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Nordrhein-Westfalen: „Graue Wölfe“ heulen in der CDU

Nordrhein-Westfalen: „Graue Wölfe“ heulen in der CDU

Nordrhein-Westfalen: „Graue Wölfe“ heulen in der CDU

Anhänger der rechtsextremen türkischen "Graue Wölfe" sorgen für Unruhe in der CDU (Symbolbild).
Anhänger der rechtsextremen türkischen "Graue Wölfe" sorgen für Unruhe in der CDU (Symbolbild).
Anhänger der rechtsextremen türkischen „Grauen Wölfe“ sorgen für Unruhe in der CDU (Symbolbild) Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopress
Nordrhein-Westfalen
 

„Graue Wölfe“ heulen in der CDU

Die CDU will offenbar eine „Graue Wölfe“-Funktionärin ausschließen, ohne daß die breite Öffentlichkeit davon Kenntnis erhält. Der Ausschluß könnte schwierig werden, da sich die CDU 2016 auf Betreiben von Laschet gegen einen entsprechenden Unvereinbarkeitsbeschluß entschieden hat.
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Die CDU im nordrhein-westfälischen Hagen hat offenbar schon vor Wochen ein Parteiausschlußverfahren gegen Özlem Basöz eingeleitet. Die 40jährige Diplom-Pädagogin ist seit Mai 2022 Generalsekretärin der Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa (ATIB). Davor war sie stellvertretende Vorstandsvorsitzende der ATIB, und davor leitete sie deren Abteilung für politische Angelegenheiten. Seit September 2022 ist Basöz auch Zweite Stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Muslime (ZMD). Außerdem ist sie stellvertretende Vorsitzende des Hagener Integrationsrats.

Grund dafür dürfte ihre langjährige Funktionärstätigkeit für die ATIB sein. Die ATIB wird vom Verfassungsschutz dem auch als „Graue Wölfe“ oder Ülkücü-Bewegung bekannten türkischen Rechtsextremismus zugeordnet und deswegen beobachtet. Deren Gedankengut „fußt auf einer extrem nationalistischen bis rechtsextremistischen Ideologie, die maßgeblich von Elementen wie Rassismus und Antisemitismus geprägt wird“, lautet die Einschätzung des Verfassungsschutzes. In Nordrhein-Westfalen (NRW) ist das Personenpotential des türkischen Rechtsextremismus mit knapp 3.700 inzwischen größer als das der 3.545 deutschen Rechtsextremisten.

Verglichen mit anderen Parteiausschlußverfahren der jüngeren Vergangenheit läuft dieses jedoch ungewöhnlich heimlich und nahezu unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit ab. So blieb eine Nachfrage der JF zum aktuellen Stand des Verfahrens von Mitte Juli an die CDU Hagen bis zur Veröffentlichung dieses Artikels unbeantwortet. Im Internet fanden sich bislang nur zwei Artikel, mit denen bereits im April über den geplanten Parteiausschluß berichtet wurde. Einer davon entstammt der Hagener Lokalpresse, der andere dem türkischen Blatt Sabah.

„Graue Wölfe“ beschäftigen CDU mal wieder

Die CDU wurde bereits 2014 von einer medial geführten Debatte über „Graue Wölfe“ im Landesverband NRW erschüttert. Damals forderten konservative CDU-Politiker wie die damalige Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel, daß „weder deutsche noch türkische Rechtsextremisten“ als Mitglieder akzeptiert werden dürfen. Ihr Kontrahent war der damalige CDU-Landesvorsitzende Armin Laschet, der die Präsenz von „Grauen Wölfen“ in seinem Landesverband trotz erster gegenteiliger Belege einfach bestritt. Auf Twitter schrieb er in Anspielung auf Pantel, es gäbe „Leute, die sehen dauernd Gespenster“.

Später wurde dieser Streit nur noch hinter verschlossenen Türen ausgetragen. Damit verschwand diese Debatte auch wieder aus den großen Medien. An der Situation, die dazu geführt hatte, hat sich aber bis heute nichts geändert. So ist Basöz bereits die zweite „Graue Wölfe“-Größe in diesem Jahr, die der CDU unangenehm wird. Erst im Januar kam heraus, daß ein kommunalpolitisch aktives Mitglied der Neusser CDU jahrelang gleichzeitig als hochrangiger Funktionär für die Föderation der Türkisch-Demokratischen Idealistenvereine in Deutschland (ADÜTDF) tätig war. Die ADÜTDF wird ebenso wie die ATIB vom Verfassungsschutz beobachtet sowie den „Grauen Wölfen“ und damit dem türkischen Rechtsextremismus zugeordnet.

Auch wurde 2017 und 2022 publik, daß CDU-Landtagsabgeordnete in NRW „Graue Wölfe“-Moscheen besucht hatten. Daß diese Besuche in Wahljahren stattfanden, deutet darauf hin, daß Anhänger der Bewegung in der NRW-CDU bis heute als wichtige und zu pflegende Wähler gesehen werden. Laschets Nachfolger Hendrik Wüst schweigt sich seit seinem Amtsantritt 2021 zu diesen Mißständen aus. Damit bleibt es bei jedem neuen Fall dieser Art dem jeweiligen Kreisvorstand überlassen, für die Gesamtpartei schädliche Schlagzeilen schnell abzuwenden.

Reul gibt sich kurz angebunden

Aber auch Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) könnte durch Basöz in Erklärungsnot kommen. Denn auf diesen Fall wurde Reul erst im Januar von der AfD-Landtagsfraktion angesprochen. Und seine Antwort erweckte nicht den Eindruck, sich dem annehmen zu wollen: „Die Landesregierung hat die Mitgliedschaft einer Person in einer politischen Partei nicht zu bewerten.“

An anderer Stelle seiner kurzen Antwort verwies er darauf, daß eine Statistik über Mitgliedschaften von „Grauen Wölfen“ in der NRW-CDU nicht zum Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes gehöre. In den Jahren zuvor hatte Reul ähnliche Nachfragen nicht selten mit dem lapidaren Hinweis beantwortet, die CDU sei „kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes“.

Da der Verfassungsschutz in NRW dem Innenministerium untersteht, gehört es auch zu den Aufgaben seines Hauses, kommunal- oder parteipolitische Akteure zu warnen, wenn sich Extremisten bei ihnen umtun. Erst im März hatte Reul im Innenausschuß betont, daß sich seine Mitarbeiter dabei „Beine ausreißen“. Daß die CDU jedoch gegenüber der Hagener Presse freimütig eingeräumt hat, erst durch „eine argwöhnische Presseanfrage“ an deren Landesgeschäftsstelle auf Basöz‘ Mitgliedschaft aufmerksam geworden zu sein, wirft die Frage auf, ob hier die Warnungen aus Reuls Ministerium unterblieben sind.

Türkische Zeitung leistet Schützenhilfe

Gegenüber der Hagener CDU erklärte Basöz laut dem Kreisvorsitzenden, daß sie sich „ausdrücklich von allen radikalen Kräften distanziert“. Ihre Funktion als ATIB-Generalsekretärin begründete sie damit, „dort mäßigend einwirken zu wollen“. Diese Darstellungen dürften angesichts ihrer engen Verbundenheit mit der ATIB, die bereits als Jugendliche begann und später mit einer beeindruckenden Funktionärskarriere belohnt wurde, kaum Glauben finden. Die Vorstellung, daß männliche „Graue Wölfe“ eine Frau, die sie zu mäßigen versucht, zu ihrer Generalsekretärin machen, dürfte gar geeignet sein, bei fachkundigen Betrachtern Erheiterung auszulösen. Basöz belastet außerdem, daß sie erst im Mai 2021 den „Wolfsgruß“ gegenüber der Welt als „nicht verboten“ verteidigte.

Schützenhilfe bekommt sie jedoch vom türkischen Blatt Sabah, das das Ausschlußverfahren ungehemmt mit den Vorgängen um Cemile Giousouf vermischte. Die ehemalige Hagener CDU-Bundestagabgeordnete, die später zur Vizechefin der Bundeszentrale für politische Bildung befördert wurde, stand wegen ihres lockeren Umgangs mit Organisationen wie Milli Görüs in der Kritik. Da in der Türkei ATIB und Milli Görüs aber nicht als problematische, sondern als normale politisch-religiöse Organisationen gelten, entstand so zwischen den Zeilen des Artikels das Zerrbild einer zutiefst migranten- und türkenfeindlichen CDU.

Hagen hat einen Migrantenanteil von knapp 46 Prozent. Erst 2021 wurde eine vor dem Rathaus gehißte Israel-Flagge wieder entfernt, weil der Polizei berichtet wurde, die Fahne habe in den islamischen Gemeinden Unmut ausgelöst. Vor diesem Hintergrund dürfte der Gedanke an weitere türkische Presseberichte zu den Vorgängen um Basöz der CDU Hagen bereits jetzt Sorgenfalten auf die Stirn treiben.

Laschet verhinderte Unvereinbarkeitsbeschluß

Das Hauptproblem der CDU dürfte hier jedoch sein, daß sie bis heute keinen Unvereinbarkeitsbeschluß hat, der solche Mitgliedschaften explizit untersagt. Ein solcher Beschluß stand beim Bundesparteitag 2016 in Essen zur Abstimmung. Die Vorlage zielte im Kern darauf ab, daß zukünftig weder „Graue Wölfe“ noch andere legalistische Islamisten CDU-Mitglieder sein dürfen.

Nach einer entsprechenden Intervention von Armin Laschet votierten die Delegierten jedoch mehrheitlich gegen den vom konservativen Flügel geforderten Beschluß. Das dürfte Özlem Basöz jetzt in die Hände spielen. Denn dieses Votum könnte juristisch auch so interpretiert werden, daß die Delegierten indirekt dafür gestimmt haben, daß „Graue Wölfe“ auch weiterhin CDU-Mitglieder sein dürfen.

Anhänger der rechtsextremen türkischen „Grauen Wölfe“ sorgen für Unruhe in der CDU (Symbolbild) Foto: picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopress
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