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Moslemische Herausforderung eines Staatsprinzips

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Moslemische Herausforderung eines Staatsprinzips

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Warum ist ‚Volk‘ ein Unwert? Und warum wird der Gebrauch des Wortes tabuisiert? Demokratie bedeutet die Bindung der Politik und des politischen Ordnungsrahmens an das Volk. Demokratie impliziert eine Wertegemeinschaft, eine kulturelle Übereinstimmung. Das aber gilt als Unwert für den Gegenbegriff der multikulturellen Gesellschaft. Das (…) bedeutet einen völligen Werterelativismus. (…) Je fremder die Kultur der Zuwanderer, um so erwünschter, wenn durch deren Sitten der christliche Wertekanon als nur einer unter vielen Werten verblassen soll. Wird umgekehrt gefordert, daß etwa in Nigeria die Muslime unterlassen sollen, den Christen ihre Scharia aufzuzwingen, so gilt das als kultureller Imperialismus. Multikulturalismus bedeutet mithin, die Situation von Wertkonflikten im Alltag herbeizuwünschen.“ Abkapselung der Minderheit fordert Laizismus heraus Dem Soziologen Erwin K. Scheuch, dessen Antwort auf die Zuerkennung des Baltasar-Gracián-Preises 2001 das vorangestellte Zitat entnommen ist, war natürlich bewußt, daß sein Festhalten an der nationalstaatlich fundierten „Volks“-souveränität ihn in den Augen einer liberalen deutschen Öffentlichkeit im günstigsten Falle als radikalen Konservativen erscheinen lassen mußte. Auch in Frankreich wären Scheuchs Ausführungen nicht allenthalben auf Beifall gestoßen; vielmehr setzt sich, wer den „christlichen Wertekanon“ für allgemein­gesellschaftlich verbindlich erklärt, in einem laizistischen Gemeinwesen naturgemäß einem massiven Rechtfertigungsdruck aus. Die Skepsis gegenüber dem Ordnungsmodell der „multikulturellen Gesellschaft“ hingegen fände jedenfalls im „souveränistischen“ Lager der Französischen Republik in gleichem Maße Zuspruch wie das Postulat einer Rückbindung der demokratischen Organisation an die Nation als eine historisch gewachsene, keinesfalls allein auf verfassungspatriotische Überzeugungen aller Bürger gestützte politische Gemeinschaft. In diesem Sinne diagnostizierte im Juni 2000 der Linksrepublikaner Jean-Pierre Chevènement (damals Innenminister der Linksregierung Lionel Jospin) in einem Streitgespräch mit Bundesaußenminister Joschka Fischer eine Neigung des gegenwärtigen Deutschland, „die Idee der Nation zu diabolisieren“, und setzte einer solchen Haltung entgegen, daß „die Nation ein unentbehrlicher Rahmen der demokratischen Auseinandersetzung ist“. Allerdings beruft sich Chevènement, wenn er den Konzepten des Multikulturalismus sowie eines Föderalismus auf EU-Ebene die republikanische Nation entgegenstellt, auf einen „universalistischen“ Begriff der Staatsbürgergemeinschaft. Diese wird als eine von ethnischen Bindungen weitest­­gehend emanzipierte Assoziation gleich freier Individuen verstanden. In dieser Perspektive gilt die multikulturelle Gesellschaft als Ausdruck eines historischen Rückfalls Frankreichs in einen Zustand ethno-kultureller und politischer Zersplitterung. Im Dezember 2003 brandmarkte Präsident Jacques Chirac „kommu­ni­­tari­stische“ Bestrebungen einer ethno-religiösen Vergemein­schaftung außerhalb des Rahmens der laizistischen Republik als der Geschichte und den humanistischen Traditionen Frank­reichs zuwiderlaufend. Die Herausforderung des französischen Laizismus durch eine solche Abkapselung muslimischer Einwanderergesellschaften von der laizistisch-republikanischen Mehrheitsgesellschaft ist geeignet, sich die zentrale Rolle der „laicité“ im politischen Selbstverständnis Frankreichs vor Augen zu führen. Immerhin kann die in Frankreich weitgehend verwirklichte strikte Trennung von Staat und Kirche in zumindest ver­gleichbarer Weise als „idealtypisch“ gelten wie etwa der unitaristische Staats-aufbau Frankreichs; gleichwohl sind sowohl die Laizität als auch der Verwal-tungs­zentralismus Ausdruck einer spezifischen Form der National­staatsbildung, die nicht zuletzt dadurch geprägt ist, daß ständische Privilegien bereits im Verlaufe der Ersten Französischen Revolution kompromißlos aufgehoben wurden. Dies betraf nicht zuletzt auch die Vorrechte des katholischen Klerus, die dieser im Ancien Régime als „Erster Stand“ genossen hatte. Verwirklicht fand sich die Laizität in ihrer „klassischen“ Form allerdings erst im Trennungsgesetz von 1905. Während Artikel 1 des Trennungsgesetzes die Religions- und Gewissensfreiheit deklarierte, wurde in Artikel 2 die Verpflichtung des Staates verankert, sich jeglicher Benachteiligung oder Be­vor­zugung irgendeiner Religions­gemeinschaft zu enthalten. Islam „à la francaise“ von der Regierung protegieren Die Laizität, durch Artikel 1 der Verfassung von 1958 in den Rang eines Verfassungsprinzips erhoben, sieht sich allerdings zusehends in Frage gestellt durch Bestrebungen einer Integration muslimi­scher Immi­gran­ten nach den Maßgaben des Multi­kulturalismus. Sogar in der seit 2002 durch die „bürgerliche Rechte“ verantworteten Regierungspolitik einer ausdrücklichen „Anerkennung“ der Existenz einer – in sich keinesfalls homo­genen – islamischen Gemeinschaft in französischem Staatsgebiet zeigen sich Ansätze eines multi­kul­turalistischen Pluralitäts­verständnisses. So verweist der UMP-Chef und frühere Innen­minister Nicolas Sarkozy in seinem Buch „La République, les religions, l’espérance“ (2004) auf eine gesellschaftlich-politi­sche Benachteiligung des Islam in Frankreich. Dessen etwa fünf Millionen Gläubige rekrutierten sich pri­mä­r aus Einwanderer­gesellschaften, deren Elite­bil­dung noch nicht ab­ge­schlossen sei. Wenn Sarkozy daraus folgert, daß der laizistischen Republik die Pflicht obliege, einen Islam „à la francaise“ regierungspolitisch zu protegieren, so steht diese Maxime in einem diametralen Gegensatz zu dem Laizismus „klassischer“ Prägung, der seinen historischen Ur­sprung in dem Postulat einer Ausschaltung religiöser Bekundungen aus dem politi­schen Leben der Republik hat. Gebet zum Ende des Ramadan in Paris: Glaube oder Frankreich

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