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Auf dem Weg zur Unsichtbarkeit

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Es sind die alten Träume aus Märchen und Sagen, die unsere Phantasie beflügeln. Siegfried hatte im Nibelungenlied eine, der griechische Held Perseus und natürlich Harry Potter: Tarnkappen, Tarnhäute oder Tarnmäntel, die ihre Träger unsichtbar machen. Doch was vor einigen Jahren noch unvorstellbar erschien, machen Wissenschaftler in den Labors jetzt langsam, Schritt für Schritt möglich: mit diesen zauberhaften Materialien Gegenstände einfach verschwinden zu lassen. Zwar lassen sich Flugzeuge oder Schiffe schon lange in gewisser Weise unsichtbar machen – aber nur für Radarwellen. Erreicht wird der Effekt durch spezielle Lacke oder Formen. Die Objekte sind dann tatsächlich auf dem Radarschirm unsichtbar – nicht aber für das menschliche Auge.

Wie muß man sich das vorstellen? Normalerweise bewegt sich Licht in der Natur geradeaus. Aber Einstein zeigte, daß Lichtstrahlen durch die Gravitation eines Gestirns gekrümmt werden können. Die Idee der Physiker: Damit ein Objekt unsichtbar wird, muß das Licht sozusagen um das Objekt herumgeführt werden, so wie Wasser einen glatten Stein umfließt. Dazu ist ein spezielles Material nötig, die sogenannten Metamaterialien. Diese künstlichen Stoffe sind zu einem heißen physikalischen Forschungsgebiet geworden.

Was ist ihr Geheimnis? Wir kennen den Effekt schon als Kinder: Hält man einen Stock in einen Teich, sieht er aus, als wäre er unter Wasser abgeknickt. Grund: Die Lichtstrahlen, die auf das Wasser treffen, setzen ihren Weg fort – unter einem veränderten Winkel. So etwas ähnliches leisten die intelligenten Metamaterialien. Sie enthalten eine große Zahl eigentümlich geformter Metallteile, die eine ähnliche Rolle spielen wie die Atome und Moleküle in einem homogenen Material. Sie sind für die elektrischen und optischen Eigenschaften eines Stoffes verantwortlich. Doch anders als Atome und Moleküle kann man die Metallobjekte von Metamaterialien maßschneidern und ihnen Eigenschaften aufprägen.

Das Brechungsgesetz auf den Kopf gestellt

So haben US-Forscher in der Vergangenheit Metamaterialien aus Metallringen und Metallstäben hergestellt, die das Brechungsgesetz auf den Kopf stellen. Schräg eingestrahlte Mikrowellen werden in diesen Stoffen nicht bloß zum Lot hin gebrochen, wie es in Glas oder Wasser der Fall ist (siehe unser Stock im Teich), sondern sie können auch über das Lot hinausgebrochen werden – so daß die einlaufenden und die gebrochenen Wellen auf derselben Seite des Lots liegen.

David Smith, David Schurig und John Pendry publizierten 2006 das Konzept. Darauf aufbauend wurde von anderen Forschern ein Hohlzylinder präsentiert, der sich tatsächlich fast wie eine ideale Tarnkappe verhält – allerdings nur im Mikrowellenbereich (also nicht mit Tageslicht) und nur in einem schmalen Wellenlängenbereich. Die Zeitschrift Science jubelte schon, die Tarnkappe habe ihre Feuertaufe bestanden! Immerhin: Den Forschern war der Beweis erbracht, daß Unsichtbarkeit nicht allein ins Reich der Zauberer oder der Science-Fiction-Märchen à la „Raumschiff Enterprise“ gehört. Das glaubt auch das US-Militär und finanzierte einen Teil des Projekts.

Das große Manko war allerdings – die Tarnkappe funktionierte nicht bei sichtbarem Licht. Ein Forscherteam von der Universität von Maryland kam dann einen Schritt weiter. Christopher Davis und seine Kollegen entwickelten eine Tarnkappe, die sichtbares Licht um sich herumleitet. Sie benutzen das Prinzip wie Schurig und Co. Allerdings ist ihr Metamaterial anders: konzentrisch angeordnete Ringen aus transparentem Acryl, auf das eine dünne Goldschicht aufgebracht ist. Es arbeitet im Bereich des grünen Lichts. Aber noch immer sind wir von Siegfrieds Hightech-Ausrüstung meilenweit entfernt. Denn das sind die Nachteile, die das Davis-Team registrieren mußte: Erstens funktionieren die vorgestellten Tarnkappen nur in zwei Dimensionen, und zweitens tut die Technik ihren Dienst nur für Mini-Objekte mit bestimmter Form und es gibt große Energieverluste.

Universität Stuttgart entwickelt „Tarnkappe“

Anfang Dezember 2007 veröffentlichte die Universität Stuttgart eine Pressemitteilung, und man spürt förmlich den Stolz der Wissenschaftler um Harald Gießen vom vierten Physikalischen Institut, als sie formulierten: „Physiker der Universität Stuttgart stellen weltweit erste dreidimensionale optische Metamaterialien her (…) auf dem Weg zur optischen Tarnkappe.“ Was haben sie gemacht? „Der Trick ist ganz einfach: man ordnet die Nanostrukturen in den Metamaterialien wie kleine Schwingkreise an, die aus Spulen und Kondensatoren bestehen. Ein solcher Schwingkreis hat zum Beispiel die Form eines U. Kombiniert man nun elektrische und magnetische Eigenschaften des Materials geschickt, so ergibt sich ein negativer Brechungsindex.“

Und dann zur Gretchenfrage: „Welche Anwendungen sich aus den neuen Metamaterialien ergeben, ist noch nicht vollständig abzusehen (…) optische Tarnkappen sollen möglich werden.“ Also: Noch immer ist viel Geduld nötig, bis wir Menschen, Autos und Flugzeuge einfach so verschwinden lassen können. Denn die Stuttgarter wollen die nächsten drei Jahre zusammen mit den Universitäten Karlsruhe und Jena und anderen erst einmal weiterforschen – gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und motiviert vom Augenzwinkern von Professor Gießen: „Man kann niemals nie sagen, und man sollte die Kreativität der Experimentalphysiker nicht unterschätzen.“

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