KIEW. Angesichts der mutmaßlichen Kriegsverbrechen in der Stadt Butscha durch russische Soldaten hat sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj skeptisch über eine Fortsetzung der Verhandlungen mit Moskau gezeigt. Es sei „schwierig“ die Gespräche weiter zu führen, sagte er am Montag gegenüber Journalisten bei einem Besuch vor Ort. Allerdings müsse die Ukraine Frieden bekommen.
Zugleich warf er Rußland vor, in der Stadt bei Kiew einen Völkermord begangen zu haben. „Die Welt wird das als Genozid anerkennen.“ Am Sonntag hatten unter anderem AP-Reporter und der Sender CNN von einem Massaker an der Zivilbevölkerung berichtet. Demnach sollen russische Einheiten dort über 300 Menschen getötet haben.
Ein Kreml-Sprecher wies die Vorwürfe zurück. Aufnahmen aus Butscha seien Fälschungen. „Nach dem zu urteilen, was wir gesehen haben, kann man diesen Videobildern nicht trauen.“ Er mahnte ausländische Politiker, keine „voreiligen Anschuldigungen zu erheben“.
Britischer Geheimdienst meldet russische Truppenverlegungen
Forderungen nach weiteren Sanktionen gegen Rußland erteilte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) derweil eine Absage. Ein Einfuhrstopp für russisches Gas würde Deutschland mehr Schaden als Rußlands Präsident Wladimir Putin, betonte Lindner laut der Nachrichtenagentur dpa. „Gas ist kurzfristig nicht substituierbar. Wir würden uns mehr schaden als ihm.“
Derweil gingen die Angriffe auf ukrainische Städte weiter. Beschuß durch Artillerie und zivile Todesopfer wurden aus Charkiw und Mykolajiw gemeldet. Diese Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Laut dem britischen Geheimdienst konzentriert Rußland seine Truppen weiter in der Ostukraine. So sollen sich demnach auch Einheiten des Sölder-Unternehmens Wagner-Gruppe dort aufhalten.
Latest Defence Intelligence update on the situation in Ukraine – 4 April 2022
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— Ministry of Defence 🇬🇧 (@DefenceHQ) April 4, 2022
Steinmeier: Rückkehr zu Status Quo mit Putin undenkbar
Unterdessen räumte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Fehler in der deutschen Rußland-Politik ein. „Wir sind gescheitert mit der Errichtung eines gemeinsamen europäischen Hauses, in das Rußland einbezogen wird. Wir sind gescheitert mit dem Ansatz, Rußland in eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur einzubinden“, äußerte er am Montag in Gespräch mit Journalisten laut Bild-Zeitung.
Nach dem Bekanntwerden der mutmaßlichen Kriegsverbrechen in Butscha sei eine Fortsetzung der Beziehungen mit Rußland unter Putin nicht denkbar. „Mit einem Rußland unter Putin wird es keine Rückkehr zum Status Quo vor dem Krieg geben“, betonte der frühere Außenminister Steinmeier. (ag)