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Polens Reparationsforderungen: Die Raupe Nimmersatt aus Warschau

Polens Reparationsforderungen: Die Raupe Nimmersatt aus Warschau

Polens Reparationsforderungen: Die Raupe Nimmersatt aus Warschau

Die Außenminister von Deutschland und Polen, Annalena Baerbock und Zbigniew Rau: Warschau fordert Reparationen
Die Außenminister von Deutschland und Polen, Annalena Baerbock und Zbigniew Rau: Warschau fordert Reparationen
Die Außenminister von Deutschland und Polen, Annalena Baerbock und Zbigniew Rau: Bei ihrem Treffen geht es unter anderem um Reparationsforderungen Foto: picture alliance/Christoph Soeder/dpa
Polens Reparationsforderungen
 

Die Raupe Nimmersatt aus Warschau

Die unendliche Geschichte der polnischen Reparationsforderungen an Deutschland geht weiter. Mit einer diplomatischen Note an Außenministerin Annalena Baerbock verleiht Warschau seinem Anliegen nun eine offizielle Form.
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Wer gern und freiwillig den Zahlmeister spielt, darf sich nicht wundern, wenn das Begehrlichkeiten weckt. Aber doch nicht solche! Das offizielle und offiziöse Deutschland war denn auch schockiert, als Polen rechtzeitig zum Jahrestag des Kriegsausbruchs 1939 eine Rechnung über 6,2 Billionen Złoty für Kriegsschäden an Berlin stellte. Die regierungsnahe Frankfurter Allgemeine Zeitung nannte die Forderung „Wahnsinn“. Unbescheiden ist sie in der Tat: Die umgerechnet 1.300 Milliarden Euro entsprechen dem Dreifachen des Bundeshaushaltes und könnten theoretisch nur bedient werden, wenn die Bundesbank ihre Target2-Forderungen an das Eurosystem an die Kollegen in Warschau abträte. Die Bundesregierung lehnte prompt ab, scheut sich aber, eine Gegenrechnung aufzumachen und aufzuzählen, was alles schon geleistet wurde.

Nun hat Warschau seine Forderung noch einmal untermauert. Außenminister Zbigniew Rau unterzeichnete am Sonntag anläßlich des Besuchs seiner deutschen Amtskollegin Annalena Baerbock eine diplomatische Note. „Sie bringt die Überzeugung des polnischen Außenministers zum Ausdruck, dass die Parteien unverzüglich Schritte zu einer dauerhaften, umfassenden und endgültigen rechtlichen und materiellen Regelung der Folgen der deutschen Aggression und Besatzung von 1939 bis 1945 einleiten sollten“, äußerte Rau.

Am Anfang der schier endlosen Geschichte um Reparationsforderungen stand einst der Potsdamer Vertrag vom Sommer 1945, der genaugenommen kein Vertrag war, sondern eine Zusammenfassung von Beschlüssen der Siegermächte, an denen Deutschland nicht beteiligt war. Die Lösung sah so aus, daß sich jeder aus seiner eigenen Besatzungszone bedienen sollte und daß die Sowjetunion aus ihrem Anteil die polnischen Reparationsansprüche befriedigen würde. Dazu kamen die deutschen Ostgebiete und damit ein Viertel des deutschen Staatsgebietes „unter polnische Verwaltung“, womit nichts anderes gemeint war als eine Annexion.

Nur den Briten ging eine Grenzziehung entlang der westlichen Neiße zu weit. Churchill wollte, wie er einmal sagte, die polnische Gans nicht überfüttern, konnte sich aber nicht durchsetzen. Damit hatte Polen, obwohl nicht der Aggressor, sein schon vor 1939 angedachtes Kriegsziel erreicht: die Erweiterung seines Territoriums nach Westen. In einem Dekret der polnischen Regierung vom 6. September 1946 war denn auch von der Besiedlung der „wiedererlangten Gebiete“ die Rede. In anderen Dekreten fand sich die Formulierung von „verlassenem“ oder „herrenlosem“ Gut zwecks Rechtfertigung der völkerrechtswidrigen Konfiszierung von deutschem Privateigentum.

Moskau und Warschau erklärten Sache 1954 für beendet

Danach war Warschau mit seiner territorialen Kriegsbeute und den Reparationen offenbar zufrieden und saturiert. Neue Ansprüche wurden zunächst nicht gestellt. Im Londoner Schuldenabkommen von 1953 verzichtete der polnische Staat auf weitere Kriegsentschädigung. Und zum 1. Januar 1954 erklärten sowohl Moskau als auch Warschau die Reparationen aus der Sowjetischen Besatzungszone für beendet.

Erst in den sechziger Jahren stellte sich die polnische Regierung auf den Standpunkt, polnische NS-Verfolgte und Zwangsarbeiter fielen nicht unter den Reparationsbegriff und müßten extra entschädigt werden. Bonn zahlte 1972 und dann noch einmal 1976 und überwies zusätzlich 1975 eine Milliarde D-Mark, damals sehr viel Geld, was die Regierung Gomułka mit der Erklärung honorierte, das „Entschädigungsproblem“ sei erledigt.

Bundeskanzler Willy Brandt zeigte sich großzügig, erinnerte Gomułka aber auch daran, daß Polen ein Drittel des deutschen Staatsgebietes bekommen habe und dazu das Eigentum der deutschen Vertriebenen von kaum mehr zu schätzendem Wert – eine Argumentation, die sich Berlin heute nicht mehr zutraut. Nach der Wiedervereinigung wurde wieder gezahlt, zuletzt aufgrund eines Abkommens vom 17. Juli 2000, das die Zwangsarbeiter, darunter viele Polen, entschädigte. Daß Warschau jetzt nachtritt, erklärt sich weitgehend, aber nicht vollständig aus der Machtübernahme der nationalkonservativen Kaczyński-Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) im Jahr 2015.

Belka: Entschädigungsansprechen „ein für allemal“ abgeschlossen

Aber schon am 10. September 2004 verabschiedete der Sejm nahezu einstimmig eine Resolution, die die Regierung aufforderte, die Kriegsschäden zu ermitteln. Polen habe noch keine angemessene Entschädigung erhalten. Ebenfalls 2004 erklärte Ministerpräsident Marek Belka in Richtung Deutschland, die Sache mit den Entschädigungsansprechen sei „ein für allemal“ abgeschlossen. Das war sie schon mehrmals und dann doch nicht.

Eine Geschichte, die auch damit zu tun hat, daß die Regierung Adenauer den Friedensvertrag, den sie gern gehabt hätte, nicht bekam, weil die USA Westdeutschland an der langen Leine halten wollten. Auch 1990 wurde im Zuge der Wiedervereinigung auf einen formellen Friedensvertrag verzichtet, dies durchaus im deutschen Interesse, weil Verhandlungen mit allen 55 Kriegsgegnern lange gedauert hätten und weil dann doch das lästige Reparationsthema wieder auf den Tisch gekommen wäre. Seitdem sieht die Bundesregierung im Zwei-plus-Vier-Vertrag den Ersatz für einen Friedensvertrag. Die jetzige polnische Regierung wiederum kann darauf verweisen, daß sie nicht beteiligt war und nichts unterschrieben hat. Die damalige Warschauer Administration hat allerdings auch nicht widersprochen.

Warschau will Narrativ der Täter- und Opferrollen zementieren

Bereits Ende des vergangenen Jahres hat Bundeskanzler Olaf Scholz in Warschau erklärt, daß die Reparationsfrage rechtlich abgeschlossen sei. Bei anderer Gelegenheit hat er auf die Transfers innerhalb der EU verwiesen. Diese sogenannten Nettozahlungen an Empfängerländer, von denen Polen seit dem EU-Beitritt exorbitant profitiert hat, werden seit 2021 von der Kommission nicht mehr veröffentlicht, weil sie angeblich von EU-Kritikern instrumentalisiert werden.

Nach Berechnungen der Nachrichtenagentur dpa waren es 2020 netto 19,4 Milliarden Euro, die Berlin als mit Abstand größter Einzahler an Brüssel überwiesen hat. Und es waren 12,4 Milliarden, die Warschau als größter Nettoempfänger aus Brüssel und damit indirekt zum großen Teil aus Deutschland verbuchen konnte. Für 2021 fehlen die Zahlen noch. Zu erwarten ist ein deutscher Rekordbeitrag, nachdem Großbritannien die EU verlassen hat. Außerdem haftet Deutschland für den größten Anteil am Wiederaufbaufonds der EU, der sich auf 750 Milliarden Euro zu Preisen von 2018 beläuft.

Auch hier wird Polen üppig bedacht werden. Bleibt die Frage, warum die Warschauer Regierung Reparationsgelder fordert, die sie nicht bekommen wird. Sie verspricht sich offenbar Vorteile davon, das moralisch höhere Gelände zu besetzen, indem sie das Narrativ von den Täter- und Opferrollen zementiert. Wenn Brüssel wieder einmal mit Geldentzug wegen angeblicher polnischer Rechtsverletzungen droht, wäre Schützenhilfe aus Berlin hochwillkommen.

JF 37/22

Die Außenminister von Deutschland und Polen, Annalena Baerbock und Zbigniew Rau: Bei ihrem Treffen geht es unter anderem um Reparationsforderungen Foto: picture alliance/Christoph Soeder/dpa
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