Eisiger Wind, bedeckter Himmel. 14 Uhr, Neptunbrunnen in Berlin. Auflaufgebiet für eine der größten Anti-Israel-Demonstrationen im Bundesgebiet. „Ihr habt die Politik hinter euch, aber wir haben die Straße hinter uns“, brüllt ein Mann ins Mikrofon und die Menge jubelt.
Ein breites Netzwerk hat unter dem Motto „Demokratische Grundrechte verteidigen: Meinungsfreiheit auch für Palästineser:innen“ zur Demonstration aufgerufen. Nach Polizeiangaben ist der Anmelder eine Privatperson. Laut Bild-Zeitung soll es sich dabei um einen gebürtigen Israeli handeln, der vor kurzem seinen Job als Touristenführer im Jüdischen Museum in Berlin verloren hatte. Während einer Führung soll er Israel als Apartheidstaat bezeichnet haben.
Immer mehr Menschen strömen auf den Platz. Junge Migrantinnen zupfen ihre Palästinensertücher in den Spiegeln ihrer iPhones zurecht, Fahnen schwenkende Väter schieben Kinderwägen vor sich her. Viele haben mit Gas befüllte Luftballons dabei in der Form von Wassermelonen. Eine Demonstrantin sagt der JUNGEN FREIHEIT: „Wir dachten, der Auflagenbescheid würde uns Palästina-Fahnen verbieten. Deshalb haben wir Wassermelonen-Ballons genommen, die haben dieselben Farben.“
Palästina statt Neptun
Dicke, schwarzbärtige Männer, viele mit dem schwarz-weißen Palästinensertuch um den Kopf gewickelt, stehen um den Lautsprecherwagen herum. Eine junge Frau liest den Auflagenbescheid der Berliner Polizei für die Durchführung der Demonstration vor. 50 Meter vom Pritschenwagen entfernt ist sie nicht mehr zu verstehen. Bekenntnisse zu Hisbollah, Hamas und zur Palästinensischen Volksbefreiungsfront sind ebenso verboten wie der Aufruf zur Zerstörung des jüdischen Staates. Dasselbe erfolgt noch einmal auf Arabisch, danach geht es ans Eingemachte. Israel sei ein Apartheidstaat, der die Bewohner von Gaza in einem „Freiluftgefängnis“ vegetieren lasse, sagt ein Redner der sogenannten „Palästina Kampagne“.
Demonstranten besteigen den Neptunbrunnen am Alexanderplatz. Das Motto der Demo lautet: „Demokratische Grundrechte verteidigen: Meinungsfreiheit auch für Palästinenser:innen“
Ob es den fahnenschwenkenden Arabern hier um Meinungsfreiheit und Grundrechte geht? #b0411 pic.twitter.com/gGDOg0j7J4— Junge Freiheit (@Junge_Freiheit) November 4, 2023
Immer wieder wird die Menge dazu animiert, Parolen zu rufen. „Viva Viva Palästina“ und „Stoppt den Genozid“, hallt es zu tausenden über den Berliner Alexanderplatz. Der Neptunbrunnen, 1891 von Kaiser Wilhelm II. der Stadt Berlin geschenkt, wird heute zum Symbol der Verachtung für die deutsche Kultur durch Migranten. Mehrere junge Araber stürmen die historischen Figuren, einer klettert mit einer großen Palästinaflagge auf die Spitze des Bauwerks und versucht, die Stange in den Bronze-Dreizack zu rammen und so seine Flagge zu hissen. Die Polizei läßt eine Rednerin daraufhin durchs Mikrofon sagen, daß die jungen Männer – schon aus Eigenschutz – von den Figuren wieder runterklettern sollen.
Ein anderer Redner kommt von der „Jüdischen Stimme“ und erhebt schwere Vorwürfe gegen die deutsche Politik. Sie würde mit „faschistischer Rhetorik“ versuchen, Minderheiten gegeneinander auszuspielen. Die Forderung nach Abschiebungen sei zutiefst rassistisch. Mit Blick auf die Rede von Robert Habeck (Grüne) von vergangener Woche, in der der Bundeswirtschaftsminister die Solidarität Deutschlands mit Israel beschworen hatte, sagte der Redner: „Die Palästinenser tragen keine Schuld für die Taten von Habecks Großeltern.“ Bei der Menge kommt das gut an. Blauhaarige Linksliberale, in die Jahre gekommene Kommunisten mit MLPD-Fahnen und junge Araber applaudieren. Wieder donnert es über den Platz: „Stoppt den Genozid!“
Rauchbomben, Hammer und Sichel
Langsam setzt sich der Marsch in Bewegung. Er soll vom Alexanderplatz durch Berlin-Mitte bis zum Potsdamer Platz führen. Die Stimmung heizt sich zunehmend auf. Mehrere Rauchbomben werden gezündet, vermummte Linksautonome mit Seitenbanner und roten Fahnen skandieren „Hoch die internationale Solidarität“, die Antifa wird eng von der Polizei begleitet. Neben dem Schwarz-Weiß-Grün-Rot werden auch rote Fahnen mit Hammer und Sichel geschwenkt. Sogar eine DDR-Fahne ist an diesem Tag an genau jenem Ort zu sehen, wo eine halbe Million Ostberliner vor 34 Jahren gegen die kommunistische Diktatur demonstrierten.
Der Ton wird schärfer: während des Zuges sollen Journalisten angegangen worden sein. Wie die Bild-Zeitung berichtet, sollen Demonstranten einem Reporter sogar mit dem Tod gedroht haben. Immer wieder ertönen Schlachtrufe, die mit der Bundesregierung hart ins Gericht gehen. Darunter: „Scholz, Scholz! Warum kein Wort? Massenmord ist Massenmord!“ und „Israel bombardiert, Deutschland finanziert!“
Eine Rednerin vom „Jüdischen Bund“ appelliert an das Geschichtsbewußtsein der anwesenden Deutschen. Sie hätten die historische Chance, die eigene Schuld abzulegen und nicht zum zweiten Mal auf der falschen Seite der Geschichte zu stehen. War um 14 Uhr der Platz am Neptunbrunnen noch spärlich bevölkert, geht die Polizei zum Ende der Veranstaltung hin von etwa 8.500 Demonstranten aus. 1.000 Polizeibeamte sind den ganzen Tag im Einsatz. Die von manchen befürchteten Krawalle bleiben während der Demonstration aus. Bis 17 Uhr spricht die Polizei von 35 Festnahmen.