BERLIN. Die stellvertretende Parteivorsitzende der Grünen, Ricarda Lang, hat die EU-Pläne zur Einstufung der Atomkraft als nachhaltig scharf kritisiert. Das Vorhaben der EU „ist eine Form von Greenwashing, bei der wir nicht mitgehen sollten“, sagte sie am Montag im ARD-„Morgenmagazin“. Es müsse nun das Ziel sein, „über die die Bundesregierung aber natürlich auch über Kollegen im EU-Parlament, wo mit einfacher Mehrheit abgelehnt werden kann, Druck auszuüben, auf Verbesserungen hinzuwirken bei diesen Regeln zur Taxonomie“.
Die EU-Kommission plant derzeit, die Energiegewinnung aus Atom- und Erdgasanlagen als klimafreundlich einzustufen. Bis 2045 erteilte Genehmigungen für neue Atomkraftwerke sollen unter die sogenannte Taxonomieverordnung fallen, wodurch der Bau gefördert werden kann. Für Erdgasanlagen soll das bis 2030 gelten, berichtete die Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf einen Verordnungsentwurf der Brüsseler Behörde.
Dem Ansinnen von Lang widersprach hingegen der FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler. „Aus unserer Sicht wird es keine qualifizierte Mehrheit gegen den Vorschlag der Kommission zur Atomkraft geben, deswegen ist es richtig, an diesem Vorschlag weiterzuarbeiten“, sagte er der Welt.
FDP widerspricht Grünen
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) pflichtete Köhler bei. „Wir müssen jedenfalls innerhalb der Ampel einen Konsens darüber finden, wie wir den Ausgleich zwischen den Zielen der CO2-Reduktion und der stabilen Energieversorgung hinbekommen. Denkverbote jeglicher Art helfen dabei nicht weiter“, äußerte er gegenüber der Bild-Zeitung.
Auch der sozialdemokratische Bundestagsabgeordnete Ralf Stegner warf der EU-Kommission „Greenwashing“ vor. Ihr Vorgehen sei „ein Schlag ins Gesicht einer ambitionierten Klimaschutzpolitik“, schrieb der ehemalige stellvertretende SPD-Vorsitzende auf Twitter.
Empfehlungen der EU Kommission zum Umgang mit Atomenergie und Gas sind ein Schlag ins Gesicht einer ambitionierten Klimaschutzpolitik. Bei Gas ist Übergangslösung okay, wenn Ziele klar definiert werden. Bei Atomstrom ist das „Greenwashing“ abenteuerlich.
— Ralf Stegner (@Ralf_Stegner) January 3, 2022
„Verstrahlte Reaktionen von Atomfans auf allen Social Media Kanälen“ bestätigten demnach, was er dazu geschrieben habe, führte Stegner weiter aus. „Inhaltlich und im Ton stehen sie Impfgegnern, Corona-Leugnern und Rechtsradikalen kaum nach.“ Justizminister Marco Buschmann (FDP) sicherte dem grünen Koalitionspartner hingegen Unterstützung zu. Auch eine Klage nach österreichischem Vorbild schloß er im Gespräch mit der Welt nicht aus.
Meuthen lobt EU-Plan zur Atomkraft
Der AfD-Ko-Vorsitzende Jörg Meuthen lobte hingegen die Pläne der EU. „Meint man es ernst mit der Reduktion von CO2-Emissionen, ohne dabei Deindustrialisierung der Wirtschaft, Verarmung der Massen, Bevormundung der Bürger und eine Energiekrise in Kauf zu nehmen, kommt man an der Atomkraft definitiv nicht vorbei“, teilte er am Montag mit.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte bereits seine Ablehnung der Pläne der EU-Behörde kundgetan. „Die Vorschläge der EU-Kommission verwässern das gute Label für Nachhaltigkeit“, sagte Habeck am Samstag in Berlin. „Es hätte aus unserer Sicht diese Ergänzung der Taxonomie-Regeln nicht gebraucht. Eine Zustimmung zu den neuen Vorschlägen der EU-Kommission sehen wir nicht.“ Atomenergie als nachhaltig einzustufen, sei „bei dieser Hochrisikotechnologie falsch“. Dies sei „mehr als bedenklich“. (ag)