BERLIN. Die Bundesnetzagentur berät derzeit noch darüber, ob die Gaspipeline Nord Stream 2 eine Genehmigung zur Lieferung nach Deutschland bekommt. Voraussetzung dafür ist, daß der Betreiber „in einer Rechtsform nach deutschem Recht organisiert ist“. So zumindest fordert es die Behörde, weshalb sie das Genehmigungsverfahren für die Ostsee-Pipeline im November ausgesetzt hat. Bis Ende Januar hat sie noch Zeit, zu einer Entscheidung zu kommen.
Die Grünen sind bekanntlich gegen die Inbetriebnahme von Nord Stream 2. Erst am Sonntag hatte sich die scheidende Grünen-Chefin und Außenministerin Annalena Baerbock skeptisch geäußert, was die Erteilung einer Genehmigung für Nord Stream 2 anbelangt und dabei auf den Koalitionsvertrag hingewiesen.
SPD, Grüne und FDP hätten sich darauf verständigt, daß für Energieprojekte europäisches Energierecht gelte. „Und das bedeutet, daß nach jetzigem Stand diese Pipeline so nicht genehmigt werden kann, weil sie eben die Vorgaben des europäischen Energierechts nicht erfüllt und die Sicherheitsfragen ohnehin noch im Raum stehen.“
Grünen-Abgeordnete Nestle im Gespräch
Nur was tun, wenn die Bundesnetzagentur grünes Licht für Nord Stream 2 gibt? Das hat man sich offenbar auch bei den Grünen gefragt. Nach Informationen der JF gibt es Gedankenspiele, den derzeitigen Präsidenten Jochen Homann auszutauschen. Möglicherweise soll auch gleich noch einer seiner beiden Stellvertreter gehen. Homann galt als CDU-nah, stand der Energiewende skeptisch gegenüber und war 2012 vom damaligen Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) an der Spitze der Netzagentur installiert worden.
Einen potentiellen Nachfolger für Homann hat man im grünen Teil der neuen Bundesregierung möglicherweise schon gefunden, genauer gesagt einer Nachfolgerin. In gut informierten Kreisen wird der Name Ingrid Nestle genannt. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete war bereits in Schleswig-Holstein Staatssekretärin unter dem damaligen Umweltminister Robert Habeck (Grüne). Habeck ist nun neuer Wirtschaftsminister. Seinem Haus untersteht die Bundesnetzagentur.
Im Blick behalten sollte Habeck bei einer möglichen Neubesetzung allerdings ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dieser hatte erst im September auf Klage der EU-Kommission entschieden, daß die Unabhängigkeit der Bundesnetzagentur durch das Energiewendegesetz und die darin enthaltenen Bestimmungen und Vorgaben zu stark eingeschränkt werde.
EuGH sieht politische Beeinflussung kritisch
Die Bundesnetzagentur dürfe in ihrer Funktion als Regulierungsbehörde bei der Festsetzung der Netzentgelte politisch nicht durch den nationalen Gesetzgeber beeinflußt werden. Sprich: Der EuGH hat die Unabhängigkeit der Behörde gestärkt. Um so genauer wird man daher hinschauen, wenn der Eindruck entsteht, bei der Leitung der Bundesnetzagentur könne die Frage des richtigen Parteibuchs eine Rolle spielen.
Möglicherweise wartet man aber auch die Entscheidung der Netzagentur im Nord-Stream-Verfahren ab, um eine neue Personalie nicht in zu engen inhaltlichen Zusammenhang damit zu bringen. Denn Nestle gilt als klare Gegnerin der Pipeline und forderte bereites 2018 in einem offenen Brief mit weiteren Abgeordneten die damalige Kanzlerin Angela Merkel auf, von dem Projekt Abstand zu nehmen.
Das Bundeswirtschaftsministerium äußerte sich bislang nicht auf eine Anfrage der JF zu möglichen personellen Veränderungen bei der Bundesnetzagentur. (krk)