BERLIN. Der anstehende harte „Lockdown“ hat nach Einschätzung von Ökonomen massive Auswirkungen auf Volkswirtschaft und Arbeitsplätze. „Jede Woche Lockdown dürfte rund 3,5 Milliarden Euro beim Bruttoinlandsprodukt kosten“, sagte Enzo Weber vom Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) laut der Nachrichtenagentur dpa am Montag. „Das wird die Beschäftigungsentwicklung in Deutschland noch einmal belasten.“
Zwar werde der Arbeitsmarkt insgesamt vergleichsweise robust bleiben, erwarten die Forscher des IAB, das zur Bundesagentur für Arbeit gehört. „Dennoch wird es einen Rückschlag geben.“ Das Angebot für Saisonbeschäftigte beispielsweise dürfte entfallen, darunter zahlreiche Minijobs. Die Zahl der Kurzarbeiter werde in der Folge um etliche hunderttausend steigen.
Entscheidend für einen Neustart des Arbeitsmarktes sei dann die schnelle Wiedereinstellung. Neben den Erfahrungen mit „Lockdown“-Maßnahmen und den staatlichen Finanzspritzen gebe aber vor allem die bevorstehende Impfzulassung „eine Perspektive auf ein Ende der akuten Corona-Phase“, teilte Weber mit. „Viele Betriebe werden deshalb versuchen, ihre Beschäftigten zu halten.“
Wirtschaftsministerium erwartet konjunkturellen Dämpfer
Das Bundeswirtschaftsministerium warnte in seinem am Montag veröffentlichten Montagsbericht vor einem konjunkturellen Rückschlag. „Der wirtschaftliche Aufholprozeß hat sich zuletzt weiter fortgesetzt, aber der Verlauf der Pandemie stellt ein Risiko dar“, heißt es darin. Die seit November geltenden und ab diesem Mittwoch verschärften Maßnahmen belasteten vor allem die Gastronomie sowie Freizeit- und Tourismusbranche.
„Mit dem jüngst beschlossenen harten Lockdown sind nun aber auch weitere Bereiche betroffen“, erklärte das Ministerium. „Alles in allem dürfte das Wirtschaftswachstum in Deutschland im vierten Quartal einen merklichen Dämpfer erhalten.“ Auch andere Ökonomen gehen derzeit davon aus, daß das Bruttoinlandsprodukt im laufenden vierten sowie im ersten Quartal des kommenden Jahres sinken werde.
„Wieder an dem Punkt, als Deutschland als kranker Mann Europas galt“
Unterdessen hat der neue Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Stefan Wolf, der Bundesregierung ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Seiner Branche gehe es keineswegs nur wegen der Corona-Krise schlecht. Auch die Politik der vergangenen Jahre habe dem Standort Deutschland massiv geschadet.
„Wir sind in Deutschland wieder an dem Punkt wie zu Beginn der 2000er-Jahre, als Deutschland als kranker Mann Europas galt“, sagte Wolf der Welt am Sonntag. „Und jetzt ist der Punkt gekommen, wo Unternehmen sagen, daß sich die Verlagerung rechnet.“ Vor allem da Länder wie Bulgarien oder Rumänien mit Zuschüssen und Steuererleichterungen um deutsche Firmen werben würden.
Bei der bevorstehenden Tarifrunde forderte er eine Nullrunde sowie weitreichende Öffnungsklauseln, damit Betriebe die Krise überstehen könnte. „Ich sehe keinen Verteilungsspielraum. Und wir müssen die Tariflandschaft entrümpeln und an bestimmte Vergünstigungen ran.“ (ls)