Die AfD hat wie die übrigen Parteien nun auch Spitzenkandidaten. Die Entscheidung fiel nach vorangegangenem Fingerhakeln in der Bundesspitze durch Mitgliederbefragung. Bei einer überschaubaren Wahlbeteiligung von 48 Prozent fiel es eindeutig aus: Alice Weidel und Tino Chrupalla setzten sich mit 71 Prozent durch. Ihre Konkurrenten – die hessische Abgeordnete Joana Cotar und der pensionierte Generalleutnant Joachim Wundrak – erreichten mit 27 Prozent ein respektables Achtungsergebnis.
Obwohl die Nominierung Teil eines Machtkampfes ist, bei dem es auch um die inhaltliche Ausrichtung der Partei geht, kann die Wahl des Spitzenduos Weidel/Chrupalla nicht als klare Richtungsentscheidung interpretiert werden. Auch wenn dies von vielen Kommentatoren anders gesehen wird. Weder die eine noch der andere versteht sich als Vertreter des rechten „Flügels“. Beide wissen, daß sie in den eigenen Reihen alles andere als unumstritten sind und viel ihrem höheren Bekanntheitsgrad zu verdanken haben. Daher ihre Betonung, daß es nun darum gehe, zu integrieren und die Partei zu einer schlagkräftigen Einheit zu machen.
Unbestritten ist, daß das Ergebnis des Mitgliederentscheids eine Schlappe für Co-Bundessprecher Jörg Meuthen ist. Denn mit Chrupalla und Weidel setzten sich seine entschiedenen Gegner im Vorstand durch, denen er eigentlich mit dem Mitgliederentscheid einen Dämpfer hatte geben wollen. Der Versuch schlug fehl. Das entscheidende Manko: Meuthen hätte eigentlich von vornherein sich selbst für den Weg nach Berlin entscheiden und um die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl kämpfen müssen. Daß es dazu nicht kam, hatte nicht zuletzt mit dem Fehlen einer Hausmacht zu tun.
Nicht genug, um politisch mitzugestalten
Zuletzt bleibt die Frage, welche Bedeutung die Wahl der Spitzenkandidaten für die weitere Entwicklung der AfD überhaupt hat. Alexander Gauland hat mehrfach betont, daß man wegen der „drei Buchstaben gewählt“ werde. Das heißt, es ist der AfD – trotz aller Feindseligkeit, die ihr entgegenschlägt, trotz Schikanen von staatlicher und „zivilgesellschaftlicher“ Seite – gelungen, eine Marke zu schaffen, von der Bürger wissen, was sie erwartet. Das erklärt viel von der bemerkenswerten Stabilität ihrer Wahlergebnisse und der Perspektive, bei der Bundestagswahl im Herbst das alte Ergebnis um zwölf Prozent mindestens zu verteidigen.
Indes: Um politisch mitzugestalten, genügt das nicht. Eigentlich müßte die Parole „Deutschland. Aber normal“ massenhaft Zustimmung finden: Nicht nur in den Reihen der Mitglieder und der Anhängerschaft, nicht nur unter denen, die wenigstens in der Wahlkabine wissen, was zu tun ist, sondern überhaupt in der hart arbeitenden, steuerzahlenden, leistungsbereiten Mehrheit. Daß die noch nicht gewonnen ist, ist das entscheidende Problem.
JF 22/21