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Ermittlungen gegen AfD-Landeschef: Neue Erkenntnisse zu Höckes Hausdurchsuchung

Ermittlungen gegen AfD-Landeschef: Neue Erkenntnisse zu Höckes Hausdurchsuchung

Ermittlungen gegen AfD-Landeschef: Neue Erkenntnisse zu Höckes Hausdurchsuchung

Thüringens AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke
Thüringens AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke
Thüringens AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Martin Schutt
Ermittlungen gegen AfD-Landeschef
 

Neue Erkenntnisse zu Höckes Hausdurchsuchung

Die Ermittlungen gegen Thüringens AfD-Landes- und Fraktionschef schlagen weiter hohe Wellen. Wie die zuständige Staatsanwaltschaft gegenüber der JUNGEN FREIHEIT ausführte, stellte auch die Kapitänin Carola Rackete Strafantrag gegen Höcke. Dieser habe sein „politisches Umfeld“ als möglichen Urheber des inkriminierten Facebook-Beitrags ins Spiel bringen lassen. Auch Höcke äußert sich.
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Die Ermittlungen gegen Thüringens AfD-Landes- und Fraktionschef schlagen weiter hohe Wellen. War die Durchsuchung unverhältnismäßig? Durfte die Staatsanwaltschaft Mühlhausen überhaupt wegen des Anfangsverdachts der Volksverhetzung ermitteln? Sei doch der inkriminierende Facebook-Eintrag, aufgrund dessen die Ermittlungen eingeleitet worden waren, aus dem Zusammenhang gerissen worden. Die JUNGE FREIHEIT fragte noch einmal bei der Staatsanwaltschaft nach. Und es stellt sich heraus, daß nicht nur die Kapitänin Carola Rackete Anzeige erstattet hat, sondern daß Höcke sein „politisches Umfeld“ als mögliche Urheber des Beitrags ins Spiel bringen ließ. Die Frage lautet: Wer verfaßte den Eintrag?

„Das Ermittlungsverfahren gegen den Abgeordneten Höcke beinhaltet mehrere Tatvorwürfe“, erklärte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft gegenüber der JF. „So wurde in dem verfahrensgegenständlichen Beitrag ein Bild der ehemaligen Sea-Watch-Kapitänin Carola Rackete veröffentlicht, neben welchem geschrieben steht: ‘Schlepper-Ikone Carola Rackete : Ich habe Folter, sexuelle Gewalt, Menschenhandel und Mord importiert:’ In der vorläufigen rechtlichen Bewertung des Sachverhaltes begründet dies den Anfangsverdacht der Üblen Nachrede zum Nachteil von Frau Carola Rackete, der mit dem Beitrag unterstellt wird, Menschenhandel zu betreiben und im Kontext überdies suggeriert, daß diese für durch ‘solche Kriminelle’ begangene sexuelle Gewalt, Folter und Mord auf dem Kontinent mitverantwortlich sei. Frau Rackete hat Strafantrag gestellt.“

Doch wie kommt es nun zu dem Vorwurf der Volksverhetzung? Dazu erklärt die Staatsanwaltschaft folgendes:

„Weiter wurde vor dem Hintergrund des Themas Migration geschrieben: ‘Mit solchen Kriminellen können sich nun die Menschen in Europa herumschlagen – eine Verantwortung dafür, wen #Rackete da gesetzwidrig auf den Kontinent geschafft hat, übernimmt sie natürlich nicht. Die Folgen, welche die von ihr aktiv unterstützte Masseneinwanderung auf die gewachsene Gesellschaft in Europa hat, scheinen Rackete nicht zu interessieren.’“

Staatsanwaltschaft: Höcke verwies auf „Personen aus seinem politischen Umfeld“

Im Zusammenhang mit dem erwähnten Phänomen der Masseneinwanderung beinhalte der Beitrag laut Staatsanwaltschaft auch die Aussage, „daß Geflüchtete generell ‘solche Kriminellen’ seien, die ‘Folter, sexuelle Gewalt’ und ‘Mord’ begingen und mit denen sich nun ‘die Menschen in Europa herumschlagen’ müßten. Dies wiederum begründet den Anfangsverdacht einer durch den Abgeordneten begangenen Volksverhetzung durch eine friedensstörende Verunglimpfung der Gruppe der Geflüchteten als ‘Kriminelle’ et cetera.“

Ein Anfangsverdacht liegt gemäß Staatsanwaltschaft immer bereits dann vor, „wenn es aufgrund konkreter Anhaltspunkte nach kriminalistischer Erfahrung möglich erscheint, daß eine verfolgbare Straftat vorliegt. Dies war hier der Fall.“ Deshalb sei die Einleitung von Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft begründet.

Die Durchsuchung in Höckes Haus sei erforderlich geworden, „weil der anwaltlich vertretene beschuldigte Abgeordnete, dem die Tatvorwürfe,  nicht zuletzt durch das Immunitätsaufhebungsverfahren im Einzelnen hinlänglich bekannt waren, von seinem Recht, sich nicht zur Sache einzulassen Gebrauch gemacht hat, jedoch auf die Möglichkeit verweisen ließ, daß nicht er selbst, sondern namentlich nicht näher benannte Personen aus seinem politischen Umfeld als Urheber des verfahrensgegenständlichen Beitrages in Frage kommen würden“.

Die Staatsanwaltschaft erklärte weiter:

„Aufzuklären, ob es sich hierbei um eine reine Schutzbehauptung handelt oder der beschuldigte Abgeordnete tatsächlich keinerlei Zugriffe auf die unter seinem eigenen Namen ‘Björn Höcke’ geposteten Beiträge genommen hat, war daher im Rahmen der durchzuführenden Ermittlungen erforderlich. Diese durch den zugrundeliegenden richterlichen Beschluss legitimierte strafprozessuale Maßnahme war geeignet und angemessen.“

Höcke bezog sich auf drei verurteilte Migranten

Höcke veröffentlichte Mitte 2020 auf seiner offiziellen Facebook-Seite ein Bild von der deutschen Kapitänin Carola Rackete mit der Zeile: „Ich habe Folter, sexuelle Gewalt, Menschenhandel und Mord importiert.“ Im Text dazu ergänzte er: „Mit solchen Kriminellen können sich nun die Menschen in Europa herumschlagen – eine Verantwortung dafür, wen Rackete da gesetzwidrig auf den Kontinent geschafft hat, übernimmt sie natürlich nicht.“

Damit spielte der AfD-Politiker auf ihre Tätigkeit an Bord der Sea-Watch 3 an. 2019 fuhr Rackete ohne behördliche Erlaubnis in einen italienischen Hafen ein. An Bord befanden sich Dutzende Migranten. Drei Männer aus Guinea und Ägypten wurden ein Jahr später von einem Gericht in Messina wegen Folter, sexueller Gewalt, Menschenhandel und Mord zu jeweils 20 Jahren Haft verurteilt.

Die Staatsanwaltschaft leitete strafrechtliche Ermittlungen gegen Höcke ein. „Wegen dieser Geschichte wurde im Dezember 2020 die Immunität von Herrn Höcke im Landtag aufgehoben“, schilderte ein Pressesprecher der Behörde am Dienstag gegenüber der . „Dabei hatten wir im Vorfeld auch Herrn Höcke um Stellungnahme gebeten. Doch da kam nix. Hätte er gesagt ‘Jo, der Post ist von mir’ hätten wir weiter über Anwälte kommuniziert.“

Am 5. Februar 2021 wurde dem durch die Staatsanwaltschaft Mühlhausen beantragten Durchsuchungsbeschluß, stattgegeben. „Daß die Hausdurchsuchung erst mehr als drei Monate später stattfinden sollte und dieser Vorgang unmittelbar in die Wahlkampfzeit fällt, mag man für einen Zufall halten“, schrieb Höcke am Sonntag dazu auf seinem Telegram-Kanal.

Die Staatsanwaltschaft konterte: „Wenn es nach uns gegangen wäre, hätten wir natürlich gerne sofort durchsucht. Wir beauftragten das Landeskriminalamt mit der Vollstreckung, denn dort ist die Abteilung für Staatsschutzverfahren. Der erste Termin war der 1. April. Das ist allerdings der Geburtstag von Herrn Höcke und dieser Termin erschien uns unter diesen Umständen unziemlich. So verschoben sich die Termine – auch aus organisatorischen Gründen, es mußte zum Beispiel eine IT-Kraft dabei sein und Herr Höcke sollte auch dabei sein.“

Höcke: „Beitrag von der Meinungsfreiheit gedeckt“

Höcke sagte am Mittwoch auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT, die Staatsanwaltschaft habe seinen Anwalt Mitte Januar für eine Stellungnahme angefragt. Besonderes Interesse habe an der Frage bestanden, „ob ich einräumen würde, die verfahrensgegenständliche Aussage getätigt zu haben“.

Höcke weiter: „In einem darauf geführten Telefonat wies mein Rechtsanwalt darauf hin, daß der verfahrensgegenständliche Beitrag von der Meinungsfreiheit gedeckt sei, weil die ­– durchaus polemische – Aussage einen wahren Tatsachenbezug aufweise, der im Beitrag sogar angegeben sei. Eine schriftliche Stellungnahme dazu sei laut Staatsanwaltschaft entbehrlich, besondere Bedeutung habe die Frage, ob ich zugäbe, den Beitrag selbst eingestellt zu haben. Darauf konnte durch meinen Rechtsanwalt nur angegeben werden, daß wegen Zeitablaufs nicht mehr rekonstruierbar sei, welcher Zugriffsberechtigte den Beitrag eingestellt habe.“

Der AfD-Politiker hatte in seinem Facebook-Eintrag auf den JF-Beitrag verwiesen, in dem es um die Verurteilung der drei Migranten ging.

AfD-Politiker kritisieren Durchsuchung

Unterdessen kritisieren weitere AfD-Politiker die polizeilichen Maßnahmen gegen Höcke. „Die Razzia bei Björn Höcke offenbart, wie schlecht es um die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland bestellt ist“, teilte der rechtspolitische Sprecher der AfD-Delegation im EU-Parlament, Gunnar Beck, am Mittwoch mit. Höcke habe „bloße Fakten aufgezählt, nämlich daß die Schlepperin Carola Rackete – gewiß ohne Vorsatz und vermutlich ohne Bedacht – Folterer nach Europa gebracht hat“. Dies sei gerichtlich bestätigt. „Die Wahrheit zu sagen, kann, so sollte man meinen, nie Volksverhetzung sein.“

Beck wies zudem darauf hin, daß sich die Hausdurchsuchung bei Höcke „in eine Serie ähnlicher Vorgänge einreihe, die die EU bei unliebsameren, weil rechtskonservativ regierten Mitgliedsstaaten, wie etwa Polen oder Ungarn, sofort anprangern und sanktionieren würde“. Doch in Polen oder Ungarn würden „vor wichtigen Wahlen die Häuser von Oppositionspolitikern nicht durchsucht, sehr wohl aber in Deutschland“.

Zuvor hatte sich der sächsische AfD-Landesverband hinter Höcke gestellt. „Diese fragwürdige Instrumentalisierung der Justiz zur Einschüchterung der Opposition kennen wir sonst nur aus autoritären Staaten wie Weißrussland oder Venezuela. Bevor Politik und Medien diese Staaten angreifen, sollten sie vor der eigenen Haustür kehren.“ Auch AfD-Politiker, die als parteiinterne Gegner Höckes gelten, kritisierten die Ermittlungen gegen den Thüringer Landesvorsitzenden.

Thüringens AfD-Landes- und Fraktionschef Björn Höcke Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Martin Schutt
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