BERLIN. Deutschlands führende Wirtschaftsforscher haben der neuen Regierung im Frühjahrsgutachten ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. „Der Boom, in dem sich die deutsche Wirtschaft befindet, hält an. Allerdings wird die Luft dünner, da die noch verfügbaren gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten knapper werden“, sagt Timo Wollmershäuser, Leiter der Konjunkturforschung und -prognosen des leitenden ifo-Instituts.
Um die Absichten der Großen Koalition in der Rentenpolitik umzusetzen, müßten entweder Beschäftigte künftig bis über das Alter von 70 Jahren hinaus arbeiten, oder die Zahl der Beitragszahler jährlich um etwa 500.000 Personen steigen.
Deutsche Beitragssätze sind bereits jetzt Weltspitze
Dies seien die einzigen Optionen, die die Forscher erkennen, bei denen die Beitragssätze stabil gehalten werden könnten. „Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Leistungsausweitungen in der Gesetzlichen Rentenversicherung laufen dem Nachhaltigkeitsgedanken zuwider“, veröffentlichten die Wirtschaftsforscher am Donnerstag in einem Bericht.
Würden die Beitragssätze dagegen steigen, könnte die Regierung ihre Rentenpläne durchsetzen. Darunter sind eine Grundrente für sozial Schwache, eine Aufstockung der Mütterrente und das Rentenniveau bei 48 Prozent stabil zu halten. Nach den aktuell geltenden Regeln der Rentenanpassung müßte das Niveau wegen der Alterung der Bevölkerung bis 2050 auf 43 Prozent absinken.
Den Wirtschaftsforschern zufolge würde der Beitragssatz von 19 auf 24 Prozent steigen, selbst wenn die geplanten Maßnahmen nicht durchgesetzt würden. Deutschland ist bei Steuern und Abgaben einem OECD-Bericht jetzt schon Weltspitze. Innerhalb der Gruppe der Industrienationen zahlen nur Alleinstehende in Belgien noch mehr an den Staat. (mp)