BERLIN. Bund und Länder haben sich bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin auf einen Kompromiß bei den Asylreformen geeinigt. In einem fünfzehnseitigen Papier, das der JUNGEN FREIHEIT vorliegt, schlugen die Teilnehmer nach eigenen Angaben „klare und zielgerichtete“ Maßnahmen vor, um gegen eine „Überforderung“ der Länder und Kommunen vorzugehen.
Neu ist, daß Erstantragsanhörungen künftig in den Asyl-Heimen stattfinden sollen. Maximal vier Wochen nach der Antragstellung müsse es einen Termin geben. Für Asylsuchende aus Staaten, für die die Anerkennungsquote unter fünf Prozent liegt, seien zudem beschleunigte Verfahren geplant. Als Zielmarke der Dauer gelten drei Monate. Entsprechende Regelverfahren sollen künftig möglichst ein halbes Jahr dauern. Derzeit dauern die Prozesse in einigen Behörden mehr als drei Jahre. Zunächst werde die Bundesregierung jedoch prüfen, ob dafür neue Gesetze oder Verordnungen notwendig sind.
Weiterhin viele Hintertüren
Zur Steuerung von Migration kündigten die Ampelkoalition und die Ministerpräsidenten an, eine Kommission „unter Einbeziehung von gesellschaftlichen Gruppen“ einzurichten. Wer dazu gehören könnte, steht nicht im Beschluß. Doch laut der dpa soll es sich um ein „breites gesellschaftliches Bündnis“ von Kirchen, Gewerkschaftlern, Wissenschaftlern und NGOs, die Asylbewerber vertreten, handeln. Die Presseagentur beruft sich dabei auf Teilnehmerkreise aus dem Bund und den Ländern.
Darüber hinaus haben Ministerpräsidenten und das Kanzleramt vor, Anstrengungen zu verstärken, um irreguläre Migranten auf den Arbeitsmarkt zu bringen. Die Politiker wollen bei den Unternehmen dafür werben, vermehrt auch Asylbewerber mit „nur grundständigen Deutschkenntnissen“ mit Stellen zu versorgen. Die Länderchefs forderten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) „dringend“ dazu auf, die bestehenden rechtlichen Einschränkungen zur Arbeitsaufnahme für Asylbewerber „mit Bleibeperspektive“ zu beseitigen sowie mehr Mittel für Integrations- und Sprachkurse bereitzustellen.
Entlastungen für Länder und Kommunen geplant
Die Landesregierungen sollen ab 2024 eine jährliche Pauschale von 7.500 Euro pro Asyl-Erstantragsteller bekommen, während der Bund ursprünglich 5.000 Euro vorgesehen hatte. Die Länder hatten bis zu 12.000 Euro gefordert.
Geplant seien 3,5 Milliarden Euro Entlastung für Länder und Kommunen. Dies soll nicht nur durch Transfers aus dem Bund, sondern auch durch geplante Ersparnisse bei Asylleistungen geschehen. Dazu gehören Einschränkungen bei Empfängern in den Unterkünften, die Verlängerung des eingeschränkten Leistungsbezugs von 18 auf 36 Monate und die Einführung einer digitalen Bezahlkarte als Ersatz für Barleistungen.
Bereits bis Ende Januar planen Bund und Länder, ein Modell dafür zu entwickeln. Ganzheitliche Umstellung auf Sach- und Kartenleistungen soll jedoch nicht erfolgen, denn sowohl Bundeskanzler Scholz, als auch Ministerpräsidenten „halten weiter fest, daß es notwendige Ausgaben geben kann“, die nur bar bezahlt werden können.
Die Welt soll es richten
Einen großen Teil des Beschlusses bilden Forderungen, die auf internationaler Ebene durchsetzbar wären. Auf der EU-Ebene sollen die beschlossenen Reformen des gemeinsamen Asylsystems beschleunigt und das Engagement Deutschlands im Rahmen der FRONTEX-Grenzschutzbehörde ausgeweitet werden. Bund und Länder einigten sich außerdem, am EU-Türkei-Abkommen festzuhalten.
Einen wichtigen Punkt im Papier stellen bilaterale Verträge zwischen der Bundesrepublik und den Herkunftsländern irregulärer Migranten dar. Geplant sei, den Staatsbürgern der betroffenen Staaten „verbesserte Möglichkeiten zur regulären Arbeitsmigration“ als Gegenleistung für die Aufnahme abgelehnter Asylsuchender zu akzeptieren. (kuk)