Wie taktlos darf es denn heute sein? Eine Antwort auf diese Frage gab das Verhalten der mittlerweile Ex-Umweltministerin von Nordrhein-Westfalen (NRW), Ursula Heinen-Esser (CDU). Die unterbrach angesichts des Jahrhunderthochwassers im vergangenen Sommer zunächst ihren Mallorca-Urlaub – für einen Kurztrip in ihr Bundesland. Nach dieser Stippvisite ging es wieder auf die Mittelmeerinsel, um weitere neun Tage die Sonne zu genießen; während Tausende Bürger im Katastrophengebiet im Trümmerfeld standen und allein dort 49 Tote zu beklagen waren.
Den Vogel schoß die Christdemokratin allerdings zusammen mit weiteren Spitzenpolitikern der CDU ab. Denn zusammen mit ihren Parteifreunden NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach, Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner und der damaligen Integrations-Staatssekretärin Serap Güler feierte sie auf Mallorca den Geburtstag ihres Mannes. Als das bekannt wurde, hätte man meinen können mit etwas Restanstand sollte Heinen-Esser demütig zurücktreten.
Weit gefehlt! Am Donnerstag stellte sie sich noch vor die Presse und verkündete, im Amt bleiben zu wollen. Soviel Dreistigkeit muß man erstmal besitzen. Doch wenige Stunden später war dann doch Schicht im Schacht.
Nichtstun hat weniger Konsequenzen
Woher kam der Sinneswandel? Da in fünf Wochen an Rhein und Ruhr ein neuer Landtag gewählt wird, mag es nicht allzu weit hergeholt sein, daß der Abgang weniger mit plötzlicher Einsicht der prominenten Urlauberin, als vielmehr mit Panik auf der Kommandobrücke um Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) zu tun hat. Denn angesichts des so dankbaren Zieles für die Opposition im Wahlkampfendspurt entledigt man sich besser solchen Ballastes.
Daß Heinen-Esser noch erklärte, durch ihren Rücktritt wolle sie „Schaden vom Amt“ abwenden, bringt höchsten noch einen Treffer beim Bullshit-Bingo der peinlichsten Politiker-Phrasen. Vielleicht wäre sie besser auf Mallorca geblieben. Der Fall Anne Spiegel zeigt ja, daß Nichtstun einer Ministerin nicht das Amt kosten muß.