BERLIN. Die Bundesregierung prüft, Marschflugkörper vom Typ Taurus aus den Bundeswehrbeständen an die Ukraine zu liefern. Das bespreche die Ampel in geheimen Gesprächen mit der Rüstungsindustrie, berichtete der Spiegel am Freitag. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wolle allerdings durch technische Modifikationen ausschließen, daß Kiew mit den bunkerbrechenden Geschossen Rußland angreifen kann. So solle der Hersteller die Zielprogrammierung für die Luftgeschosse beschränken. Erst mit dieser Einschränkung wolle Scholz die Flugkörper liefern. Die Bundesregierung mache die Taurus-Lieferung nicht mehr wie zuvor abhängig von der Waffenhilfe aus den USA.
Die etwa fünf Meter großen und 1,3 Tonnen schweren Taurus-Marschflugkörper haben laut Hersteller eine hohe Reichweite von mehr als 500 Kilometern. Sie werden gegen stationäre Ziele eingesetzt. Da die Geschoße mit weniger als 50 Metern Bodenhöhe niedrig fliegen, sind sie vom Radar kaum zu erfassen. Durch eine spezielle Sprengtechnik beim Aufprall ist es Taurus möglich, auch mehrere Bunkeretagen zu durchdringen.
Wie das Nachrichtenportal t-online berichtete, kann die enttäuschend verlaufende ukrainische Gegenoffensive ein Grund für die besprochene Raketenlieferung sein. „Wir haben uns etwas anderes gewünscht, vor allem für die Ukraine“, sagte der SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetovic. Deswegen sei es wichtig, Kiew mit entscheidenden Mitteln wie den Taurus-Marschflugkörpern auszustatten. „Die Ukraine verteidigt nicht nur ihre eigene Freiheit, sondern die Freiheit Europas“, äußerte der Sozialdemokrat.
Taurus-Marschflugkörper-Lieferung sei „weder sinnvoll noch maßvoll“
Eine gänzlich andere Sicht vertrat sein Parteifreund und ehemalige Berufsoffizier Johannes Arlt: „Ich halte es mittelfristig weder für sinnvoll noch für maßvoll, Taurus abzugeben“, sagte er dem Spiegel. „Aus gutem Grund haben wir bisher beschlossen, Risiken gut abzuwägen und ein System mit einer derartig hohen Reichweite nicht zur Verfügung zu stellen.“ Er hoffe auch, daß dies so bleibt.
Zuvor hatte der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz am Donnerstag gefordert, die Waffen an Kiew zu liefern. „Die Gegenoffensive stockt, eine nennenswerte Luftwaffe zur Unterstützung hat die Ukraine nicht. Da bleiben nur Lenkwaffen wie Taurus-Marschflugkörper, mit denen die ukrainische Armee die von den Russen angelegten Minenfelder überwinden und Territorium zurückerobern könnte.“ Er kritisierte vertane Zeit: Wie zuvor in der Diskussion um Panzerlieferungen werde Deutschland am Ende doch liefern. (ca)