Bundesinnenministerin Nancy Faeser weist jegliche Kritik von sich. Nachdem bekanntgeworden war, daß sie als hessische SPD-Chefin einen Gastbeitrag für die Verbandszeitschrift antifa der linksextremen VVN-BdA geschrieben hatte, tat Faeser die Angelegenheit als böse Kampagne gegen sich ab. Mit keinem Wort ging sie hingegen auf den Stein des Anstoßes ein: die VVN-BdA.
Die von der „Jungen Freiheit“, der AfD und anschließend der BILD-Zeitung und CDU-Abgeordneten erhobenen Vorwürfe sind durchschaubar. Ich habe immer klare Kante gegen Rechtsextremismus und alle Feinde der offenen Gesellschaft gezeigt – und werde das auch weiterhin tun.
— Nancy Faeser (@NancyFaeser) February 6, 2022
Wohl aus gutem Grund. Denn wie Recherchen der JUNGEN FREIHEIT zeigen, muß Faeser durchaus gewußt haben, mit wem sie es zu tun hatte, als sie in der antifa ihren Gastbeitrag veröffentliche. Sie hatte es sogar schwarz auf weiß. Als Drucksache des hessischen Landtags.
Als der VVN-BdA 2019 zeitweise die Gemeinnützigkeit aberkannt worden war, erkundigte sich Faeser mit ihrer Fraktion beim hessischen Finanzministerium. Unter anderem fragte sie, welchen gesellschaftlichen Stellenwert die Landesregierung der Vereinigung zumesse. Da Faeser damals Fraktionschefin war, wird ihr Name auf der Anfrage als erstes aufgeführt.
Die Antwort vom 3. Juli 2020 fiel eindeutig aus: „Die ‘Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten’ (VVN-BdA) gilt als eine der ältesten Organisationen im Themenfeld des Antifaschismus und wird vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hessen als linksextremistisch beeinflusst bewertet.“
Eindeutige Beurteilung
Das hielt Faeser allerdings nicht davon ab, genau ein Jahr später für das Verbandsmagazin der VVN-BdA zur Feder zu greifen.
Auch aus einer weiteren Drucksache des hessischen Landtags geht hervor, wie die Landesregierung die VVN-BdA einstuft. Im August 2017 hatte der FDP-Abgeordnete Wolfgang Greiflich die Landesregierung gefragt, welche Demonstrationen unter Beteiligung linksextremer Gruppen ihr bekannt seien.
Im Januar 2018 antwortet ihm das hessische Innenministerium und führt eine ganze Reihe entsprechender Kundgebungen auf. Darunter auch 14 Veranstaltungen, bei denen die VVN-BdA als beteiligte „linksextreme Gruppierung“ aufgeführt wurde, teilweise im Verbund mit Parteien wie der DKP oder der MLPD.
Hätte Faeser in ihrer Zeit als Fraktionschefin der SPD im hessischen Landtag zudem einmal einen Blick in die Jahresberichte des Landesamts für Verfassungsschutz geworfen, wäre sie vielleicht bei der VVN-BdA doch ins Grübeln gekommen. Noch im Bericht für das Jahr 2018 erwähnt der Verfassungsschutz im Kapitel Linksextremismus die Organisation. Deren Bundesvorsitzende habe auf dem Parteitag der DKP neben Gästen aus China und der sozialistischen Republik Vietnam „die enge Verbundenheit zwischen seiner Organisation und der DKP“ betont.
Der rechtsextreme Staat als Verfolger
Auch die vergangene Bundesregierung aus Union und SPD wußte noch im Mai 2020 auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion über die VVN-BdA zu berichten, Verwaltungsgerichte hätten „abschließend und rechtskräftig beschieden“, daß es „inhaltliche Verbindungen des VVN-BdA und Personenidentitäten in den Führungsstrukturen mit den von den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder als linksextremistisch eingeordneten Vereinigungen“ gebe.
Zurück zur Ausgabe der antifa vom Juli 2021, in der Faesers Gastbeitrag erschien. Darin findet sich auch ein Interview mit einem sächsischen VVN-BdA-Mitglied zum Prozeß gegen Lina E. Die 26jährige muß sich derzeit vor dem Oberlandesgericht Dresden wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung „militanter linksextremistischer Ideologie“ und gemeinsam verübter gewaltsamer Übergriffe auf Angehörige der rechtsextremen Szene verantworten.
In der antifa wird suggeriert, Lina E.s Verhaftung stehe im Zusammenhang mit „aufgedeckten rechten Strukturen bei Polizei und Militär“. Der Interviewpartner fährt fort: „Es ist doch so: Staatliche Strukturen sind aus der extremen Rechten nicht wegzudenken.“ Antifaschistischer Selbstschutz sei daher wichtiger denn je „gegen die Bedrohung durch Neonazis und angesichts der Verwicklungen und der Tatenlosigkeit der staatlichen Behörden“. Als VVN-BdA stelle man sich daher entschieden gegen solche Maßnahmen wie die Verhaftung der mutmaßlichen Linksterroristin.
Dem pflichtet die antifa bei: „Das Muster solcher Verfahren ist schon lange bekannt: Es wird ein Bedrohungsszenario aufgebaut, indem schwere Tatvorwürfe gegen Linke erhoben werden“, heißt es zu dem Prozeß gegen Lina E.
Daß Faeser angesichts solcher Einlassungen die Kritik an ihrem Beitrag in der Zeitschrift nicht nachvollziehen kann, wirft mehr Fragen auf, als ihr lieb sein dürfte.