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Jobversprechen von Politikern: Großbaustelle Arbeitsplatz

Jobversprechen von Politikern: Großbaustelle Arbeitsplatz

Jobversprechen von Politikern: Großbaustelle Arbeitsplatz

Handschuhe an, Overall drüber, ran an den Speck: Gesetze und Erlaße erschaffen keinen einzigen Arbeitsplatz Foto: picture alliance/dpa | Patrick Pleul
Handschuhe an, Overall drüber, ran an den Speck: Gesetze und Erlaße erschaffen keinen einzigen Arbeitsplatz Foto: picture alliance/dpa | Patrick Pleul
Handschuhe an, Overall drüber, ran an den Speck: Gesetze und Erlaße erschaffen keinen einzigen Arbeitsplatz Foto: picture alliance/dpa | Patrick Pleul
Jobversprechen von Politikern
 

Großbaustelle Arbeitsplatz

Wird jetzt wieder in die Hände gespuckt? Kaum eine Wahlkampfrede kommt heutzutage ohne das Versprechen aus, den Arbeitsplatzstandort Deutschland auf Zack zu bringen. Daß das alles ziemlich gefährliche Dampfplauderei ist, zeigt Olivier Kessler in seinem Essay.
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Für die meisten Menschen zählt ein Arbeitsplatz zu den elementaren Säulen eines zufriedenstellenden Lebens. Ohne Arbeitsstelle kein Einkommen. Ohne selbstverdientes Einkommen sind Selbstbestimmung und ein würdevolles Leben nur schwer vorstellbar. Denn auf dem Abstellgleis der Gesellschaft zu weilen und Sozialhilfe zu beziehen, verleiht kaum das befriedigende Gefühl, etwas wert zu sein und gebraucht zu werden.

Gerade im Bewußtsein darum, wie wichtig eine Arbeitsstelle aus individueller Sicht ist, wird der Begriff „Arbeitsplatz“ oftmals von der Politik mißbraucht, um fragwürdige Staatseingriffe zu legitimieren. Dabei wird einem regelrechten Tanz um das Goldene Kalb namens „Arbeitsplätze“ gefrönt: Praktisch alle Parteien inszenieren sich laufend mit Maßnahmen, die angeblich irgendwelche Arbeitsplätze „schaffen“ oder „retten“.

Mythos Arbeitsplatzpolitik

Bei diesen Inszenierungen schwirrt immer auch der Mythos mit, daß es dasselbe sei, Arbeitsplätze auszuweiten und den Wohlstand zu erhöhen. Doch zwischen den beiden Größen besteht keine zwingende Verbindung. Wird der gesamtgesellschaftliche Lebensstandard erhöht, können insgesamt mehr Bedürfnisse befriedigt werden. Das ist das, was die Leute eigentlich wollen. Wird jedoch ein Arbeitsplatz geschaffen, geht dies nicht immer mit einem Wohlstandsanstieg einher. Schauen wir uns das etwas genauer an.

Vor allem mit Blick auf Gesellschaften, in denen sich der Staat stark in den Arbeitsmarkt einmischt und eine prägende Rolle im Wirtschaftsleben spielt, wird dies deutlich: Dort ist oft zu beobachten, daß der Staat aus dem einfachen Grund sinnentleerte Jobs schafft und aufrechterhält, um die Leute irgendwie zu beschäftigen und ihnen damit das Gefühl der „Arbeitsplatzsicherheit“ zu verleihen, wofür sich die verantwortlichen Politiker im Gegenzug Wahlstimmen von den dadurch Unterstützten erhoffen.

Löcherbuddeln als attraktive Stellenbezeichnung?

Doch wird der Wohlstand erhöht, wenn eine Arbeitskraft eine Arbeit verrichtet, die gar keine prioritären Kundenbedürfnisse befriedigt, z.B. wenn sie den ganzen Tag Löcher aushebt und diese anschließend wieder zuschüttet? Wenn die verrichtete Arbeit für niemanden irgendeinen Nutzen schafft, kreiert sie auch keinen Wohlstand. Oder präziser gesagt: Wenn der geschaffene Nutzen unterhalb des durch den Staat direkt oder indirekt bezahlten Arbeitsentgelts liegt, wird kein Wohlstand geschaffen, sondern vernichtet.

Was ist aber mit dem Lohn, den der Mitarbeiter fürs Löcherbuddeln und -zuschütten bekommt oder für irgendeine andere Tätigkeit, für die auf dem freien Markt niemand freiwillig eine entsprechende Summe bezahlen würde? Diesen kann er doch anschließend ausgeben, womit er die Wirtschaft „ankurbelt“ und die Allgemeinheit insgesamt gewinnt?

Wer so argumentiert, denkt nicht weit genug. Wenn der Staat zusätzliche Arbeitsplätze schafft, muß er das Geld zur Bezahlung dieser Jobs ja jemandem wegnehmen. Das bedeutet, diese Gelder kann der Steuerzahler dann nicht mehr nach eigenem Gutdünken ausgeben. Es entfallen in der Folge die Einnahmen bei jenen Branchen und Firmen, bei denen der Steuerzahler diese Gelder ausgegeben hätte, und welche die prioritären Kundenbedürfnisse befriedigt hätten. Deswegen werden dort aufgrund der Umsatzausfälle Arbeitsplätze abgebaut oder sie können gar nicht entstehen.

Im Gegensatz zu jenen Branchen und Firmen, bei denen der Steuerzahler sein Geld freiwillig ausgegeben hätte, sind staatliche Eingriffe zur „Schaffung“ oder „Rettung“ von Jobs eine Ressourcenverschwendung, weil sie die Bürger zwingen, nicht prioritäre Dinge zu finanzieren, die sie gar nicht freiwillig nachfragen würden.

Nichts zu retten, nichts zu schaffen

An diesem Grundsatz ändert sich auch nichts, wenn Politiker Konjunkturprogramme zur „Schaffung“ oder „Rettung“ von Jobs in Krisenzeiten aufsetzen. Denn dabei wird vergessen, daß nicht ein künstlich angekurbelter Konsum (der ja nicht freiwillig oder nur unter Täuschung der wahren Umstände erfolgt), sondern das Sparen (nebst der Intensivierung der Arbeitsteilung und der Spezialisierung) der eigentliche Motor des Wohlstands ist und alle davon profitieren.

Zu sparen bedeutet, auf den heutigen Konsum zugunsten eines Konsums in der Zukunft zu verzichten. Im Gegensatz zum sofortigen Konsum des Einkommens ermöglicht das Sparen das Erzielen eines höheren Lebensstandards: Die Mittel können investiert werden, um noch effizientere und umweltschonendere Produktionsmethoden zu entwickeln, dank denen man saubere und mehr erwünschte Güter herstellen kann.

Wer braucht welche Arbeit?

Zwingt der Staat die Bürger dazu, weniger zu sparen und dafür in der Gegenwart mehr auszugeben – etwa indem seine Zentralbank die Zinsen unter das Marktniveau heruntermanipuliert und damit die Attraktivität des Sparens reduziert –, schmälert er das Wachstumspotential der Wirtschaft und macht sich der relativen Verarmung der Gesellschaft schuldig. Er mag zwar einige Jobs „schaffen“ oder „retten“ – jedoch nur auf Kosten anderer Jobs, die dann nicht entstehen können oder abgebaut werden müssen. Es findet eine Arbeitsplatzverlagerung von kunden-orientierten Sektoren hin zu weniger kundenorientierten Sektoren statt, was einem zivilisatorischen Rückschritt gleichkommt.

Gewinnorientierte Unternehmen im freien Markt stellen nachweislich Dinge her, die die Verbraucher tatsächlich wollen. Es ist daher – auch in Zeiten einer wirtschaftlichen Korrektur – entscheidend, daß der Staat nicht in die Lern- und Anpassungsprozesse der freien Marktwirtschaft eingreift, damit die Unternehmer ihre wichtige Arbeit verrichten können und sich an die sich ändernden Kundenwünsche anpassen können.

Wider die Regulierungen!

Das gilt auch, wenn Politiker Arbeitsplätze „retten“ wollen, die von disruptiven Technologien „bedroht“ werden. Die populären Reaktionen auf das Aufkommen von Robotern, die angeblich bald für große Massenarbeitslosigkeit sorgen werden, ist das Erlassen einer Robotersteuer oder die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Die dazu zu erhebenden Steuern, die eine Voraussetzung für solche Rezepte sind, führen bekanntlich zu einer Bestrafung der Produktiven, denen die Gesellschaft ihren Wohlstand zu verdanken hat. Diese negativen Anreize werden folglich die Lebensstandards aller reduzieren.

Solange es keine unnötig behindernden Regulierungen wie einen Mindestlohn gibt, könnten betroffene Arbeiter sich neu in Jobs betätigen, in denen menschliche Arbeitskräfte weiterhin gebraucht werden. Einen liberalen Arbeitsmarkt vorausgesetzt, dürften alle Willigen zu einem Einkommen kommen, zumal die menschlichen Bedürfnisse potentiell unendlich sind und man sich immer irgendwie nützlich machen kann.

Auch der Arbeitsmarkt regelt

Diese Umorientierung wird die Arbeiter zweifellos vor Herausforderungen stellen. Doch es war dank Smartphones mit Internetzugang und einer Unmenge an kostenlosen Inhalten und Online-Kursen noch nie so einfach und kostengünstig, sich neue Fertigkeiten und Kenntnisse anzueignen. Eine prosperierende Gesellschaft ist nun mal nicht mit Statik, Starrheit und Stillstand auf dem Arbeitsmarkt vereinbar. Wohlstand ist einzig und allein das Ergebnis ständigen Lernens und Anpassens und erlaubt es wiederum, sich auch solidarischer jenen gegenüber zu zeigen, die mit den nötigen Anpassungen große Schwierigkeiten haben.

Auch jenen, die sich beruflich neu orientieren müssen, geht es im Endeffekt dank dieser durch Technologie und unternehmerische Innovationen angestoßenen Veränderungen besser. So nehmen Roboter Arbeitern gesundheitsschädigende und riskante Schwerst- oder Nachtarbeit, nervtötende Monotonie und andere lästige und anstrengende Arbeiten ab, die ihr Leben gefährdet und verkürzt hätten. Indem die zuvor durch Menschen erbrachten Arbeiten neu von Robotern abgedeckt werden und die Arbeiter ihre frei werdende Zeit der Befriedigung anderer Bedürfnisse widmen können, wächst der gesellschaftliche Wohlstand. Davon profitieren alle.

Arbeitsplätze kann man nicht versprechen

Lange Rede, kurzer Sinn: Wir sollten uns nicht so sehr an der Meßgröße „Arbeitsplätze“ orientieren und diese politisch zu steuern oder zu konservieren versuchen. Unser Augenmerk sollte auf den sich ständig wandelnden Kundenbedürfnissen liegen: Unternehmen sollen sich unter Wahrung der Eigentumsrechte und der Vertragsfreiheit an den Bedürfnissen der Menschen orientieren. Sie werden dann belohnt, wenn sie ihren Job in den Augen der Bürger gut machen. Dann machen sie Gewinn, können noch mehr in die Verbesserung ihrer Produkte und Leistungen investieren und mehr Arbeitsplätze schaffen.

Diese Arbeitsplätze sind dann nachweislich von Wert für die Allgemeinheit, weil sie sich auf dem Markt bewährt haben und von allen freiwillig gewollt sind – und nicht, weil gewisse Politiker sich davon einen Nutzen für die nächsten Wahlen versprechen und sie deshalb mit staatlichem Zwang schaffen oder aufrechterhalten. Denn solche Arbeitsplätze sind allgemeinwohlschädigend und ethisch abzulehnen.

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Olivier Kessler, Jahrgang 1986, ist Direktor des Liberalen Instituts Zürich. 2023 erschien sein Buch „64 irreführende Politikbegriffe“. Zuletzt schrieb er auf dem Forum über das Verhältnis von Tugend und Marktwirtschaft („Wer ewig strebend sich bemüht“, JF 10/24).

JF 26/24

Handschuhe an, Overall drüber, ran an den Speck: Gesetze und Erlaße erschaffen keinen einzigen Arbeitsplatz Foto: picture alliance/dpa | Patrick Pleul
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