Eine aktuelle Studie zeigt: Nirgendwo in Europa ist die Erbschaftsteuerbelastung so hoch wie in Deutschland. Insbesondere Familienunternehmen haben darunter zu leiden. Trotzdem reißen die Forderungen nach einem noch stärkeren Zugriff des Staates auf die Ersparnisse seiner Bürger nicht ab. Für den ohnehin schon stark geschwächten Standort wäre das eine weitere Belastung.
Schätzungsweise 400 Milliarden Euro werden jedes Jahr in Deutschland durch Erbschaften und Schenkungen übertragen. Rund drei Viertel davon liegen allerdings unterhalb der Grenze der steuerlichen Freibeträge. So bleibt etwa das Einfamilienhäuschen meist von der Erbschaftsteuer verschont, sofern es im engsten Familienkreis vererbt wird. Das Aufkommen der Erbschaftsteuer von 11,4 Milliarden Euro (2022) erscheint auf den ersten Blick vielleicht bescheiden. Gut ein Prozent der gesamten Steuereinnahmen werden dadurch generiert.
Das ist aber doppelt so viel wie im Durchschnitt der OECD-Länder, und der Trend geht weiter nach oben. Denn das Volumen der vererbten Vermögen wird in Zukunft noch deutlich zunehmen. Selbst bei unverändertem Steuerrecht dürfte sich dadurch das Aufkommen der Erbschaftsteuer bis 2050 etwa verdoppeln. Aber die Politik gibt sich damit noch keineswegs zufrieden. So wollen sowohl die SPD als auch die Grünen künftig weniger Ausnahmen für Unternehmensvermögen zulassen.
In Osteuropa und Skandinavien sieht es anders aus
Zusätzlich fordern sie die Wiedereinführung einer Vermögensteuer. Diese wurde 1995 höchstrichterlich als verfassungswidrig in ihrer damaligen Ausgestaltung erklärt und wird seitdem nicht mehr erhoben.
Dabei ist Deutschland im internationalen Vergleich schon jetzt Spitzenreiter bei der Besteuerung von Erbschaften. So lautet das Ergebnis einer aktuellen Untersuchung, die das Mannheimer Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen erstellt hat. Verglichen wurden anhand typischer Beispielfälle insgesamt 33 Länder, mit denen Deutschland im Standortwettbewerb steht. Als erstes fällt dabei auf: Vierzehn dieser Länder erheben überhaupt keine Erbschaftsteuer bzw. haben sie inzwischen vollständig abgeschafft.
Dazu gehören zum Beispiel die osteuropäischen EU-Staaten Estland, Lettland, die Tschechei und Slowakei, aber auch Norwegen, Schweden und Österreich – Länder die nicht gerade als erzkapitalistisch gelten. Auch in Kanada, Mexiko, Australien und Portugal sind die Bürger sicher davor, daß der Staat sich noch nach ihrem Ableben an ihrem Vermögen vergreift.
Auch in Deutschland gibt es die Verschonungsregeln für Unternehmen
Aber auch in denjenigen Ländern, die grundsätzlich noch an der Erbschaftsteuer festhalten, werden oft Unternehmen und nahe Familienangehörige davon ausgenommen. So stellt etwa Großbritannien Unternehmensvererbungen gänzlich von der Steuer frei, ähnliches gilt in Irland. In vielen Ländern wird zudem die Vererbung an den Ehegatten und/oder an die Kinder nicht besteuert.
Damit soll vor allem erreicht werden, daß Familienbetriebe ohne steuerlichen Aderlaß weiterbetrieben werden können und nicht daran zugrunde gehen. Denn schließlich fällt etwa alle 30 Jahre Erbschaftsteuer bei einem Unternehmen an, und sie muß jedesmal aus der Substanz bezahlt werden. Das kann zu massiven Liquiditätsproblemen und im Extremfall sogar zum Ruin führen. Selbst wenn es nicht so weit kommt, gehen aufgrund des steuerlichen Aderlasses oft die Investitionen zurück, wie das ZEW berichtet.
Auch in Deutschland gibt es sogenannte Verschonungsregeln für vererbte Unternehmen. Sie sind äußerst kompliziert und hängen unter anderem von der Gesellschaftsform, dem Wert des vererbten Unternehmens und der Beschäftigtenzahl ab.
Bei Vererbungen an Kinder schneidet Deutschland kaum besser ab
In dem vom ZEW angenommenen Modellfall kommen sie gar nicht zum Tragen, weil der Unternehmenswert über 90 Millionen Euro liegt. Die dann anfallende Erbschaftsteuer in Deutschland für einen Ehegatten ist höher als sonst irgendwo auf der Welt. Sie liegt zweieinhalb- bis viermal so hoch wie in Finnland, dem zweitungünstigsten Land.
In den meisten anderen Ländern einschließlich den Erbschaftshochsteuerländern USA und Japan würde in dem angenommenen Fall dagegen gar keine Steuer anfallen. Auch bei Vererbung an ein Kind schneidet Deutschland mit der dritthöchsten Belastung aller Länder kaum besser ab. Unterhalb der 90-Millionen-Schwelle kann diese zwar teils deutlich gesenkt werden, bei Erbwerten unter 26 Millionen Euro im Extremfall sogar bis auf null.
Aber dafür sind bindende Zusagen für den Fortbestand nicht nur des Unternehmens, sondern auch der Beschäftigtenzahl und der Lohnsumme erforderlich. Das können sich unter starkem Anpassungsdruck stehende Betriebe oft gar nicht leisten. Gerade diese werden dann auch noch zur Kasse gebeten und womöglich damit zur Aufgabe gezwungen.
Anteil der Steuern ist seit Jahrzehnten gleich geblieben
Warum geht Deutschland dann aber nicht den Weg anderer Länder und schafft die ganze Steuer einfach ab? Auch den ZEW-Forschern fallen dazu nur zwei mögliche Argumente ein. Erstens das Interesse des Staates an ausreichenden Steuereinnahmen, an denen es aber gar nicht mangelt. Der Anteil der Steuern am Bruttoinlandsprodukt ist vielmehr seit Jahrzehnten bei etwa 23 Prozent konstant geblieben, die Sozialabgabenquote ist sogar gestiegen.
Als zweites und wichtigstes Argument wird die Chancengleichheit genannt. Aber die meisten Erben sind in Deutschland selbst schon über 55 Jahre alt und haben ihre Lebensweichen längst gestellt.
Die meisten würden das Geld verkonsumieren
Teilt man zudem das Erbschaftsteueraufkommen rein rechnerisch auf alle Bundesbürger auf, so würde jeder gerade einmal 140 Euro bekommen. Auf der anderen Seite steht aber die Schwächung der ohnehin schon fiskalisch und bürokratisch extrem gebeutelten Unternehmen, gegebenenfalls auch der Verlust von Arbeitsplätzen.
Die meisten Begünstigten würden das Geld zudem wohl sofort verkonsumieren, statt es der Vermögensbildung zuzuführen – aus Hochöfen werden gewissermaßen Flachbildschirme. Am Ende bleibt die „Neidhammelsteuer“ damit hauptsächlich ein ökonomisch schädliches Arbeitsbeschaffungsprogramm für Steuerberater, Anwälte und Gerichte.