Morgens in den Flieger von Berlin, ab nach Barcelona. Ein paar Stunden in der spanischen Stadt am Mittelmeer – und dann gegen Mittag schon wieder zurück Richtung märkischer Sand. Was nach „Jet-Set“-Leben, nach Reichtum und Dekadenz klingt – oder wie ein Achtziger-Jahre-Werbe-Clip („… die Frisur sitzt, dank Drei-Wetter-Taft“), beschreibt in Wahrheit den gestrigen Kurztrip von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
Freilich flog Deutschlands Chef-Diplomatin nicht zum Vergnügen, nicht zum Shoppen oder „Sightseeing“ die knapp 2.000 Kilometer nach Barcelona und wieder zurück. Nein, sie nahm am achten Regionalforum der Union für den Mittelmeerraum teil. Die ist ein 2008 gegründetes „multilaterales Forum für politischen Dialog und regionale Kooperation“, so die offizielle Sprachregelung. Dabei ergänze es „die Instrumente der EU im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik“. Zielsetzung sei „die Förderung von Stabilität und Integration im gesamten Mittelmeerraum“.
Freilich ist Deutschland selbst unter wohlwollender Auslegung der Geographie nur ein entfernter Mittelmeer-Anrainer. Doch in diesem Jahr stehe im Zentrum des Forums „die aktuelle Lage im Nahen Osten, insbesondere ihre Auswirkungen auf Stabilität und Sicherheit in der Region und die humanitäre Lage in Gaza“, heißt es aus dem Auswärtigen Amt (AA).
Baerbocks „intensive Reisewoche“
Dessen Sprecher hatte am Freitag vergangener Woche bei der Vorstellung der ministeriellen Reisetermine indes noch mitgeteilt, Baerbock werde bereits am Sonntag nach Barcelona fliegen und an zwei Tagen, also Sonntag und Montag an besagtem Treffen teilnehmen, auch um sich in bilateralen Gesprächen mit Ministerkollegen aus arabischen Staaten auszutauschen. Am Sonntag also beginne schon „eine intensive Reisewoche der Außenministerin“.
Dann jedoch erfolgte offenbar eine Planänderung. Es sei korrekt, daß die Ministerin erst Montag früh in Barcelona angereist ist, bestätigte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts, „pünktlich zu den entsprechenden Gesprächen“. Im Klartext: Für die etwa vierstündige Teilnahme an einer Konferenz war Baerbock am Montag rund sechs Stunden in der Luft. Ist das sinnvoll, muß das wirklich sein? Im Zeitalter von „Skype“ und „Zoom“-Konferenzen…
Ja, es müsse sein, meint das Ministerium. „Seit dem 7. Oktober ringen wir mit einer wirklich außergewöhnlich dramatischen Lage in Nahost.“ Für Gespräche „insbesondere auch mit Mittelmeeranrainerstaaten“ lohne sich „wirklich jegliche Anstrengung“. Insofern sei diese Reise „alle Mühe wert, weil wir hier um den Frieden in Nahost ringen, und das tut die Außenministerin mit aller Kraft vor Ort“, betonte Baerbocks Sprecherin am Montag in der Regierungspressekonferenz.
1.700 Liter Flugbenzin pro Stunde
Und was ist mit Klimaschutz? Immerhin nutzte die grüne Außenministerin einen zweistrahligen Business-Jet vom Typ Bombardier Global 5000 der Flugbereitschaft. Dessen zwei Rolls-Royce-Triebwerke verbrauchen pro Flugstunde etwa 450 Gallonen – also rund 1.700 Liter – Kraftstoff. Dabei stellte das Auswärtige Amt am Freitag noch einmal klar: „Wir halten an den Pariser Klimazielen fest.“ Um im selben Atemzug festzustellen, daß diesbezüglich die Welt derzeit „nicht auf Kurs“ sei und die nun anstehende Weltklimakonferenz in Dubai „ein Wendepunkt werden und Weichen für eine klimaneutrale und resiliente Zukunft stellen“ müsse.
Am Montag meinte das AA dazu, man schaue immer auch, „wie wir möglichst emissionsarm anreisen können“. Zu den Gründen, warum Baerbocks ursprünglich zweitägiger Besuch in Barcelona kurzfristig auf eine vierstündige Visite mit sechsstündigem Flug eingedampft wurde, hieß es lediglich, die Flugzeiten werden „je nach Verfügbarkeit und je nach Möglichkeit festgelegt“.
Verfügbarkeit der Regierungsflieger – oder der Ressortchefin? Baerbock mußte ja immerhin noch am Sonnabend bis in die Nacht hinein auf dem Grünen-Parteitag in Karlsruhe den Delegierten beipulen, warum sie doch bitte, bitte die Migrationspolitik der Ampel-Koalition nicht unnötigerweise torpedieren sollten.
Doch das offizielle Statement bezüglich der zeitlichen Verzögerungen lautet bloß: An- und Abreise würden stets so terminiert, daß „die Außenministerin diese wichtige politische Teilnahme ermöglichen kann und zu den Gesprächen vor Ort ist“.
Das wird sie dann demnächst auch in Dubai. Um für Deutschland die Verhandlungen für einen besseren Klimaschutz zu führen. Zum Beispiel mit der Forderung, „die jährliche Energieeffizienzrate zu verdoppeln“ und aus fossilen Energien auszusteigen. „Wir brauchen dafür“, so die Devise des Auswärtigen Amts, „ein klares Signal an die Wirtschaft und den Privatsektor“. Vielleicht ja das Signal, weniger zu fliegen – und Konferenzen lieber mal digital abzuhalten.