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Konrad Zuse: Am Anfang stand die Faulheit

Konrad Zuse: Am Anfang stand die Faulheit

Konrad Zuse: Am Anfang stand die Faulheit

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Konrad Zuse
 

Am Anfang stand die Faulheit

Fragte man heute, wer als erster einen funktionsfähigen Computer erfunden hätte, käme kaum einer auf Konrad Zuse. Vor hundert Jahren, am 22. Juni 1910, wurde der Technik-Pionier in Berlin geboren.
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Briefmarke zum 100. Geburtstag von Konrad Zuse Foto: Wikimedia/Deutsche Post

Der Statiker bei den Henschel-Flugzeugwerken in Berlin-Schönefeld hatte keine Lust auf die endlosen, stupiden Berechnungen, zumal er die Matheprüfung an der Uni nur mit Glück bestanden hatte. Deshalb setzte sich Konrad Zuse in der Berliner Wohnung seiner Eltern hin und konstruierte aus Blechen, Sperrmüll und anderen Rohstoffen einen Rechenautomaten. Was damals keiner ahnte: Damit wurde der Beginn der digitalen Revolution markiert.

Würde heute eine Umfrage gestartet, wer als erster einen funktionsfähigen Computer erfunden hätte, die meisten würden meinen: Bill Gates. Kaum einer käme auf den Namen Konrad Zuse, diesen leidenschaftlichen Tüftler, der ein wahres Achterbahnleben voller Höhen und Tiefen führte und zu den großen Erfindern gehört. Vor hundert Jahren, am 22. Juni 1910, wurde der Computer-Pionier in Berlin geboren.

Der Sohn eines Oberpostmeisters war in seiner Kindheit eher ein Träumer. Die Seiten seines Lateinbuchs malte er mit Lokomotiven der Reichsbahn und Berliner Stadtbahn voll (wofür ihn sein Lateinlehrer tadelte, der Zeichenlehrer aber lobte); in seiner Freizeit verbrachte er meistens mit seinem Stabil-Baukasten. Mit 16 stand sein Berufswunsch fest: Ingenieur.

Durchbruch mitten im Zweiten Weltkrieg

Er begann das Studium an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg und beschäftigte sich nebenher mit Erfindungen. So bastelte er an einem Selbstauslöser für Kameras und konstruierte eine automatische Geld­rückgabe für Warenautomaten. Sein großer Traum aber war eine Mondrakete, die ein Tausendstel der Lichtgeschwindigkeit erreichen sollte.

Realität dagegen wurde 1938 ein Rechenautomat – die Z 1. Sie war eine vier Quadratmeter große Maschine, die im Wohnzimmer der Eltern zwischen den Jugendstil-Möbeln stand. Die Maschine hatte Handkurbelbetrieb und funktionierte nicht richtig. So tüftelte Zuse weiter. 1939 wurde dann die Z 2 fertig, und er konnte sie Gästen vorführen. Jetzt interessierte sich die Deutsche Versuchsanstalt für Luftfahrt für Zuses Rechenautomaten. Er konnte erreichen, daß das Nachfolgemodell, die Z3, teilweise von der Versuchsanstalt finanziert wurde.

Sie war der Durchbruch – mitten im Zweiten Weltkrieg. Am 12. Mai 1941 war der Rechner startbereit. Er besaß eine elektromagnetische Relaistechnik und hatte eine Speicherkapazität von 64 Wörtern. Er wurde mit einem Lochstreifen gesteuert und konnte in drei Sekunden multiplizieren, dividieren oder Quadratwurzeln ziehen.

Berechnung des Flügelflatterns bei Flugzeugen

Der Rechner hatte alle Bausteine moderner, heutiger Computer: Speicher, Rechenwerk, Steuerwerk, Ein- und Ausgabeeinheit. Zuse: „Es war das erste Gerät, das wirklich voll funktionsfähig war und alle wichtigen Elemente einer programmgesteuerten Rechenmaschine für wissenschaftliche Zwecke enthielt.“

Der Erfinder, der als Statiker für die Henschel-Flugzeugwerke zu wichtig war und daher nicht zur Wehrmacht mußte, benutzte die Z 3 zur Berechnung des Flügelflatterns bei Flugzeugen, das bei kritischen Geschwindigkeiten eintritt.

Die US-amerikanische Konkurrenz war zu dieser Zeit noch längst nicht so weit. Funktionsfähige Maschinen konnte sie erst nach Zuse herstellen. So Howard Aiken 1944 mit seinem Relaisrechner MARK I sowie John W. Mauchly und J. Presper Eckert 1945 mit ihrer Röhrenmaschine ENIAC.

Hitlers Rüstungsexperten dauerte es zu lange

Doch die Rüstungsexperten des Dritten Reichs interessierten sich nicht sonderlich für Zuses Forschungsarbeit. In einem Interview sagte er später: „Wir hatten zum Beispiel die Idee, zur Flugabwehr einen elektronischen Computer einzusetzen, und das wäre auch möglich gewesen. Die Steuerung von Flak hätten wir mit den elektronischen Geräten natürlich besser machen können. Nur, man fragte uns, wie lange braucht ihr dafür, und wir haben gesagt: zwei Jahre, das war sehr kurz für eine elektronische Entwicklung. Da sagten die: Was glauben Sie, wann wir den Krieg gewonnen haben? Die Einstellung war eben so, alles, was länger als ein Jahr Entwicklung braucht, wird nicht gemacht.“ >>

Die Z3 wurde 1944 im Bombenkrieg zerstört. Eine dieser Bombennächte sollte Zuse in besonderer Erinnerung bleiben. Ein Bekannter besuchte ihn. Zusammen  gingen sie durch das brennende Berlin, vorbei an rauchenden Trümmern, explodierenden Zeitbomben und dann berichtet der Unbekannte Erstaunliches: Es sei nun soweit. Man könne die gewaltigen Energien in den Atomkernen beherrschen und freisetzen. Es komme die große Bombe, und es bestehe die Gefahr, daß durch einen falschen Versuch der gesamte Erdball explodiere. Zuse spekulierte in diesem Moment sogar, daß die V2, Hitlers Wunderrakete, mit Nuklearsprengstoff ausgerüstet würde.

1944 wurden bei einem Bombenangriff Zuses Haus und Werkstatt weitgehend zerstört. Ein Großteil seiner Arbeit und viele schriftliche Unterlagen gingen verloren.

Seit 1942 baute er an der Z4, Ende 1944 waren die Schaltungen des Geräts praktisch ausgearbeitet. Der Rechenautomat wurde in den letzten Kriegswochen nach Göttingen gebracht, sollte von dort in den unterirdischen Fabriken von Nordhausen versteckt werden. Doch Zuse weigerte sich. Er hatte mittlerweile Kontakte zu Werner von Braun und General Walter Dornberger aufgenommen. Letzterer besorgte ihm einen Lkw und 1.000 Liter Diesel. So konnte er das Gerät aufladen und in einer Nacht-und-Nebelaktion ging es ab nach Süden in das Allgäu auf einen Bauernhof.

„Mach kein’ Blödsinn“, ermahnte er den Herrgott   

Die Kriegswirren und die abenteuerliche Flucht konnten Zuse ebensowenig stoppen wie das Chaos der Kapitulation. 1946 entstand sein Ingenieurbüro. 1949 gründete er in Osthessen die Zuse KG – und baute Computer. Die Z4 wurde fertiggestellt und an der ETH Zürich, noch heute eine der renommiertesten Universitäten des Kontinents, installiert. Zu jener Zeit war das der einzige funktionierende Computer in Europa und der erste kommerzielle Computer weltweit.

Die nunmehr entwickelten und in Serie gebauten Geräte (darunter die Zeichenmaschine „Graphomat“) gelangten im In- und Ausland zum Einsatz. 1964, in seiner Blütezeit, zählte das Unternehmen mehr als tausend Mitarbeiter. Doch die ständigen Entwicklungskosten waren zu hoch. Zuse brauchte finanzstarke Partner.

1966 wurde seine Firma von der Siemens AG übernommen. Zuse war in finanzielle Schwierigkeiten gekommen und hatte sich überfordert. In seiner Autobiographie „Der Computer – Mein Lebenswerk“ schreibt er: „Es war die zeitraubende Beschäftigung mit Gesellschafts-, Beteiligungs-, Lizenz-, Kredit-, Miet-, Bau-, Kauf-, Liefer-, Arbeits- und Pensionierungsverträgen, mit Lohnverhandlungen, Betriebsumstellungen, Urlaubsregelungen, Kundenbetreuung, Auftragsbeschaffung, die zuviel Kraft und Zeit absorbierten“, schrieb rückblickend: „Damit man mich nicht mißversteht: ich war, als ich es sein mußte, trotz allem gerne Unternehmer und habe vor diesem Berufsstand immer größte Hochachtung gehabt.“

Ziemlich komplizierte Theorie

Er zog sich dann ins Privatleben zurück und begriff das neue Leben als Chance: Er vertiefte sich wieder in wissenschaftliche Probleme, schrieb Bücher und widmete sich seiner zweiten großen Leidenschaft: der Malerei. Ehrungen wurden ihm zuteil: acht Ehrendoktortitel und zwei Ehrenprofessuren. Mehrere Medaillen und das Große Verdienstkreuz. Sein wissenschaftliches Erbe sollte die Konrad-Zuse-Gesellschaft verwalten.

Er arbeitete wissenschaftlich und entwickelte sogar die kosmologische Theorie: „Rechnender Raum“. Danach ist das gesamte Universum ein gigantischer zellulärer Automat. Es war eine ziemlich komplizierte Theorie, die von den Physikern nahezu einhellig abgelehnt wurde.

Noch als Achtzigjähriger baute er seinen ersten Computer, die Z 1, aus dem Gedächtnis nach. Im Dezember 1995 brach er zusammen. Er ermahnte noch  den Herrgott: „Mach kein’ Blödsinn.“  Doch er erhörte ihn nicht. Am 18. Dezember 1995 hörte das Herz des rastlosen Erfinders auf zu schlagen.

JF 26/10

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