BERLIN. Der SPD-Religionspolitiker Lars Castellucci hat die Abschaffung der staatlichen Leistungen an die beiden großen deutschen Kirchen gefordert. „Wir sollten diese Wahlperiode nutzen, um die Ablösung der Staatsleistung endlich einzuleiten“, sagte er am Donnerstag der Zeit. Castellucci schlug zu diesem Zwecke eine Kommission aus Bund, Ländern, Kirchen und Fachleuten vor. Dabei brachte er eine Ablösesumme in Höhe von mehreren Milliarden Euro ins Spiel. Bisher zahlt der deutsche Staat 500 Millionen Euro pro Jahr an die evangelische und katholische Kirche.
Es sei „peinlich, sich immer wieder als Politiker vorwerfen lassen zu müssen, das Grundgesetz in diesem Punkt zu mißachten“, führte der Sozialdemokrat weiter aus. Außerdem sprach sich Castellucci dafür aus, den Staat künftig stärker in die Aufarbeitung von Mißbrauchsfällen bei den Kirchen einzubinden. Dafür solle die Arbeit der Aufarbeitungskommission und des unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmißbrauchs gesetzlich verankert werden. Beide existieren bisher nur durch bloßen Kabinettsbeschluß.
Kommission soll Mißbrauchs-Aufarbeitung in Kirchen überwachen
Zusätzlich dazu solle die Aufarbeitungskommission mehr Ressourcen erhalten und einer Berichtspflicht an den Bundestag unterliegen. Außerdem solle sie die Aufarbeitungsbemühungen der Kirchen bewerten. „Sie würde das Testat ausstellen – oder es eben verweigern.“ Wie bisher könne es aber nicht weiter gehen. „Wenn die Kirchen das Ruder nicht herumgedreht bekommen, schaffen sie sich noch selbst ab“, betonte der bekennende Protestant.
Die staatlichen Zahlungen an die beiden großen deutschen Kirchen gehen bis ins 19. Jahrhundert zurück. Seit der Weimarer Republik wurden Versuche unternommen, sie durch neue staatskirchenrechtliche Regelungen abzulösen. (fw)