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Universität München: „Insgesamt ist keine herausstechende Übersterblichkeit zu beobachten“

Universität München: „Insgesamt ist keine herausstechende Übersterblichkeit zu beobachten“

Universität München: „Insgesamt ist keine herausstechende Übersterblichkeit zu beobachten“

Corona-Station in einem Krankenhaus: Keine Übersterblichkeit bei 60-79jährigen
Corona-Station in einem Krankenhaus: Keine Übersterblichkeit bei 60-79jährigen
Corona-Station in einem Krankenhaus: Keine Übersterblichkeit bei 60-79jährigen Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Robert Michael
Universität München
 

„Insgesamt ist keine herausstechende Übersterblichkeit zu beobachten“

Die Regierung begründete ihre harten Corona-Einschränkungen vor allem mit der weiterhin nicht sinkenden Zahl der Neuinfektionen. Doch dieser Wert ist ungenau. Aussagekräftiger ist laut Forschern der Ludwig-Maximilians-Universität die Übersterblichkeit – und die gibt es aktuell nicht. Für die Regierungsmaßnahmen finden sie keine lobenden Worte.
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Werden wir mit diesem „Lockdown“ die Corona-Krise in den Griff bekommen? Die Kassenärztliche Bundesvereinigung glaubt nicht. Deren Chef Andreas Gassen sagte am Donnerstag dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, er gehe nicht davon aus, „daß wir bis zum 10. Januar eine relevante Absenkung der Infektionsraten und schon gar nicht der Todesfälle erreichen werden“. Auch eine Verlängerung der Maßnahmen würde daran nichts ändern. Gassens Fazit: „Ein Lockdown, egal wie hart, ist keine geeignete langfristige Strategie in der Pandemiebekämpfung.“

Die seit gestrigem Mittwoch geltenden massiven Einschränkungen waren von Bund und Ländern vor allem damit begründet worden, daß die Zahl der Neuinfektionen nicht sinke und dadurch eine Überlastung des Gesundheitssystems drohe. Anderthalb Monate vorher war von denselben Regierungspolitikern der „Teil-Lockdown“ beschlossen und Anfang Dezember verlängert worden.

Geholfen hat es wenig bis nichts. Und daß die Politik mit ihren tief ins private und bürgerliche Leben einschneidenden Maßnahmen versagt, behaupten nicht nur „Corona-Leugner“, Staatsskeptiker oder Ärzte, die aus dem regierungskonformen Marschzug ausscheren, sondern auch Wissenschaftler.

Forscher der Ludwig-Maximilians-Universität München veröffentlichten vor wenigen Tagen eine Analyse zur Übersterblichkeit und den Fallzahlen bei Hochbetagten. Darin stellen die Studienautoren vom Institut für Statistik gleich zu Beginn fest, daß die Entwicklung der gemeldeten Fallzahlen von positiv-getesteten Covid-19-Infektionen „wenig Aussagekraft“ besäßen. Zu unterschiedlich seien die länderspezifischen Teststrategien hinsichtlich der Anzahl und der fokussierten Zielgruppe.

Untersterblichkeit bei 35- bis 59jährigen

Die Todeszahlen seien dagegen „etwas robuster“, schreiben die Statistiker. Und genau hier liefern die Forscher Ergebnisse, die die Gefährlichkeit der Corona-Pandemie für die Gesamtbevölkerung und die Maßnahmen der Bundesregierung und der Länderchefs in Frage stellen. Denn der Studie zufolge sei bei den 35- bis 59jährigen aktuell sogar eine Untersterblichkeit festzustellen.

Auch bei den 60- bis 79jährigen gibt es laut den Statistikern keine Übersterblichkeit. Lediglich bei den über 80jährigen sei eine „leicht erhöhte Sterblichkeit“ im Frühjahr und im Frühsommer zu verzeichnen. „Insgesamt ist somit in der zweiten Welle der Pandemie bisher keine herausstechende Übersterblichkeit zu beobachten.“

Visualisiert man die Sterbestatistiken der vergangenen fünf Jahre und legt diese übereinander, ergibt sich das Muster, wonach die Linie der wöchentlichen Sterbefallzahlen von einem höheren Niveau im Winter zum Frühjahr hin sinken. Zwischen Kalenderwoche 20 und 30 verlaufen sie flach, ehe sie anschließend vor allem ab Kalenderwoche 40 wieder steigen. Auch die Corona-Pandemie änderte daran nichts.

Todesfälle pro Woche pro 100.000 Menschen der 35– 59jährigen
Todesfälle pro Woche pro 100.000 Menschen der 35– 59jährigen Grafik: Ludwig-Maximilians-Universität, Institut für Statistik

Hinsichtlich der Zahl der Neuinfektionen bescheinigen die Autoren den Regierungen zwar, daß der Wert seit Beginn der Einschränkungen im Herbst sinken – allerdings vor allem bei den jüngeren Altersgruppen. „Es zeigt sich deutlich, daß die ergriffenen Maßnahmen (ab Kalenderwoche 45) zur Infektionseindämmung für die hoch vulnerable Bevölkerungsgruppe nicht oder zumindest nicht hinreichend zielführend sind.“ Besonders steil sei der Anstieg bei den über 90jährigen.

Todesfälle pro Woche pro 100.000 Menschen der 60- 79jährigen
Todesfälle pro Woche pro 100.000 Menschen der 60- 79jährigen Grafik: Ludwig-Maximilians-Universität, Institut für Statistik

Pflegeeinrichtungen wurden zu Todesfallen

Bereits während der ersten Corona-Welle im Frühjahr kristallisierte sich heraus, daß sich Pflegeeinrichtungen zu Todesfallen verwandeln können – in Berlin steckte sich jeder zweite Corona-Tote in einem Pflegeheim an – und daß es einen deutlichen Unterschied hinsichtlich der Gefährlichkeit des Virus bei verschiedenen Altersgruppen und bei Personen mit und ohne Vorerkrankungen gibt. In der Schweiz liegt das Median-Durchschnittsalter der Corona-Toten mit 86 Jahren sogar höher als das durchschnittliche Sterbealter (knapp unter 84 Jahre) der Gesamtbevölkerung.

Genau hier hätten Regierungen und Behörden den Sommer über Zeit gehabt, Konzepte und Maßnahmen zu erarbeiten, um fokussierten Schutz für jene zu gewährleisten, für die Corona ein lebensbedrohliches Risiko darstellt. Statt dessen entschieden sich die politisch Verantwortlichen für pauschale Einschränkungen, die beispielsweise dazu geführt haben, daß Restaurants seit Anfang November geschlossen bleiben müssen, obwohl es dort laut dem Robert-Koch-Institut das gesamte Jahr über keine hohen Ansteckungsraten gab – ganz im Gegensatz zu Alten- und Pflegeheimen.

Nachverfolgbare Corona-Infektionen
Nachverfolgbare Corona-Infektionen Grafik: Robert-Koch-Institut

Richtet es der harte „Lockdown“ nun also? Auch hier sind die Forscher der Ludwigs-Maximilian-Universität skeptisch. Die Anfang November in Kraft getretenen Maßnahmen hätten zu keiner Reduktion der Neuinfektionen geführt. Vielmehr stabilisierte sich diese Zahl schon in der dritten Oktoberwoche, nachdem es in den letzten Septemberwochen ein exponentielles Wachstum gegeben habe. Problematisch sei, „daß die Eindämmung der Entwicklung steigender Fallzahlen in der besonders vulnerablen Gruppe der Ältesten nicht ausreichend gelungen ist“.

Das heißt: Die politisch verordneten Einschränkungen hatten weniger Einfluß auf die Zahl der Neuinfektionen, als dies manche Politiker gehofft hatten. Die Folgen mußten einerseits ältere Menschen in Pflegeeinrichtungen und deren Angehörige tragen; andererseits die jüngeren Bevölkerungsgruppen, die nun wieder in ihrer Freiheit eingeschränkt wurden. Und ob der aktuelle „Lockdown“ am 10. Januar wirklich endet, kann derzeit auch niemand mit Gewißheit sagen.

Corona-Station in einem Krankenhaus: Keine Übersterblichkeit bei 60-79jährigen Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Robert Michael
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