Vor knapp 70 Jahren erschütterte der „Fall John“ die junge Bundesrepublik. An den Vorgängen um den damaligen Verfassungsschutzpräsidenten zeigen sich die psychischen und moralischen Widersprüche und Traumata eines besiegten Landes. Von Thorsten Hinz.
IHR DIGITALER ZUGANG.
Einfach registrieren undweiterlesen.
Alle Artikel auf JF online frei
Die JF schon jeden Mittwoch als E-Paper und via App
„Diels unterstellte als Ursache für die Verfolgung vieler Menschen im NS-Staat „Ehrgeiz, Disziplinfeindlichkeit oder strafbare Handlungen“, und schlussfolgerte für seine Zeit: „Aus letzteren rekrutierte sich das Heer der Widerstandsneurotiker, die ihrer politischen Rentenpsychose nachgingen und die Posten der Denazifikatoren besetzten.“ (Diels 1954, S. 20) Seine Schmähschrift veröffentlichte Diels in der Göttinger Verlagsanstalt, die dem rechtsextremen Verleger und Politiker Leonard Schlüter gehörte.“
Die Schilderung von Rudolf Diels als einem aufrechten, gradlinigen preußischen Beamten, die uns Thorsten Hinz hier aufbinden will, ist also ganz offenkundig frei erfunden.
Der Mann war äußerlich ein Opportunist und innerlich nach 1945 ein Kellernazi.
Traurig (aber auch bezeichnend), dass die Amihasser glauben, mit solchen „Zeugen“ Staat machen zu können.
Anmerkung von Thorsten Hinz:
Sehen Sie, Canabbaia, Ihre Suada atmet genau jenen Geist, den wir
überwinden müssen, um zu einer realistischen Einschätzung unserer Lage
zu kommen. Wikipedia-Einträge zu diesem Themen sind grundsätzlich
tendenziös, und die Arbeiten von Zeitgeschichtlern, die
Geschichtsschreibung als „Vergangenheitsbewältigung“ verstehen, können
gleichfalls keine Referenzen für uns darstellen. Das ist „alte
Bundesrepublik“. Im übrigen ist auch Frau Kühsel-Hussaini in Archive
gegangen. Sie hat sich in ihrem Roman „57“ mit dem von Ihnen erwähnten
Buch von Klaus Wallbaum ausführlich auseinandergesetzt und kein gutes
Haar an ihm gelassen. Dazu wird demnächst in der JF was erscheinen. Auf
Diels stieß ich bereits or über 20 Jahren, als ich in Archiven in Berlin
und Stettin einer NS-Opfergeschichte in meiner Familie nachforschte. Daß
das Verbrechen nicht gänzlich ungesühnt blieb, war auch Diels zu
verdanken. Die Dinge sind eben viel komplizierter, als Sie offenbar glauben.
2) Wikipedia-Einträge enthalten Fakten und Wertungen. Die Wertung, dass „Diels 1954 ein WÜSTES PAMPHLET gegen Otto John“ geschrieben habe, übernehme ich nicht, weil ich keinerlei Kenntnis vom Inhalt habe.
Dass Diels Opportunist gewesen sei, ist keine Behauptung des Wikipedia-Autors. Der referiert insoweit lediglich Meinungen „anderer“ und deren Begründungen. Die überzeugen mich, denn tatsächlich schwamm Diels immer obenauf.
3) Auch ich halte denkbar wenig davon, dass jede Dienststelle (und jedes Unternehmen) heute noch immer „Vergangenheitsbewältigung“ betreiben. Die in dem Buch über Zirpins dem R. Diels zugeschriebenen Zitate dürften jedoch zutreffen.
Letztlich ist das aber auch egal. Selbstverständlich war D. DAMALS nicht souverän. Heute ist es genauso viel oder wenig souverän, wie eine „Mittelmacht“ eben sein kann.
2008 waren wir (zus. m. Frankr.) souverän (aber leider auch dumm) genug, die Ukraine gg. den Willen d. USA nicht in die NATO aufzunehmen.
Aus dem Buch „Walter Zirpins – Ohne Reue. Der schwarze Fleck des LKA [Niedersachsen]“ von 2021 (S. 240):
„Über Otto John, Rückkehrer aus dem Exil in England und Leiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz, der am 20. Juli 1954 entführt oder freiwillig nach Ostdeutschland verschwand, urteilte Rudolf Diels in seiner Schmähschrift „Der Fall Otto John“: „Er war schlicht ein Verräter.“ (Diels 1954,S. 20) Diels‘ Einstellungen über Opfer, Entschädigungen und Anerkennung von Unrecht, die er mit vielen anderen teilte bis hin zu den Sachbearbeitern für die Zuerkennung der finanziellen Zuwendungen, kommen auch im Folgenden zum Ausdruck: „Hierher gehören die kommunistischen Parteimitglieder, die dafür, daß Hitler ihren Bürgerkriegsplänen zuvorkam, nach 1945 mit ungeheuerlichen Geldsummen entschädigt wurden. Hierher gehören auch die ganzen Heerzüge schwarzer Zigeuner, die mit Hekatomben Geldes überschüttet wurden, was dann dem deutschen Landser und dem verjagten Ostdeutschen so recht die Art der neuen Gerechtigkeit vor Augen führte.“ (Diels 1954, S. 19).“
– Folgt Forts. Teil 2 –
Wikipedia-Eintrag über Diels:
„Andere bezeichnen Diels als Opportunist, der sich den jeweiligen Gegebenheiten anpasste, wenn es der Karriere förderlich war. So stand Diels während der Weimarer Republik liberalen Kreisen nahe und verkehrte im Berliner Demokratischen Club, dessen Präsident der jüdische Vize-Polizeipräsident Bernhard Weiß war. Bereits vor der Machtergreifung hatte sich Diels mit Göring gutgestellt, dessen Schutz er bis zum Kriegsende genoss. Während seiner Amtszeit als Gestapa-Chef arbeitete Diels an gesetzlichen Regelungen zur Schutzhaft und zur Judenverfolgung mit, auch am Aufbau des Konzentrationslagers Sonnenburg war er beteiligt. Nach dem Fall des Dritten Reiches stand Diels bereits ab 1948/49 in den Diensten der alliierten Besatzungsverwaltung.“
Tja, echt anpassungsfähig, der Mann! Toller Zeuge, so einer!
(Vgl. auch meinen weiteren Kommentar.)
Ich kann nicht sagen, dass ich die Darstellung von Herrn Hinz in allen Details nachvollziehen kann. Was ich aber verstehe ist zweierlei: Erstens: Die Alliierten/Briten haben eine Betreung und Überwachung der „unmündigen“ deutschen Bevölkerung noch lange Jahre nach Kriegsende für nötig gehalten. Zweitens: Auf gar keinen Fall sollte sich in der Nachkriegszeit jemand als deutsch empfinden. Bitte kein Nationalgefühl, nur Verfassungstreue! Aber ich denke, das ist inzwischen überholt. Die Generation meiner deutschen Mutter, die der Gestapo nach London entkam und Deutschland nur noch mit Horror betrachtete, lebt schon länger nicht mehr. Es ist Zeit, dieses bevormundende Bundesamt für Verfassungsschutz abzuschaffen. Es ist Zeit, dass Deutschland selbstbewusst wird und sich z. B. wehrt gegen die Überflutung mit primitiven afrikanischen und arabischen jungen Männern. Und sich nicht mehr von der EU ausbeuten lässt.
Nur die deutsche Nation verfügt über ein beachtliches, Jahrhunderte altes Reservoir von solchen geborenen Kollaboranten.
Das denke ich nicht, das waren nicht mehr aber auch nicht weniger wie in anderen Ländern. Die Sowjets haben den ganzen Ostblock mit Hilfe dieser Gruppierungen beherrscht. In Polen klafft die Lücke zwischen Mitläufern und Gegnern bis heute auf und sie klafft zunehmend weiter auf.
In Ungarn waren es wohl noch sehr wenige, oberflächliche Mitläufer – bis heute der kleinste Anteil in der Bevölkerung. In der damaligen Tschechoslowakei kamen die Kommunisten durch die Vertreibung der Sudetendeutschen aus eigener Kraft an die Macht – vielleicht das größte Resservoir im damaligen Ostblock.
Ihren letzten Satz sollte man fett drucken, so entscheidend ist er.
Schöner Bericht.
Nun, Herr John war wohl nur ein Menetekel für den neu gegründeten Verfassungsschutz.
Hier noch einmal die Liste seiner illustren Nachfolger mit ihren kriminellen Spezifikationen:
Otto John ( Hochverrat),
• Günther Nollau (Ausspähung Kanzler),
• Richard Meier (fahrlässige Tötung),
• Herbert Hellenbroich (Landesverrat),
• Ludwig Holger Pfahls (Steuerbetrug, weltweite Fahndung),
• Eckardt Wertebach (Geheimnisverrat)
und
• Heinz Fromm (Vernichtung brisanter Akten)
Zugearbeitet wurde ihnen von hochrangigen Kriminellen wie
den Regierungsdirektoren Hans Joachim Tiedtge und Heinz Felfe
( beide Hochverrat)
Typen wie diese bedien(t)en sich solcher Gestalten wie dem
Schwerverbrecher Thomas Richter, der im NSU-Prozess als BfV-V-Mann Corelli entlarvt wurde u.a.
Auch Herr Haldenwang paßt irgendwie ins Bild; und die Regierung wird ihren willigen,
verfassungsfeindlichen Büttel nicht abberufen…
Gut, Unfälle hat es bei der Berufung in die Amtsleitung auch
gegeben, man denke nur an Hans Georg Maaßen.
Ansonsten kommt einem dieses Amt wie eine kriminelle Vereinigung vor.
Auch meinerseits vielen Dank für den aufschlußreichen Artikel!
Soviel zum Märchen, den Alliierten sei es um „die Befreiung der Deutschen vom Nationalsozialismus“ gegangen, als sie noch 1945 einen am Wegensarnd liegenden deutschen Bauernhof in Brand schossen, die dichtbesiedelten Innen- und historischen Altstädte reihenweise in Schutt und Asche legten oder die Ethnische Säuberung Ostpreußens, Danzigs, Pommerns, Tschechiens und Schlesiens beschlossen.
Welcher anderen europäischen Nation wäre je so fundamental ihr Existenzrecht abgesprochen worden?
Selbst Frankreich wurde nach Napoleon nicht nur die nationale Souveränität gelassen, sondern sogar noch der Großmachtsstatus.
Die Forderung nach „Bedingungsloser Kapitulation“ und das unfaßbar blauäugige Bündnis des Westens mit Stalin rechtfertigt zwar keine NS-Verbrechen, erklärt aber ein Stück weit durchaus die fortschreitende Radikalisierung des Regimes, je unverrückbarer die Alliierten an ihrer Forderung nach der totalen Vernichtung Mitteleuropas festhielten.
Lesenswerter Artikel. Danke dafür.
Ein beachtlicher und substantieller Report zu den Wurzeln des Verfassungsschutzes als britische Schöpfung mit deutschen Adlaten. Ragt aus der alltäglichen faden Informationsmelange heraus. Danke dafür.
„Eine besondere Gefahr sah er in der Politisierung der Beamtenschaft im Parteienstaat. Ernennungen und Beförderungen erfolgten dort „nach dem Prinzip des schwächsten moralischen Widerstands“, was bedeutet, daß Opportunisten die größten Aufstiegschancen haben. Was wiederum dazu führt, daß das Verantwortungsgefühl und die Loyalität des parteipolitisch konditionierten Beamten sich vom Staat und vom Bürger ab und den politischen Entscheidern, der „jeweils herrschende(n) Gruppe“ zuwendet, die „eine parteiische und keine sachliche Entscheidung erwartet“.“
Genau DAS ist das alte „Phänomen“ das 68 wieder NEU startete und den Namen trägt „der Marsch durch die Institutionen“. Ein inzwischen weitgehend vergessener „strategischer Begriff“ (ein Troyanisches Pferd) dessen höchst bedauerlichen Folgen wir noch reichlich werden „genießen“ werden. Selbst wenn die jetzige Regierung bald passee sein sollte. –
Beamte sind per definitionem Funktionäre.
Gewiß haben sie Ermessensspielräume, aber sie sind grundsätzlich dazu da, die Entscheidungen der Regierung zu exekutieren. Nicht dazu, „auf eigene Faust“ Politik zu machen. Sie sind weisungsgebunden. Werkzeuge der Regierung. Wenn sie ihres Amtes walten, sind sie nicht charakterlos, sondern entsprechen schlicht ihrem Anforderungsprofil.
Deswegen ist die Politisierung vom Beamten so problematisch. Insbesondere dann, wenn der Staat Institutionen schafft, die über die Kernaufgaben eines funktionierenden Staatswesens weit hinausgehen, sondern stattdessen dem Machterhalt der regierenden Parteien dienen.
Dieser „Marsch durch die Institutionen“ ist in Deutschland schon längst abgeschlossen.
Deshalb währe auch ein völlständiger Politikwechsel in Deutschland völlig aussichtslos.
Er scheitert einfach an Verwaltung und Justiz.
Was meinen Sie wie schnell sich Menschen anpassen, wenn von oben ein anderer Wind weht? Das geht so ruckzuck, dass Sie es kaum glauben. Plötzlich sind alle weg, die gestern noch begeistert mitgemacht haben.
Beim Marsch durch die Institutionen sind die meisten Marschierer doch schon längst in die Rente hineinmarschiert. Die da heute sitzen, sind deren Nachfolger, die man versucht, mit allerlei zeitgeistigem Unsinn bei Laune zu halten und zu steuern.
Die wenigen Übereifrigen, die es immer gibt, isolieren sich ganz von alleine.
Dieser Beitrag ist älter als 2 Tage, die Kommentarfunktion wurde automatisch geschlossen.