Die Stimmung im Fall der deutschen Ruderin Nadja Drygalla beginnt sich zu drehen. Immer mehr Menschen, darunter auch Politiker und Journalisten, äußern ihren Unmut über den Umgang mit der Sportlerin. Auch im Internet regt sich Protest.
So zählt die Facebook-Gruppe „Solidarität mit Nadja Drygalla“ bereits nach wenigen Tagen über 6.600 Freunde. Der erste Beitrag der Gruppe brachte es auf 1.349 Kommentare, von denen sich die überwiegende Mehrheit empört über die mediale Hetzjagd auf Drygalla zeigte. Die JUNGE FREIHEIT sprach mit dem Initiator der Facebook-Gruppe, Martin Reinhardt.
Herr Reinhardt, Sie haben die Facebook-Gruppe „Solidarität mit Nadja Drygalla“ ins Leben gerufen, warum?
Reinhardt: Es war ein spontaner Reflex auf die Berichterstattung. Da wurde aus dem Umstand, daß der Freund einer Sportlerin zur rechtsextremen Szene gehört, ein Skandal gemacht. Natürlich sind Rechtsextremisten Feinde unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, aber einen Menschen, ohne Verteidigungsmöglichkeit, in Sippenhaft zu nehmen, das fand ich gefährlich.
Gefährlich für unsere Demokratie, unseren Rechtsstaat und den Umgang mit Menschen in unserem Land. Darauf wollte ich, gerade vor dem Hintergrund unserer Geschichte und der Orientierung unserer Verfassung am christlichen Menschenbild, aufmerksam machen und ein Zeichen setzen.
„Frau Drygalla wurde völlig alleingelassen“
Was genau kritisieren Sie am Fall Nadja Drygalla?
Reinhardt: Das Verhalten der Medien und Sportfunktionäre. Von den Journalisten hat sich zu Beginn der Kampagne niemand mal die Frage gestellt: „Was machen wir da eigentlich, wie gehen wir hier mit einem jungen Menschen um?“ Und auch von den Sportfunktionären fand sich anfangs niemand, der sich schützend vor Frau Drygalla stellte. Sie wurde völlig alleingelassen. Das fand ich erschreckend.
Letztlich spielt man mit so einem Verhalten auch den Rechtsextremisten und insbesondere der NPD in die Hände. Wenn die sich bei einer solchen medialen Hetzjagd als einzige vor das Opfer stellt, kann ihr das Sympathien verschaffen, gerade weil viele Bürger in unserem Land den Umgang mit Nadja Drygalla ebenfalls ablehnen. Dies gilt es zu verhindern.
Es gab durchaus ähnliche Fälle in der Vergangenheit, warum sind Sie diesmal aktiv geworden?
Reinhardt: Dieser Fall hat mich besonders schockiert. Zum einen weil Nadja Drygalla eigentlich keine Person der Öffentlichkeit ist. Sie ist abgesehen von ihrer Funktion als Sportlerin nie öffentlich in Erscheinung getreten, vor allem nicht politisch. Und nun soll sie in Sippenhaftung genommen werden, für eine Haltung, die ihrem Freund vorgeworfen wird. Da läuft doch etwas falsch! Hinzu kommt die Art und Weise, wie hier eine junge Frau völlig schutzlos dem medialen Terror ausgeliefert wurde. Da regt sich einfach ein besonderes Schutzbedürfnis.
„Es gibt ein klares Gerechtigkeitsempfinden in der Gesellschaft“
Was für Reaktionen haben Sie auf Ihre Initiative erhalten?
Reinhardt: Die überwiegende Mehrheit der Kommentatoren lehnt den Umgang mit NadjaDrygalla ab und empfindet das als Sippenhaftung und Hexenjagd. Sicher gab es auch Kommentatoren aus der rechtsextremen und linksextremen Szene, die Masse aber war der ganz normale gesellschaftliche Durchschnitt.
Hat sie die starke Zustimmung überrascht?
Reinhardt: Schon, ich hatte gedacht, wenn man Tausend Facebook-Freunde für die Gruppe bekommt, ist das schon viel. Aber über 6.500, damit hätte ich nicht gerechnet. Ich werte das als positives Zeichen dafür, daß es in der Gesellschaft noch ein klares Gerechtigkeitsempfinden gibt. Daß die Mehrheit sagt: So darf mit einem Menschen nicht umgegangen werden.
„Es darf nicht zu Vorverurteilungen oder Sippenhaftung kommen“
Was planen Sie für die Zukunft, hat sich Ihre Initiative mit dem Ende des Skandals erledigt?
Reinhardt: Nein, ich hoffe, daß unsere Seite mehr als nur ein Impuls bleibt. Denn ich fürchte, ein solcher Fall kann sich jederzeit wiederholen. Es braucht doch nur ein gewisses Reizwort wie zum Beispiel „Nazi“ und schon macht sich die mediale Meute ohne Rücksicht auf Verluste auf den Weg. Darauf will unsere Initiative aufmerksam machen und davor warnen.
Extremisten, egal ob von links oder von rechts, müssen wir ohne ‘Wenn und Aber’ mit allen demokratischen Mitteln bekämpfen. Aber es darf in Deutschland nicht zu Vorverurteilungen oder Sippenhaftung kommen. Dabei spielt es keine Rolle, ob derjenige, der am Pranger steht, des Rechts-, Links- oder sonst irgendeines Extremismus beschuldigt wird. Ich hätte die Initiative auch ins Leben gerufen, wenn der Freund Nadja Drygallas ein Antifa-Aktivist gewesen wäre.
Würden Sie Frau Drygalla gerne persönlich kennenlernen?
Reinhardt: Wenn der ganze Trubel sich gelegt und sie wieder Ruhe gefunden hat, ja, sehr gerne. Es wäre schön, ein persönliches Gespräch mit ihr zu führen und zu erfahren, wie es ihr bei der ganzen Geschichte ergangen ist und auch, ob ihr die Solidarität – unsere aber auch die der Mehrheit der Gesellschaft – geholfen hat, das durchzustehen.
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Martin Reinhardt, 27, ist Jurist, CDU-Mitglied und lebt in Bayern