Bekanntermaßen teilen sich die Islamkritiker in zwei unterschiedliche Lager – die „liberalen Westler“ und die „nationalen Rechten“. Den erstgenannten geht vor allem darum, westliche Grundwerte und Lebensweisen zu erhalten. Ob Frauenemanzipation, Koedukation im Schulwesen, Laizismus, Rechtsstaat, Offenheit der Märkte entgegen religiösen Handelsbeschränkungen, sexuelle Toleranz, amerikanische Musik und Mode – die „liberalen Westler“ sehen im erstarkenden Islam eine Bedrohung für die Errungenschaften der Moderne, also unser mittlerweile gewohntes Leben.
Bei den „nationalen Rechten“, so ist jedenfalls zu vermuten, ist die Islamkritik stärker aus taktischen Gründen in den Vordergrund gestellt. Es geht ihnen eher um eine Ablehnung von Einwanderung an sich. In der Einwanderung, vor allem aus uns kulturell fernen Ländern, wird eine Bedrohung für die traditionelle Lebensart, das Stadtbild und den gesellschaftlichen Zusammenhalt vermutet. Die Ablehnung der islamischen Einwanderung wird deshalb betont, weil nun einmal Zuwanderer aus islamischen Ländern das Hauptkontingent an Zuwanderern stellen, zudem die sozial und kriminell größten Probleme bereiten.
Außerdem ermöglicht es der Anschluß an die amerika- und israelfreundliche Islamkritik, Einwanderungskritik zu üben, ohne daß die repressiven Mechanismen der im gesellschaftlichen Überbau installierten Political Correctness allzu einfach greifen können und man sofort in die „Nazi“-Ecke weggeknüppelt wird. Dieser islamkritische Diskurs sei aus diesen Gründen nicht abgewertet, denn Einwanderungskritik ist erlaubt und durchaus berechtigt. Und wenn sie sich angesichts der derzeitigen Machtverhältnisse noch am ungefährlichsten in islamkritischer Form äußern kann, ist dies eben der Faktizität der Sachlage geschuldet.
Liberale Hoffnung: Muslime wandeln sich in brave Markenkonsumenten
Zu den beschriebenen beiden Gruppen gesellen sich gelegentlich partikuläre Zusatzströmungen. Selten bringen beispielsweise noch originäre konservative Ökologen einige Tierschutzargumente in die Debatte, wenden sich also gegen das Schächten. Die Islamkritiker stehen einer verwirrenden Gruppe an Gegnern gegenüber. So müssen sich die liberalen Islamkritiker mit den tonangebenden Christ-, Frei-, Sozial- und Grünliberalen auseinandersetzen, die die politische Verantwortung für den Jahrzehnte langen Zuzug von Zuwanderern aus islamischen Ländern haben.
Sie rechtfertigen dies heute mit ebenfalls liberalen Argumenten, etwa der Gleichheit der Menschen, der persönlichen Freiheit der Religionsausübung, der Offenheit der Märkte, der personellen Notwendigkeiten unseres Wirtschafts- und Rentensystems, der Postnationalität hin zu einer „multikulturellen Gesellschaft“. Sehen die einen Liberalen also das Projekt Moderne durch den Islam gefährdet, so sehen die anderen Liberalen im Zuzug islamischer Zuwanderer eine fortschrittliche Weiterentwicklung des Projekts Moderne. So hoffen sie, nach einer Hegung der islamisch geprägten Kultur würden sich alle Zuwanderer in die gleiche Masse braver Marken-Konsumenten verwandeln wie so viele Einheimische.
Und selbst viele der islamkritischen „nationalen Rechten“ formulieren keine Vision einer alternativen Gesellschaft als der unseren. Eigentlich sind sie gesellschaftspolitisch also alle für dasselbe, nur die Einschätzung des richtigen Weges und möglicher Risiken unterscheidet sie voneinander. Das ist wie bei den meisten „rechtspopulistischen“ Parteien: Sie wollen gar nichts an der bestehenden Gesellschaft ändern, nur weniger Ausländer sollen auf der Straße herumlaufen. Doch dabei übersehen sie, daß es die gesellschaftlichen Strukturen sind, die das Migrationsproblem erst erzeugen.
Konservative Hoffnung: Muslime stärken konservative Elemente
Das unterscheidet sie übrigens von jenen konservativen Islamfreunden, die sich durch den islamischen Einfluß eine Stärkung des konservativen Elements in unserer Gesellschaft, somit eine positive kulturelle Veränderung erhoffen. Franz Uhle-Wettler äußerte sich im Dezember 2011 dergestalt in der Jungen Freiheit.
Und Uhle-Wettlers Ansatz einer Hegung widersprachen damals Baal Müller und Manfred Kleine-Hartlage, da sie die Absicht des Islam nach völliger Unterwerfung der Ungläubigen nicht so deutlich ausblenden wollten. Eine weitere Stärkung des islamischen Elements würde also zu einer Gesellschaft stärkerer Anpassungszwänge für die Deutschen führen, wozu Kleine-Hartlage in der JF 2/12 schrieb:
„Es ist verständlich und sogar ehrenwert, wenn Konservative den Islam gegen eine allzu platte liberale Islamkritik in Schutz nehmen, die den Muslimen vor allem ihre Abneigung gegen die Homo-Ehe und andere zweifelhafte Errungenschaften der westlichen Moderne ankreidet. Die schrillen Töne der liberalen Islamkritik kommen nicht zuletzt daher, daß der Islam in sich eine praktiziert radikale Liberalismuskritik verkörpert, der der westliche Liberalismus schon deshalb wenig entgegen zu setzen hat, weil die Frage, ob Europa in fünfzig Jahren liberal oder islamisch sein wird, nicht im ‘Dialog’, sondern im Kreißsaal entschieden wird.“
Marxistische Hoffnung: Abschaffung der weißen Welt mittels Islam
Das verkommenste Bild liefert mal wieder die radikale Linke ab. Die klassischen Marxisten haben sich einst als Vorkämpfer der Frauenrechte, des Atheismus, des gleichgeschlechtlichen Schulwesens dargestellt, um heute gemeinsam mit Islamisten auf der Straße herumzugröhlen.
So marschierten sie beispielsweise unlängst gegen eine islamkritische Demonstration im dänischen Aarhus mit einem Meer an kommunistischen Fahnen auf. Mit Hammer und Sichel nun für Scharia und Patriarchat. So sieht heute die „Internationale Solidarität“ offenbar aus. Und daß der zuständige dpa-Autor dazu jubiliert, versteht sich von selbst. Selbsternannte „Antifaschisten“ machen sich also zum Büttel einer politisch-religiösen Strömung, die Udo Ulfkotte wiederum polemisch als „Nazi-ähnliche Ideologie“ betitelt.
Man muß nicht so undifferenziert wie Ulfkotte argumentieren, um zu erkennen, daß diese linke Groteske allein noch aus einem tiefsitzenden Haß auf die weiße beziehungsweise deutsche Welt erklärbar ist. Auf eine weiße Welt, die den Marxisten eben irgendwann vorübergehend das Stop-Schild für weitere Sozialexperimente, Diktaturen und Repressionen vor die Nase gehalten hat.
Kollateralschaden der Globalisierung im postnationalen Zeitalter
Der Islam fördert sicherlich die Transformation in eine Gesellschaft, die auf irgendeine Weise „konservativer“ als die heutige sein mag. Zugleich aber wäre diese Gesellschaft angesichts des wachsenden Bevölkerungsdrucks aus Afrika und Asien, gegen den dann die Dämme weiter abgebaut werden dürften, keine deutsche im ethnischen Sinne mehr. Das scheint das Hauptziel der meisten Linken, so daß Frauenunterdrückung und Scharia ihnen der „Kollateralschaden“ ist, wenn denn nur endlich die bei ihnen verhaßte weiße Welt des alten Europa verschwindet. So wie die Kriminalitätsopfer der realexistierenden „bunten Republik“ einen „’Kollateralschaden‘ der Globalisierung“ (Martin Lichtmesz) für die tonangebenden Eliten auf dem Weg ins postnationale Zeitalter darstellen mögen.
Soweit eine Bestandsaufnahme. Von dieser ausgehend muß man über nachhaltige Lösungen diskutieren, die real vorhandenen islamischen Milieus in die deutsche Gesellschaft einzugliedern, ohne sich von ihnen dominieren zu lassen. Beispielsweise durch Gewährung religiöser Rechte bei gleichzeitiger Forderung nach Eingliederung, etwa dem alleinigen Gebrauch der deutschen Sprache in den Moscheen, wodurch schon eine kulturelle Grenzlinie zu den Herkunftsländern gezogen wird. Ein „Euro-Islam“ kann nur dann entstehen, wenn man ihn auch gestalten will. Nachhaltige Lösungen beinhalten allerdings auch die Frage, wie sich unsere Gesellschaft und unser Wirtschaftssystem zu verändern haben, damit die bekannten Zuwanderungsprobleme in Zukunft erst gar nicht mehr auftreten. Hier sind Visionen gefragt.