BERLIN. Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer hat sich dafür ausgesprochen, die AfD an einer Regierung zu beteiligen. „Ich glaube, der strategische Ansatz Brandmauer ist gescheitert“, sagte der Ex-Grüne im umfangreichen Exklusiv-Interview mit dem Magazin Cato unter Bezug auf die Wahlerfolge der Partei. In fünf Jahren solle man dann schauen, „ob die vielleicht eine Läuterung erfahren (…) oder ob sie wirklich Nazis sind, dann muß man sie halt verbieten“.
Einerseits äußerte sich Palmer kritisch über die Partei: Es gebe in ihr Menschen, „die klar rechtsextreme Positionen vertreten“. Andererseits betonte er mit Blick auf andere Länder, dort regierten rechte Parteien mit, etwa in Italien oder Ungarn: „Also dagegen kann ja nun nichts einzuwenden sein.“
Kritisch ließ Palmer sich über Mitglieder der Grünen Jugend aus: „Das sind Wokisten und No-Borders. Klimaschutz dient denen höchstens als Argument für Enteignungen alter weißer Männer.“ Über den Vorwurf des Rassismus sagte Palmer, dieser Begriff sei „so inhaltsleer geworden, daß diese Leute ihn einfach als Schimpfwort für jeden, der anders denkt, benutzen“.
Seenotretter: „Moderne Moralhelden“
Palmer reflektierte auch erneut über die Asyl- und Migrationspolitik: „Ein einziger sogenannter Systemsprenger, das heißt meist ein geflüchteter junger Mann, der so gewalttätig ist, daß er im Dreischichtbetrieb von zwei Leuten betreut wird, kostet uns 600.000 Euro im Jahr.“ Dieses Geld habe man einfach nicht mehr.
Mit Blick auf Seenotretter für Migranten formulierte Palmer, diese seien „moderne Moralhelden“. Es seien diejenigen, „die gewissermaßen wie Jesus das von den europäischen Kolonialisten und Ausbeutern angerichtete Leid auf sich nehmen“. Es gebe bei den Grünen viele, die die Seenotrettung genauso betrachteten.
Palmer hält von Meldestellen „überhaupt gar nichts“
Zugleich lobte Palmer den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne). Dieser habe schon vor Jahren „eine sehr klare Linie gefahren“, verwies der Tübinger auf den Einsatz Kretschmanns für die Ausweisung von Migranten in sichere Herkunftsländer. Auch Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), der Kretschmer nachfolgen will, habe „nie in den Chor derer eingestimmt, die Probleme geleugnet oder bagatellisiert haben“.
Seine Zukunft sieht Palmer als Oberbürgermeister von Tübingen, als der er bis 2031 gewählt ist, nicht als Minister in einer möglichen Landesregierung unter Özdemir. Der „geerdete, kommunale Pragmatismus“ scheine ihm wertvoller „als irgendein Ministerposten im Land Baden-Württemberg“, betonte er.
Über die Meinungsfreiheit führte Palmer aus, diese sei derzeit von zwei Seiten bedroht: Zum einen versuchten Rechtsextreme, den Korridor des Sagbaren immer weiter auszudehnen. Auf der anderen Seite sei das Problem, „wenn man über das Strafrecht hinausgehende Versuche macht, die Meinungsfreiheit oder die Meinungsäußerung zu kanalisieren“. Deswegen halte er „von diesen ganzen Meldestellen überhaupt gar nichts“.
Das ganze Interview gibt es in der aktuellen Ausgabe 1/2025 von Cato – Magazin für neue Sachlichkeit. (ser)