BERLIN. Der Präsident der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt (CSU), hat nach den Angriffen auf verschiedene Politiker Kritik an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) geäußert. „Im Land fehlen 50.000 Polizeibeamte, und auch an allen anderen Ecken und Enden werden die Ressourcen knapp“, sagte er der NZZ. Faeser habe das Budget der Bundespolizei im laufenden Jahr um 500 Millionen Euro zusammengestrichen und dazu beigetragen, daß die Ermittlungsbehörden nicht adäquat auf die Bedrohung reagieren könnten.
Das habe dramatische Konsequenzen. „Helikopter müssen Flüge begrenzen, Ausstattung kann nicht beschafft werden, und die Gelder für die Unterbringung von Einsatzkräften werden knapp“, warnte Wendt. „Die Sicherheitsbehörden sind deshalb nur noch begrenzt in der Lage, Gefahren von linken, rechten oder islamistischen Extremisten effektiv abzuwenden und zu verhindern.“
Polizeigewerkschafts-Chef: „Neue Form des politischen Terrorismus“
Mit der Erwartungshaltung, politische Veranstaltungen und Entscheidungsträger besser zu schützen, passe das nicht zusammen. „Es gibt schlichtweg keine Reserven mehr, die wir mobilisieren könnten.“ Von der Politik erwartet der DPolG-Präsident deshalb, klar auszusprechen, welche anderen Schutzaufgaben stattdessen nicht mehr wahrgenommen werden sollten.
Damit reagierte er auf Faesers Vorschlag, am Dienstag eine Sonderkonferenz der Innenminister von Bund und Ländern abzuhalten und über neue Schutzmaßnahmen für Politiker zu beraten. Eine entsprechende Bitte hat die SPD-Politikerin laut Tagesspiegel an den derzeitigen Vorsitzenden der Innenministerkonferenz, Brandenburgs Ressortchef Michael Stübgen, gerichtet.
Zugleich warnte Wendt vor einer Eskalation der Gewalt gegen politische Entscheidungsträger und betonte: „Deutschland muß sich in den kommenden Jahren darauf einstellen, daß Übergriffe gegen Politiker weiter zunehmen werden.“ Es scheine sich geradezu „eine neue Form des politischen Terrorismus“ im Land zu entwickeln, radikale Aktivisten versuchten mit Anschlägen ihre eigene Agenda durchzusetzen.
SPD-Politiker Ecke im Krankenhaus
Am vergangenen Wochenende war es zu mehreren Angriffen auf Politiker gekommen. In Dresden war der SPD-Europaabgeordnete Matthias Ecke von einer vierköpfigen Gruppe zusammengeschlagen worden. Er erlitt laut Angaben von Sachsens SPD-Chef Henning Homann einen Bruch des Jochbeins und der Augenhöhle sowie Hämatome im Gesicht und wurde am Sonntag operiert. Es gehe ihm den Umständen entsprechend gut.
Verantwortlich für den Angriff sind nach Polizeiangaben vier schwarz gekleidete junge Männer, die ein Zeuge dem rechten Spektrum zugeordnet habe. Einer der vier Täter, ein 17-Jähriger, der bisher nicht polizeilich in Erscheinung getreten sei, habe sich in der Nacht zu Sonntag der Polizei gestellt, teilte das Landeskriminalamt (LKA) mit. Auf der Plattform X berichtete die Polizei am Sonntag, er habe sich noch nicht zum Tatmotiv geäußert. Kurz vor dem Angriff auf Ecke soll dieselbe Gruppe laut Polizei in der Nähe einen Wahlkampfhelfer der Grünen ebenfalls verletzt haben.
Söder macht AfD mitverantwortlich
Am Montag teilte das LKA mit, auch die drei weiteren Tatverdächtigen seien ermittelt und die Wohnungen der Beschuldigten im Alter von 17 und 18 Jahren am Sonntag durchsucht worden.
Obwohl am Samstag im niedersächsischen Nordhorn auch der AfD-Landtagsabgeordnete Holger Kühnlenz Opfer einer Gewaltattacke wurde, machte der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die AfD für die Angriffe auf Politiker mitverantwortlich. Gegenüber RTL und ntv sprach er davon, „daß die AfD die Leute alle aufhetzt“. Besonders junge Leute würden über das Internet aufgestachelt, „gerade von der ganzen AfD-Ideologie“. Dagegen müsse vorgegangen werden. (dh)