BERLIN. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), hat die steigende Zahl an Kirchenasylen in Deutschland kritisiert und den Kirchen vorgeworfen, das europäische Asylrecht systematisch zu unterlaufen. „Das Bemerkenswerte dabei ist, daß es nahezu in allen Fällen dieses Kirchenasyls – es waren im vergangenen Jahr so 2.300, 2.400 Fälle deutschlandweit – um sogenannte Dublin-Fälle handelt“, sagte Throm am Mittwoch im RTL/ntv-„Frühstart“. Dabei gehe es nicht um Rückführungen in Krisenregionen, sondern um Überstellungen in andere EU-Staaten, „also ein sicheres Land, wo ein ordentliches Asylverfahren gewährleistet ist“.
„Ich glaube, hier stellen sich die Kirchen auf die falsche Seite“, sagte Throm. Sie forderten zwar die Einhaltung des EU-Rechts, unterliefen dieses aber selbst. „Indem sie die Menschen so lange im Kirchenasyl belassen, daß die Fristen abgelaufen sind, dann unterlaufen sie hier auch europäisches Recht“, beanstandete Throm. Daher müsse der Staat den Umgang mit dem Kirchenasyl überdenken, insbesondere bei Dublin-Verfahren.
Kirchen dürften nicht über dem Recht stehen
In der Praxis nutzen viele Gemeinden das Kirchenasyl, um Migranten vor einer Abschiebung zu bewahren. Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge wurden in diesem Jahr bislang 2.386 Kirchenasyle gemeldet – gut 300 mehr als im Vorjahr. Nur ein einziger Fall wurde dabei offiziell als „besonderer Härtefall“ anerkannt. In 39 Fällen sollte eine Rückführung in Nicht-EU-Staaten erfolgen, der Rest betraf Dublin-Verfahren.
Kritik an der Praxis kommt auch aus dem rot-grün regierten Hamburg. Innensenator Andy Grote (SPD) warnte bereits 2024: „Die Kirche steht nicht über dem Recht.“ Es dürfe nicht sein, daß andere Institutionen über das Bleiberecht entscheiden. Der Migrationsforscher Daniel Thym äußerte ebenfalls Unverständnis über das kirchliche Engagement zugunsten bereits abgelehnter Bewerber. Kirchenvertreter verteidigen das Vorgehen hingegen als Ausdruck christlicher Barmherzigkeit.
Konvertieren, um in Deutschland zu bleiben
Besonders brisant ist der aktuelle Fall dreier Somalier, die nach einer erfolgreichen Klage gegen ihre Rückführung nun in einer Berliner Kirche untergekommen sind. Laut einem Asyl-Sachbearbeiter sei eine Abschiebung nach Polen oder Litauen damit faktisch ausgeschlossen. Immer wieder komme es vor, daß Fristen verstreichen und rechtlich angeordnete Rückführungen scheitern, weil Betroffene für Monate im Kirchenasyl untergebracht werden.
Außerdem gebe es eine wachsende Zahl an Konversionen kurz vor der Abschiebung. In der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde Berlin-Steglitz seien mittlerweile rund 800 iranische und 400 afghanische Konvertiten registriert – oft ein entscheidender Faktor, um eine Abschiebung zu verhindern. (sv)