Dicht an dicht gedrängt stehen, sitzen und gehen sie. Wer den Arm ausstreckt, berührt sofort einen Nebenmann. Szenen wie in der Deutschen Bahn, sobald die erste Schneeflocke fällt und für Chaos und Zugausfälle sorgt. Und das mitten im Bundestag – zu Lasten der größten Oppositionsfraktion im hohen Haus. Entgegen jeder parlamentarischen Tradition und zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik, bekommt mit der AfD die zweitstärkste Fraktion nicht den zweitgrößten Tagungssaal – weil die dezimierte SPD partout nicht ausziehen will. Das Ergebnis: ein viel zu kleiner Saal für viel zu viele Abgeordnete, Mitarbeiter und Pressevertreter.
„Ich verstehe nicht, warum darüber überhaupt gestritten werden muß“, sagt der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland mit Blick auf die Debatte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. In einer Demokratie sei es „üblich, daß Säle nach der Größe der Fraktion verteilt werden“, betont Gauland. Mit dieser Kritik ist er nicht alleine. Selbst der ARD-Journalist Gabor Halasz schreibt auf X, die AfD habe recht mit ihren Beschwerden, der Sitzungssaal sei „zu klein für die Fraktion“.
Die #AfD hat hier Recht – der Sitzungssaal ist zu klein für die Fraktion. Warum die #SPD nicht tauscht und der AfD so eine Steilvorlage gibt, erklärt sich nicht. pic.twitter.com/XQDtB5O26F
— gabor halasz (@gaborhalasz1) May 20, 2025
Bliebe die größte Oppositionsfraktion in ihrem aktuellen Tagungsraum, hätte sie pro Abgeordneten 1,66 Quadratmeter zur Verfügung. Inklusive der 84 parlamentarischen Mitarbeiter käme bei voller Auslastung jeder AfDler auf etwa einen Quadratmeter. Zum Vergleich: Für die Haltung einer Mutterkuh sind bei besonders tiergerechter Haltung in einem Stall 5,5 Quadratmeter vorgesehen. Freilaufende Hühner bekommen vier Quadratmeter und dem Mastschwein aus ökologischer Haltung stehen mindestens 1,3 Quadratmeter und zusätzlich ein Quadratmeter Auslauf im Freien zu.
AfD kann überstimmt werden
Ob dieser Vorgang rechtens ist, ist unklar. Zuständig für die Verteilung der Räume an die Fraktionen ist der Ältestenrat des Parlaments. Er setzt sich aus der Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU), ihren Stellvertretern sowie 23 weiteren Mitgliedern zusammen, die von den Fraktionen nach ihrem Stärkeverhältnis benannt werden. Die AfD kann hier also überstimmt werden.
Rechtlich ist es nicht ganz so einfach. In Paragraph 11 der Geschäftsordnung heißt es zwar: „Nach der Stärke der Fraktionen bestimmt sich ihre Reihenfolge.“ Doch bezieht sich das auch auf die Räume? In Paragraph 12 heißt es: „Die Zusammensetzung des Ältestenrates und der Ausschüsse sowie die Regelung des Vorsitzes in den Ausschüssen ist im Verhältnis der Stärke der einzelnen Fraktionen vorzunehmen. Derselbe Grundsatz wird bei Wahlen, die der Bundestag vorzunehmen hat, angewandt.“ Aktuell läuft eine Debatte, ob das auch für Ressourcen wie etwa Räume im Bundestag gilt.
Die JUNGE FREIHEIT war vor Ort, um sich selbst ein Bild zu machen und mit Betroffenen zu sprechen. Das Video finden Sie hier:
»Weniger Platz als in einer Schweinehaltung« Abgeordnete der AfD inspizieren ihren neuen Fraktionssaal zum ersten Mal und verlassen ihn auch sogleich. pic.twitter.com/W5mkj6N5oH
— JUNGE FREIHEIT (@Junge_Freiheit) May 20, 2025
(st/ho)