Auswärtsspiele kann man schon mal verlieren. Erst recht, wenn die Fans der anderen das Stadion dominieren und kochen lassen. Das „Auswärtsspiel“ der deutschen Fußballauswahl gegen die Türkei fand allerdings in Berlin statt. Vom gutgelaunten Fußballfest, das die regierungsfrommen Medien wahrgenommen haben wollten, war auf den Rängen und in den Straßen und Gassen nicht allzu viel zu sehen.
Nationalistische „Graue Wölfe“-Handzeichen, islamistische „IS“-Zeigefinger, Pfiffe für die Deutschen und besonders für den „Verräter“ Gündogan, der trotz türkischer Herkunft im Trikot des Landes spielt, in dem er lebt – da feierten die gefühlten neuen Herren des Landes ihren Triumph über die abgewirtschafteten ehemaligen.
Sie sind viele, sie sind stolz, sie werden mehr
Man muß schon Reporter beim Zwangsgebührenfunk sein, um die Eroberermentalität nicht zu bemerken. Sie sind viele, sie sind stolz, sie werden immer mehr und wissen das auch, und die anderen werden sich entscheiden müssen, „auf welcher Seite“ sie stehen. Manche sprechen das jetzt schon ganz offen aus.
Zumal ihnen am selben Tag ja schon ihr eigentlicher Chef recht deutlich gezeigt hatte, was er von Deutschland und seinen Repräsentanten noch hält: wenig bis gar nichts. Während der Pressetermine in Berlin mit Kanzler und Bundespräsident hatte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan noch einigermaßen Zurückhaltung gewahrt.
Erdogan kam, weil er was will
Scholz und Steinmeier waren ja auch recht brav gewesen, und Erdogan war ja nicht zuletzt gekommen, weil er von der Bundesregierung, die er nach wie vor mit der Migrationswaffe in Schach hält, noch einiges haben will, mehr Geld und Visafreiheit und Fortsetzung der EU-Beitrittsgespräche zum Beispiel.
Zurück in der Türkei war dann aber gleich Schluß mit den Höflichkeitsblättern vor dem Mund, und Erdoğan war wieder der Wortführer der islamischen Anti-Israel-Front. Der Präsident und „der andere“ gehörten zu einer „Kreuzritter-Imperialisten-Struktur“, und überhaupt: Die Türkei schulde Israel nichts, man habe ja keinen Holocaust auf dem Konto.
Fußballschlacht war ein Muskelspiel
Besonders logisch ist das alles nicht, aber darauf kommt es auch gar nicht an. Erdoğan läßt sich als starker Mann feiern, der den neurotischen Schwächlingen mal so richtig die Meinung gegeigt hat. Die nehmen ja sogar hin, wenn ein hochrangiger Taliban-Anführer aus Afghanistan unbehelligt über die deutschen Grenzen marschiert und bei Erdoğans Statthaltern von der Moschee- und Religionsbehörde Ditib eine Hetzrede hält.
Erdoğan weiß mit sicherem Instinkt, daß er die komplexbeladene politische Klasse in Deutschland jederzeit vorführen kann. Bei Bedarf zeigen seine Untertanen auf den deutschen Straßen ihre Muskeln. Die Fußballschlacht am Samstagabend kam da zur Erinnerung gerade recht. Für Recep Tayyip Erdoğan dürfte das ein richtig rundes Wochenende gewesen sein.