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Frank-Walter Steinmeier: Eine Sternstunde verglüht

Frank-Walter Steinmeier: Eine Sternstunde verglüht

Frank-Walter Steinmeier: Eine Sternstunde verglüht

Steinmeier
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Frank-Walter Steinmeier imm Dezember 2015 bei seinem Besuch als Außenminister in Bagdad Foto: picture alliance / photothek | Michael Gottschalk
Frank-Walter Steinmeier
 

Eine Sternstunde verglüht

Am Sonntag wird der neue Bundespräsident gewählt. Es wird mit Sicherheit wieder der, der das Amt bereits innehat. Doch obwohl die Mehrheit für ihn in der Bundesversammlung eine satte ist, darf Frank-Walter Steinmeier im Vorfeld nicht beschädigt werden. Auch nicht durch den kleinsten Kratzer – aus der Feder eines früheren Untergebenen.
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Wenn es so etwas wie eine Hierarchie der Ministerien gibt, dann rangiert das Auswärtige Amt weit oben, direkt hinter dem Kanzleramt. Das AA mit seinem Sitz am Werderschen Markt verfügt über eine lange Tradition, es heißt noch genauso wie zur Zeit Bismarcks.

Doch das Außenministerium versteht sich heute als moderner Mittler des neuen, liberalen und offenen Deutschland. Außenpolitik sei auch eine zivilgesellschaftliche Aufgabe. Der Welt zeigen, „daß in der Vielfalt von Meinungen und Ideen die eigentliche Kraft und Kreativität einer Gesellschaft steckt“, so hat Frank-Walter Steinmeier in seiner Zeit an der Spitze des AA einmal dieses Selbstverständnis beschrieben.

Im Inneren dagegen scheint man die Vielfalt der Meinungen offenbar nicht ganz so zu schätzen und es eher mit einer Autorität à la 19. Jahrhundert zu halten. Darauf deutet jedenfalls jene Posse, die sich rund um die aktuelle Ausgabe der Mitarbeiterzeitschrift intern AA zugetragen hat.

Für die sollten die Kollegen im diplomatischen Dienst einmal selbst zur Feder greifen und Erlebtes schildern, an das man sich aus welchen Gründen auch immer erinnert. Das Ganze würde dann unter dem Titel „Sternstunden im Auswärtigen Amt“ in der Februar-Ausgabe der intern AA erscheinen.

Er landete, konferierte und flog wieder ab

Kurz bevor die in den Druck gehen sollte, hieß es jedoch „Stop!“. Und zwar, so der Flurfunk im AA, auf Anweisung von oben – in Gestalt der stellvertretenden Abteilungsleiterin Personal, die gefordert habe, mehrere Beiträge aus dem – fast – fertigen Heft wieder zu entfernen.

Einer der betroffenen Artikel, die der Zensur durch die Leitungsebene zum Opfer fielen, handelte von einem Erlebnis im Bagdad des Jahres 2015. Zu dieser Zeit dort in der deutschen Botschaft zu arbeiten, war nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig, glaubt man den Schilderungen. Weniger als zwei Handvoll Mitarbeiter des Auswärtigen Amts taten auf engstem Raum Dienst, die Sicherheitslage war äußerst angespannt. Täglich gab es Anschläge, und die schwerbewaffneten Terrormilizen des Islamischen Staates wüteten nicht weit entfernt.

Logisch, daß unter diesen Umständen an eine abwechslungsreiche Freizeitgestaltung nicht zu denken war und sich der Dienstalltag eher trist gestaltete. Jede Abwechslung ist da willkommen, und man kann sich vorstellen, wie sich das Botschaftspersonal gefreut haben muß, als es wenige Tage vor Weihnachten hieß: der Außenminister kommt. Die Gelegenheit, dem Chef persönlich einmal die schwierige Lage vor Ort und sozusagen aus erster Hand zu schildern.

Und dann das: Der höchste deutsche Diplomat – seinerzeit der bereits eingangs zitierte Frank-Walter Steinmeier – kam aus Berlin, landete in Bagdad, konferierte dort kurz – und flog wieder ab. Kein Händeschütteln mit „seinen“ Leuten in der irakischen Hauptstadt, kein Dankeschön; keinen Christstollen, nicht einmal Plätzchen habe der hohe Besucher mitgebracht, so der Erlebnisbericht …  „Ein Onkel, der was mitbringt, ist besser als eine Tante, die Klavier spielt“, heißt es bei Wilhelm Busch. Steinmeier hat sich daran mit Blick auf seine Mitarbeiter nicht orientiert.

„Überlegenheit durch Selbstkritik“

Die Enttäuschung von damals blieb offenbar im Gedächtnis haften. Man erinnert sich ja nicht nur an positive Ereignisse. Und die Aufgabenstellung war schließlich nicht auf schöne Sternstunden beschränkt. Doch die Abteilung 1-B-1 sah da offensichtlich ein Problem, den Text in der intern AA wiederzugeben.

Warum? Dazu gibt es keine offizielle Begründung. Denn, so eine Sprecherin, es handele sich dabei um interne Herstellungsprozesse. Bestätigt wird aber, daß mehrere eingesandte Texte nicht gedruckt werden konnten – „aus unterschiedlichen Gründen“. Es werde jedoch einen zweiten Teil zum Thema „Sternstunden im Auswärtigen Amt“ geben, in der weitere Beiträge veröffentlicht werden. Welche das dann sind, sei „eine Redaktionsentscheidung“.

Unter der Hand ist jedoch davon die Rede, in dem fraglichen, aus der Februar-Ausgabe entfernten Text komme Steinmeier zu schlecht weg. Und seitens der Hausleitung hatte man offenbar die Sorge, dies könne sich negativ auswirken – so kurz vor der anstehenden Bundesversammlung, die den damaligen Minister und jetzigen Bundespräsidenten erneut zum Staatsoberhaupt küren soll. Nach dem Motto: Der oberste Kümmerer des Landes offenbarte sich gegenüber seinen Untergebenen als unempathischer Bürokrat – wie sähe das denn aus?

Verständlicherweise ist nach dieser Zensur von oben die Stimmung bei manchem im Amt nun in etwa so gut wie bei den deutschen Diplomaten, die der erhoffte Weihnachtsmann-Minister in Bagdad einst links liegen ließ. Von „betreuter Meinungsfreiheit“ ist schon die Rede …

„Die Überlegenheit der liberalen Demokratie beweist sich am Ende nicht in ihrem Sendungsbewußtsein, sondern auch in ihrer Fähigkeit zur Selbstkritik.“ Das sagte in jenem Jahr 2015 Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Er wird am Sonntag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder zum Bundespräsidenten gewählt. Ein (selbst)kritisches Fleckchen auf seiner Weste wurde ja noch rechtzeitig entfernt.

Frank-Walter Steinmeier imm Dezember 2015 bei seinem Besuch als Außenminister in Bagdad Foto: picture alliance / photothek | Michael Gottschalk
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