ERFURT. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) hat sich indirekt für die Abschiebung zweier Libyer ausgesprochen, nachdem diese einen Zettelstapel vor der Erfurter Synagoge angezündet hatten. „Das Verbrennen von Solidaritätsadressen an unserer Synagoge ist kein ‘dummer Jungenstreich’, sondern ein Überschreiten roter Linien“, betonte der 67jährige am Sonntag auf dem Kurznachrichtendienst X. Wer Hand an Synagogen, Kirchen und Moscheen lege, könne „sich auf Schutzgewährung nicht mehr berufen“.
Das verbrennen von Solidaritätsadressen an unserer Synagoge ist kein „dummer Jungenstreich", sondern ein Überschreiten Roter Linien. Wer Hand an Synagogen, Kirchen, Moscheen legt, kann keinen Schutz geltend machen, denn er verstößt gegen unsere Schutzregeln zur Religionsfreiheit.
— Bodo Ramelow (@bodoramelow) November 12, 2023
Der Erfurter Polizei zufolge sollen die beiden Asylbewerber in der Nacht auf Sonntag betrunken durch die Innenstadt gelaufen sein, als sie auf die Synagoge aufmerksam wurden. Menschen hätten auf deren Treppenstufen „aus Solidarität zu Israel“ Gedenkzettel abgelegt, die die 22 und 25 Jahre alten Männer schließlich in Brand steckten. „Durch das Feuer entstanden an den Treppenstufen der Synagoge geringe Verrußungen“, teilte die Behörde zum entstandenen Schaden mit. Eine politische Motivation könne nicht ausgeschlossen werden.
SPD und Grüne schließen sich Ramelows Empörung an
Auch Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) zeigte sich empört über die Tat. „Wer so etwas tut, hat seinen Schutzstatus bei uns verwirkt“, unterstrich der Sozialdemokrat auf X. Auf Einwände, daß Gerichte und nicht Minister über die Abschiebung von Asylbewerbern zu entscheiden hätten, antwortete Maier: „Das stimmt nicht ganz. Die Exekutive wendet Gesetze an. Die vorhandenen rechtlichen Möglichkeiten müssen genutzt werden, um hier ein Zeichen zu setzen.“
Ich verurteile diesen Angriff auf unsere #Synagoge in #Erfurt scharf. Tatverdächtig sind zwei Asylbewerber. Das ist keine Bagatelle. Es ist ein Angriff auf unsere Gesellschaft und unsere Werte. Wer so etwas tut, hat seinen Schutzstatus bei uns verwirkt. https://t.co/cMfmgVQct7
— Georg_Maier🇮🇱 (@GeorgMaier8) November 12, 2023
Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Erfurter Landtag, Astrid Rothe-Beinlich, reagierte scharf auf den Vorfall. „Die Angreifer haben ganz klar eine rote Linie überschritten“, mahnte die 49jährige.
Die #Synagoge in #Erfurt wurde in der letzten Nacht angegriffen. Unsere Solidarität gilt ohne wenn und aber der jüdischen Landesgemeinde. Die Angreifer haben ganz klar eine rote Linie überschritten. Jetzt gilt erst recht: Gemeinsam gegen jeden Antisemitismus #NieWiederIstJetzt
— AstridRothe-Beinlich (@Astrid_RB) November 12, 2023
Thüringen und Bremen gegen Abschiebungen
Anfang des Monats erst hatte sich Thüringen zusammen mit Bremen bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin für eine Protokollnotiz stark gemacht, „um deutlich zu machen, nicht mit Abschiebungen und Abschottung, sondern nur mit dem Zugang von Geflüchteten zur Arbeit und sozialer Teilhabe können wir die Herausforderungen lösen und die Zuwanderung menschenwürdig gestalten“, wie der Vorsitzende der Thüringer Linken, Christian Schaft, im Nachhinein erläuterte.
In ihrer Stellungnahme hatten sich die beiden Länder für eine „diskriminierungsfreie Bezahlkarte“ für Migranten ausgesprochen, die diesen ein „menschenwürdiges Existenzminimum“ sichern soll. (fw)