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Hannover: Rechtsgutachten sieht Gender-Pflicht für Behörden

Hannover: Rechtsgutachten sieht Gender-Pflicht für Behörden

Hannover: Rechtsgutachten sieht Gender-Pflicht für Behörden

Genderstern: Die Rechtswissenschaftlerin Ulrike Lembke leitet aus dem Grundgesetz die Pflicht staatlicher Behörden ab, sich „geschlechtergerecht“ auszudrücken
Genderstern: Die Rechtswissenschaftlerin Ulrike Lembke leitet aus dem Grundgesetz die Pflicht staatlicher Behörden ab, sich „geschlechtergerecht“ auszudrücken
Genderstern: Die Rechtswissenschaftlerin Ulrike Lembke leitet aus dem Grundgesetz die Pflicht staatlicher Behörden ab, sich „geschlechtergerecht“ auszudrücken Foto: picture alliance/Sebastian Gollnow/dpa
Hannover
 

Rechtsgutachten sieht Gender-Pflicht für Behörden

Ein Rechtsgutachten will Stadtverwaltungen und Gerichte zum Gebrauch von Gender-Sprech verpflichten. Aus dem Grundgesetz leite sich der Auftrag des Staates ab, zu einer „gerechten Gestaltung der Geschlechterverhältnisse“ in der Gesellschaft beizutragen.
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HANNOVER. Die Rechtswissenschaftlerin der Humboldt-Universität Berlin, Ulrike Lembke, hat den Gebrauch von Gender-Sprache in Behörden nicht nur als zulässige Möglichkeit, sondern als eine aus dem Grundgesetz abgeleitete Pflicht bewertet. Der Auftrag zur „sprachlichen Nichtdiskriminierung besteht von Verfassung wegen und kann durch gesetzliche Regelungen oder durch Verwaltungsvorschriften, Erlasse und Weisungen konkretisiert werden“, heißt es in einem von der Stadt Hannover beauftragten Rechtsgutachten der Juristin, das der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorliegt.

Hintergrund ist die Diskussion über Sprachvorgaben in der Verwaltung der niedersächsischen Hauptstadt. Hannover hatte als erste deutsche Stadt beschlossen, sich künftig nur noch „geschlechtsumfassend“ auszudrücken und Begriffen wie Rednerpult oder Wähler durch die Formulierungen „Redepult“ und „Wählende“ zu ersetzen. Auch auf die Anrede „Sehr geehrte Damen und Herren“ sollten Mitarbeiter verzichten, um Personen nicht zu diskriminieren, die sich nicht als Mann oder Frau identifizieren.

Für diesen Beschluß habe die Stadt viele negative Rückmeldungen erhalten, schilderte Hannovers Gleichstellungsbeauftragte Friederike Kämpfe (Grüne) der FAZ. Viele Bürger hätten Zweifel daran geäußert, ob die Entscheidung der Verwaltung überhaupt rechtmäßig sei, weil Gendersprache gegen die deutsche Grammatik verstoße.

Lembke: Männer müssen sprachlich „de-privilegiert“ werden

Lembke stützt sich bei ihrer Einschätzung auf Artikel 3 des Grundgesetzes, in dem es unter anderem heißt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“

Die Professorin, die auch Gender-Studies lehrt, sieht darin den Auftrag zu einer „überfälligen De-Privilegierung“ von Männern. „Das Grundrecht auf Gleichberechtigung ist ein zu Gunsten von Frauen wirkendes, antipatriarchales Verbot, von der gesellschaftlich dominanten Gruppe der Männer unterdrückt zu werden“, führt Lebmke in ihrem Gutachten aus.

Auch Gerichte sollen gendern

Dabei gehe es nicht nur um Nachteile, die an Rollenbilder geknüpft würden, sondern auch um die Überwindung von „benachteiligenden Geschlechterrollen“ als solchen. Der Staat müsse durch den Gebrauch von Gender-Sprache zu einer „gerechten Gestaltung der Geschlechterverhältnisse“ in der Gesellschaft beitragen.

Neben Stadtverwaltungen seien ihrer Ansicht nach auch Gerichte und weitere staatsnahe Einrichtungen in der Pflicht, sich „geschlechtergerecht“ auszudrücken. Urteile, die Gender-Sprache in der Vergangenheit eine Absage erteilt hätten, hält sie für falsch. Der Bundesgerichtshof gestattete es der Sparkasse etwa, auch weibliche Kunden auf den Formularen als „Kontoinhaber“ zu adressieren, weil das generische Maskulinum auch Frauen einschließe.

Generisches Maskulinum verlange Anpassung von Frauen

Durch die grammatikalische Kollektivform werde das marginalisierte weibliche Geschlecht weiterhin strukturell unsichtbar gemacht, kritisiert Lebmke. Die Forderung, sich ständig mitgemeint fühlen zu sollen, verlange von den Frauen eine „beständige Anpassungsleistung“. Dies gelte auch für Trans- und Intersexuelle, wenn lediglich zwei Geschlechter zur Auswahl stünden.

Seit März 2020 ist Lembke Richterin am Verfassungsgericht Berlin. Die Fraktion der Linkspartei des Landes hatte sie für den Posten nominiert. (zit)

Genderstern: Die Rechtswissenschaftlerin Ulrike Lembke leitet aus dem Grundgesetz die Pflicht staatlicher Behörden ab, sich „geschlechtergerecht“ auszudrücken Foto: picture alliance/Sebastian Gollnow/dpa
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