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Seltene Erden: Chinas Giftbilanz zwingt Europa zur Rohstoffwende

Seltene Erden: Chinas Giftbilanz zwingt Europa zur Rohstoffwende

Seltene Erden: Chinas Giftbilanz zwingt Europa zur Rohstoffwende

Die Gewinnung Seltener Erden hat in China seit Jahrzehnten giftige Emissionen und schwere Gesundheitsschäden verursacht. Europa will sich davon lösen, doch Projekte von Kiruna bis Luleå stehen erst am Anfang. Ob die EU ihre Abhängigkeit wirklich verringern kann. Radlader in einer Grube bei Gällivare: In Nordschweden laufen Vorbereitungen für eine eigene Wertschöpfung bei kritischen Rohstoffen. Foto: picture alliance / imageBROKER | Thomas Krämer
Die Gewinnung Seltener Erden hat in China seit Jahrzehnten giftige Emissionen und schwere Gesundheitsschäden verursacht. Europa will sich davon lösen, doch Projekte von Kiruna bis Luleå stehen erst am Anfang. Ob die EU ihre Abhängigkeit wirklich verringern kann. Radlader in einer Grube bei Gällivare: In Nordschweden laufen Vorbereitungen für eine eigene Wertschöpfung bei kritischen Rohstoffen. Foto: picture alliance / imageBROKER | Thomas Krämer
Radlader in einer Grube bei Gällivare: In Nordschweden laufen Vorbereitungen für eine eigene Wertschöpfung kritischer Rohstoffe. Foto: picture alliance / imageBROKER | Thomas Krämer
Seltene Erden
 

Chinas Giftbilanz zwingt Europa zur Rohstoffwende

Die Gewinnung Seltener Erden hat in China seit Jahrzehnten giftige Emissionen und schwere Gesundheitsschäden verursacht. Europa will sich davon lösen, doch Projekte von Kiruna bis Luleå stehen erst am Anfang. Ob die EU ihre Abhängigkeit wirklich verringern kann?
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Die „Luftverschmutzung mit giftigen Abgasen (SO₂, Schwermetalle) wird vor allem durch metallurgische Prozesse bei der Verhüttung und Raffination von sulfidischen Erzen und Konzentraten verursacht“, hieß es 2014 in der „Fallstudie zu den Umwelt- und Sozialauswirkungen der Gewinnung Seltener Erden in Bayan Obo, China“ für das Umweltbundesamt.

Bei der Produktion einer Tonne (t) Selten-Erd-Elemente (SEE) fielen „8,5 kg Fluor und 13 kg Staub an. Beim Aufschluß mit Schwefelsäure und der Kalzinierung entstehen rund 9.600 bis 12.000 m³ an toxischen Abgasen, die Staub, Flußsäure, Schwefelsäure und Schwefeldioxid enthalten sowie rund 75 m³ an sauren Abwässern und rund eine Tonne an radioaktiven Schlämmen“.

Die Sterblichkeitsrate durch Lungenkrebs sei „deutlich erhöht“. Die Folgen der Vergiftung von Flüssen, Grundwasser und Boden seien „unter anderem Diabetes, Osteoporose sowie Brust- und Atmungsprobleme. Die Einatmung von Staubpartikeln führe zur Verbreitung von Pneumokoniose (Staublunge), unter der mehr als die Hälfte der Bevölkerung in der Millionenstadt Baotou leide. Das ist inzwischen über 15 Jahre her.

Giftige Emissionen verursachen hohes Lungenkrebsrisiko

Ab 2011 wurden von Peking zwar schärfere Umweltauflagen für die SEE-Raffinierung in der Region Innere Mongolei erlassen, aber noch 2022 monierte ein UN-Bericht (A/HRC/49/53), daß sich wenig geändert habe. Denn China fördere den Großteil der weltweit vorkommenden SEE, „die in Produkten wie Elektrofahrzeugen, Windkraftanlagen und Mobiltelefonen verwendet werden“. Diese Metalle würden weiter in Bayan Obo abgebaut und im 150 Kilometer entfernten Baotou verarbeitet: „Die Luftqualität ist sehr schlecht, und giftige Emissionen verursachen ein erhebliches lebenslanges Risiko für Lungenkrebs bei den Anwohnern, insbesondere bei Kindern.“ Die Bewohner wiesen erhöhte Werte von „Lanthan (La), Cer (Ce) und Neodym (Nd) in ihrem Blut, Urin und Haar auf.“

 

Die neun schweren der 17 SEE wie Gadolinium (Gd) oder Ytterbium (Yb) werden vor allem in der südchinesischen Provinz in Jiangxi abgebaut und raffiniert – mit ebenfalls dramatischen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. All das ist in Europa, Japan und den USA bekannt gewesen – doch die von den chinesischen Staatsfirmen verlangten Preise waren so verlockend, daß sich eine heimische Produktion nicht rechnete. Hinzu kommt, daß China nicht nur Rohmaterialien liefert, sondern auch verarbeitete Produkte: von Magnetsorten für alle E-Motore bis hin zu Magneten, die in Großgeneratoren verbaut werden.

Die westliche Abhängigkeit wollte Peking erstmals 2010 zu seinem Vorteil nutzen: Unter dem Vorwand „Umweltschutz“ wurden die SEE-Exportquoten reduziert – worauf die EU, die USA und Japan vor das Genfer Welthandelsgericht (WTOAB) zogen und 2012 recht bekamen. Doch inzwischen haben sich die Kräfteverhältnisse verschoben: China ist mächtiger geworden, Europa – dank Klimawahn, Migration, Bildungsverfall und Ukrainekrieg – schwächer. Erneute Ausfuhrbeschränkungen wurden dank des Treffens von Donald Trump und Xi Jinping für ein Jahr ausgesetzt.

Europäische Alternativen sind teuer

Aber eigene SEE-Alternativen gibt es bislang nur auf dem EU-Papier. Die Deutsche Rohstoffagentur (Dera) schwärmt zwar von Länder-Kooperationen (Australien, Chile, Peru, Südafrika). Doch Binnenländer wie Kasachstan und die Mongolei stehen unter dem Einfluß Chinas und Rußlands.

Im März stellte die EU-Kommission 47 strategische Rohstoffprojekte vor. Grundlage ist der Critical Raw Materials Act (CRMA) von 2024 – und eine glückliche Fügung: Im Januar 2023 gab der schwedische Staatskonzern LKAB bekannt, daß er im Gebiet um Kiruna in Lappland weit mehr als eine Million Tonnen Seltenerdoxide (SEO) entdeckt habe. Es sei die größte bekannte Lagerstätte in Europa: „Das sind gute Nachrichten, nicht nur für LKAB, die Region und die schwedische Bevölkerung, sondern auch für Europa und das Klima“, erklärte damals Konzernchef Jan Moström.

Experten überraschte das nicht: Auch Bayan Obo ist ursprünglich eine Eisenmine – die SEE sind nur „Beifang“. Das Eisenerzbergwerk Kiruna gibt es seit 125 Jahren, und die Bahnstrecke zum eisfreien norwegischem Exporthafen Narvik hatte nicht nur im Zweiten Weltkrieg geopolitische Bedeutung. „Die Elektrifizierung, die Selbstversorgung der EU und die Unabhängigkeit von Rußland und China beginnen in der Mine“, prognostizierte euphorisch die Christdemokratin und schwedische Wirtschaftsministerin Ebba Busch.

Doch bis es soweit ist, könnte es zehn bis 15 Jahre dauern. Zudem müßten die Kapazitäten zur SEO-Verarbeitung und zur Herstellung von SEE-Zwischenprodukten erst geschaffen werden, warnt Erik Jonsson vom geologischen Dienst Schwedens. Gesundheitsgefährdende Umweltverschmutzung wie in China ist nicht zu befürchten – das liegt an der langen Bergbauerfahrung und den strengen schwedischen Gesetzen.

EU-Subventionen werden die Milliardeninvestitionen erleichtern. Und gezielte Forschung könnte technischen Fortschritt bringen. So stellten vor drei Jahren Forscher um Hongping He (Guangzhou Institute of Geochemistry) im Magazin Nature eine „grüne und effiziente Technologie zur Gewinnung von SEE aus Verwitterungskrusten“ vor. Die bezieht sich zwar auf die Lager in Jiangxi, aber der Teilersatz von Ammoniumsalzlauge durch elektrische Ströme klingt vielversprechend. 2023 wurde der erste Großversuch mit einer Demonstrationsanlage und 5.000 Tonnen Boden vermeldet.

Verbund macht widerstandsfähiger gegenüber Manipulationen

Auch in Schweden gehe es voran, „schrittweise eine stabile, wettbewerbsfähige und nachhaltige industrielle Wertschöpfungskette innerhalb der EU aufzubauen“, verkündete LKAB-Chef Moström im März. Die EU-Kommission habe dem LKAB-Industriepark für kritische Mineralien in Luleå am Bottnischen Meerbusen, dem Bergwerk Malmberget in Gällivare 70 Kilometer nördlich des Polarkreises und dem Per-Geijer-Vorkommen in Kiruna den Status eines „strategischen Projekts“ zuerkannt, um die „Abhängigkeit von anderen Ländern angesichts wachsender geopolitischer Spannungen zu verringern“. Daß die LKAB-Lagerstätten Eisenerzminen seien, in denen SEE als Nebenprodukte anfallen, mache „widerstandsfähiger gegenüber Preismanipulationen, die wir in der Vergangenheit auf dem Markt erlebt haben“, erläuterte Moström.

Die Ukraine wäre prinzipiell auch ein alternativer SEE-Lieferant innerhalb Europas. Doch der Krieg, sein ungewisser Ausgang und die Zusagen an die Amerikaner sprechen derzeit dagegen. In Serbien gibt es SEO-Vorkommen, doch schon beim mit der EU vereinbartem Lithium-Abbau gibt es Widerstand aus der Bevölkerung wegen Umweltbedenken. Auch in der anatolischen Provinz Eskişehir ist 2022 ein riesiges SEO-Vorkommen entdeckt worden – doch auch hier scheinen die USA den Vorrang zu haben, wie Präsident Recep Tayyip Erdoğan bei seinem Washington-Besuch im September andeutete. Sogar in Sachsen gibt es drei SEO-Vorkommen: Storkwitz und die Domsener Schichten bei Leipzig sowie das Osterzgebirge. Für ein „strategisches“ EU-Projekt sind sie aber wohl zu teuer und unbedeutend.

Aus der JF-Ausgabe 47/25.

Radlader in einer Grube bei Gällivare: In Nordschweden laufen Vorbereitungen für eine eigene Wertschöpfung kritischer Rohstoffe. Foto: picture alliance / imageBROKER | Thomas Krämer
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