Claas Relotius wurde vor zwei Jahren mit einem Knall zum Synonym für Fälschungen in der Presse. Als Spätfolge dieser Affäre um den als Lügenbaron überführten Spiegel-Redakteur räumte eine Prüfungskommission des Hamburger Nachrichtenmagazins in einem anderen Fall erneut schwere Fehler ein. So kann sich 27 Jahre nach seinem spektakulären Sturz als Generalbundesanwalt der heute 82jährige Alexander von Stahl endlich rehabilitiert sehen.
Der gefürchtete Investigativ-Reporter Hans Leyendecker schrieb damals den Enthüllungsartikel zur Spiegel-Titelstory „Der Todesschuß“. Unter der Schlagzeile „Tötung wie eine Exekution“ erhob Leyendecker den Vorwurf, der RAF-Terrorist Wolfgang Grams sei am 27. Juni 1993 am mecklenburgischen Bahnhof Bad Kleinen von Beamten der GSG 9 durch Schüsse auf kurze Distanz „regelrecht hingerichtet“ worden.
Aus den Mördern der RAF, die über 20 Jahre eine Blutspur des Terrors durch Deutschland zogen, machte Leyendecker Opfer eines Staates, der das Bild des „faschistischen Schweinesystems“ (RAF-Sprech) zu bestätigen schien. Es hätte auch prachtvoll zum linken Märchen vom angeblichen „Staatsmord“ an den RAF-Terroristen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe gepaßt, die sich am 18. Oktober 1977 in der Haftanstalt Stuttgart-Stammheim das Leben genommen hatten.
Keine Einzelfälle
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Die Spiegel-Kommission überführte Leyendecker, er habe auf Basis „mangelhaft geprüfter und falscher Aussagen einen journalistischen Fehler begangen“. Neben Leyendecker steht der verstorbene ARD-Moderator Klaus Bednarz am Pranger, der in einem „Monitor“-Beitrag noch vor Erscheinen des Spiegel, gestützt auf eine plump gefälschte eidesstattliche Versicherung einer Zeugin, raunend verkündet hatte: „Alles deutet auf Exekution.“
Wir erleben, wie linke Großmeister des Journalismus, die sich oft genug als hypermoralische Chefankläger geriert hatten, als sie beispielsweise Helmut Kohl im Rahmen der CDU-Spendenaffäre – zu Recht – der Lüge anklagten, nun über ihren eigenen kreativen Umgang mit der Wahrheit stürzen.
Doch sind es keine Einzelfälle, es hat System: Wenn es um den Kampf gegen das „Böse“ (im Zweifel „gegen Rechts“) geht, werden journalistische Sicherungen ausgeschaltet, Standards gekippt. Was nicht paßt, wird passend gemacht.
Bis heute hat sich der Spiegel nicht für Beiträge entschuldigt, in denen er gestützt auf schlampige Dossiers des NRW-Verfassungsschutzes der JUNGEN FREIHEIT Rechtsextremismus andichtete. Während Alexander von Stahl selbst 27 Jahre auf die Entschuldigung der Spiegel-Chefredaktion warten mußte, erstritt er vor dem Bundesverfassungsgericht als Prozeßbevollmächtigter 2005 den Sieg der JF gegen den NRW-Verfassungsschutz, der diesen endgültig zum Schweigen brachte.
JF 47/20