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Krankheitsprofit

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Wer gerade nicht krank ist, den kümmern Krankenhäuser wenig. Sie schirmen das Leid steril ab. Und der Kranke selbst, insofern nicht Freund oder Verwandter, steht dem Gesunden fern. Auch deswegen wird übersehen, in welch höchst fragwürdiger Weise mittlerweile eine „Wertschöpfung“ mit der Krankheit erfolgt, begleitet von dem Glauben, daß der reine Markt alles, auch Existentielles und an die Würde Greifendes, am allerbesten regele.

Der Medizinkonzern Fresenius übernahm für 3,07 Milliarden Euro 43 Kliniken und 15 Versorgungszentren der Rhön-Klinikum AG. Dadurch wird Fresenius mit nunmehr 117 Krankenhäusern und einem Umsatz von bald 5,5 Milliarden zum größten privaten Klinikbetreiber Europas. Zwar war vorher ein gigantischer Übernahmekampf gescheitert, weil die Konkurrenten Asklepios und B. Braun bei Rhön mit eingestiegen waren, aber die jetzige Teilübernahme bedurfte keiner Zustimmung von Rhön-Anteilern mehr, weil Aufsichtsräte und Vorstände beider Unternehmen allem zugestimmt hatten.

Rhön gibt den größten Teil der Einnahmen an seine Aktionäre weiter. Die erwarten mit einer Sonderausschüttung den Reibach von 1,9 Milliarden Euro, 13,80 Euro pro Aktie. Auch Bernhard Broermann von der Asklepios Kliniken GmbH und Medizintechnikhersteller und Vorbildchrist Ludwig Georg Braun freuen sich dank ihres Aktienbesitzes an der Rhön AG über 100 Millionen obendrauf.

Der Profit gewinnt die Oberhand

So gingen 37.000 kranke oder pflegebedürftige Menschen bei einem grandiosen Deal mit über den Tisch, und die Anleger bejubeln den Gewinn. Alles bestens. Nur daß auf diese Weise dem Profit Priorität gegenüber der Gesundheit zukommt. Wobei Profit und Gesundheit für die Befürworter solcher Firmenverkäufe selbstverständlich in keinem Gegensatz zueinander stehen. Kritische Ärzte jedoch vermuten „eine weitere Steigerung medizinisch nicht immer indizierter, aber gut bepunkteter Operationen und Behandlungen, blutige Entlassungen, steigenden Arbeits- und Einkommensdruck beim Klinikpersonal und zunehmende betriebswirtschaftliche statt medizinische Entscheidungen in den kommerziellen Kliniken“ (Dr. Gerhard Herz, Gröbenzell).

Der langjährige Chefarzt der radiologischen Abteilung in der mitverkauften Frankenwald-Klinik Kronach, Dr. Hubert Heckhausen, überschlägt in einem Leserbrief an die SZ den Wert dieser übernommenen Häuser: „Wenn man den Gesamtpreis in Höhe von drei Milliarden Euro durch die 43 Kliniken teilt, dann ergibt sich ein Durchschnittspreis von 60 bis 70 Millionen Euro für jede einzelne Klinik. Die Kosten der vergangenen Baumaßnahmen dort waren aber deutlich höher. Den Rhön–Aktionären wurden zwei Drittel der Gesamtverkaufsumme (also zwei Milliarden Euro) als Gewinnausschüttung versprochen. Davon stammen über 40 Millionen aus Kronach. Alles Geld, das der Steuerzahler aufgebracht hat.“

Für die verbliebenen kommunalen und konfessionellen Krankenhäuser, deren Existenz schon beinahe liebenswert anachronistisch anmutet, wird es enger. Damit auch für die Gesundheit als gesellschaftliches Gut. Man tritt als Patient kaum mehr in ein konventionelles Krankenhaus ein, sondern als Kunde in eine Firma. Und wird da abgerechnet. Heckhausen weist darauf hin, daß die Helios-Kette mit der weiteren Fresenius-Tochter Kabi über eine eigene Krankenhauszulieferer-Gesellschaft verfügt, somit über ein flächendeckendes Netz und eine marktbeherrschende Stellung. Ferner warnt er, daß Konzernchef Ulf Schneider bereits eine Krankenzusatzversicherung plant, die den Patienten an die Helios-Kliniken bände.

Menschliche Würde wird kommerzialisiert

Wir alle denken bei Marktwirtschaft eher an Industrie und Finanzen. Nein, Krankheit ist auch Markt, in einer überalternden Gesellschaft sogar prosperierend. Und auf diesem Markt ist der Kranke betriebswirtschaftlich leichter zu plazieren als der Gesunde.

Gewohnt populistisch bemerkt: Es geht in der aktuellen Diskussion häufig um die zu verbessernde Infrastruktur. Verkehr, TÜV- und umweltplakettierte Autos, Maschinerie und technisches Gefäßsystem finde ich persönlich vergleichsweise intakt. Krank erscheint mir innerhalb der technisierten und applifizierten Welt eher der Mensch, dessen Würde so kommerzialisierbar ist wie alles andere an ihm. Das mag eine der anthropologischen Konstanten sein, aber mittlerweile ist ein technologisches und informationsverarbeitendes Besteck zur Hand, mit dem sich „das Humanitäre“ weit schnittiger verwerten läßt als noch vor zwanzig Jahren. Ich warte eigentlich auf meine Strichcode-Tätowierung.

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