BERLIN. Im vergangenen Jahr haben die Jobcenter mehr als 100.000 Fälle von Leistungsbetrug festgestellt. Etwa 44.000 davon wurden wegen mutmaßlicher strafrechtlicher Relevanz an die Behörden weitergeleitet, wie die Berliner Zeitung berichtete. Der Chef der Berliner Jobcenter, Jens Krüger, sagte gegenüber der Zeitung, daß Leistungsbetrug inzwischen systematisch organisiert werde und schwer aufzuklären sei.
„Es ist häufig schwierig, die Drahtzieher des strukturell angelegten Mißbrauchs zur Verantwortung zu ziehen“, monierte Krüger. Wer bei den Ämtern persönlich auftauche, sei selten der eigentliche Täter. Oftmals sei der angebliche Arbeitgeber zugleich auch Vermieter und Übersetzer.
Der Betrug werde inzwischen professionell organisiert, oft mit juristischer Unterstützung. „Die Betrugsstrukturen zeigen mitunter einen hohen Professionalisierungsgrad beispielsweise mit gefälschten Anmeldungen bei der Sozialversicherung, Miet- und Arbeitsverträgen und gleichzeitigen Übersetzerdiensten, die bei Terminen im Jobcenter begleiten“, sagte Krüger und betonte: „Um die betrügerischen Strukturen zu erkennen und zu verfolgen, sind große Anstrengungen der Jobcenter nötig – bei bereits hoher Arbeitsbelastung in den Jobcentern.“
Berliner Jobcenter-Chef kritisiert Gerichte
Zudem kritisierte Krüger den aus seiner Sicht zu laxen Umgang der Gerichte mit dem Problem. „Im Zweifel entscheiden Sozialgerichte im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen die Empfehlung des Jobcenters für den Sozialschutz des einzelnen EU-Bürgers.“
Deshalb lobte der Berliner Jobcenter-Chef die Pläne der neuen Bundesregierung, einen automatisierten und umfassenden Datenabgleich zwischen den Jobcentern und anderen staatlichen Stellen, etwa Finanzämtern, Familienkassen und Schulen, einzuführen. Zwar arbeiteten die Jobcenter bereits eng mit dem Hauptzollamt und der Staatsanwaltschaft zusammen. Allerdings brauche es eine Pflicht zur digitalen Auszahlung von Arbeitslöhnen und automatisierte Kontenabrufe bei Antragstellern des Bürgergelds, um Betrug zu erschweren, forderte Krüger.
Ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums erörterte auf Nachfrage der Berliner Zeitung das bundesweite Ausmaß des Problems. „Aus verschiedenen Kommunen – insbesondere im Ruhrgebiet, darunter auch Duisburg – werden dem Bund Hinweise auf Probleme im Zusammenhang mit bestimmten Gruppen von Zuwanderern aus EU-Staaten übermittelt.“ Allerdings gebe es bisher keine bundesweite Auswertung, räumte der Sprecher ein. (st)