffen. 

Etliche Experten warnen, die Energiewende werde nicht in der Lage sein, Versorgungssicherheit zu gewährleisten und so der deutschen Industrie früher oder später den Boden unter den Füßen wegziehen. 

Grupp: Ich kann das nicht beurteilen, denn wir machen Textilien und keine Studien zur Energieversorgung. Ich hoffe, daß die, die über all das entscheiden, diese Fragen rechtzeitig vorher klären. 

Viele Leute irritiert, daß Sie 2016 verkündeten, grün zu wählen – und nun über den hohen Gaspreis klagen. 

Grupp: Moment! Was ich tatsächlich gesagt habe, war nach der Landtagswahl 2011: „Es ist eine Schande, daß wir als Unternehmerland Baden- Württemberg die erste grün-rote Regierung haben.“ Dann aber hat Herr Kretschmann seine Sache sehr gut gemacht, wurde zum beliebtesten Ministerpräsidenten, und ich lernte ihn auch persönlich kennen und schätzen. Bei der Landtagswahl 2016 sagte ich dann: „Meine Stimme schulde ich Winfried Kretschmann“, weil ich das auch so empfunden habe. Natürlich habe ich damit die Grünen mitgewählt, klar, dennoch galt meine Stimme ihm, nicht der Partei – wie das etliche Zeitungen verkürzt haben.

Bei der Bundestagswahl dagegen habe ich noch nie die Grünen gewählt, obwohl ich meine, daß sie in manchem recht haben, etwa, nicht in der Gender-, aber in der Klimafrage. Allerdings habe ich auch nicht für die CDU gestimmt, wo inzwischen Quotengeschacher wichtiger ist als Kompetenz, sondern für die FDP. Und bevor Sie fragen, ob ich nach den ersten hundert Tagen enttäuscht bin: nein – aber schauen wir mal bis zur nächsten Bundestagswahl in drei Jahren; ich hoffe und bin mir auch sicher, daß Friedrich Merz noch der alte ist! 

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Wolfgang Grupp führt das Textilunternehmen Trigema seit 1969 und ist bekannt durch seine Auftritte in Presse, Funk und Fernsehen sowie sein Bekenntnis zum Standort Deutschland und seine soziale Unternehmensführung. Geboren wurde der Betriebswirt und Enkel des Geschäftsgründers 1942 in Burladingen, dem Firmenstammsitz auf der Schwäbischen Alb. 

JF 14/22

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