BERLIN. Das Auswärtige Amt hat vor einer steigenden Zahl von afghanischen Migranten auch in Deutschland gewarnt. „Es ist naiv zu glauben, daß der Vormarsch der Taliban und die Gewalt in der Kriegsregion keine migrationspolitischen Folgen hat“, sagte der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Niels Annen (SPD), am Donnerstag den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Taliban-Offensive und ihre Folgen würden noch mehr Menschen zur Flucht bewegen als in den vergangenen Jahren.
„Die Auswirkungen werden wir auch in Deutschland spüren, wenn auch noch nicht in den kommenden Wochen“, ergänzte Annen. Deutschland sei für Afghanen „ein attraktives Zielland“. Dies habe auch damit zu tun, daß hierzulande bereits eine große afghanische Gemeinde lebe. Hunderttausende Migranten machten sich aber vor allem nach Kabul oder in die Nachbarstaaten Iran und Pakistan auf. „Hier muß die internationale Gemeinschaft helfen, die Geflüchteten vor Ort in den Nachbarländern und in den sicheren Regionen Afghanistans bestmöglich zu versorgen“, fügte der SPD-Politiker hinzu.
Bereits zuvor hatte die Entwicklungshelferin Sybille Schnehage vor einer Migratisonswelle von mehreren Millionen Afghanen nach Europa gewarnt. „Man kann davon ausgehen, daß sich in absehbarer Zeit bis zu drei Millionen Afghanen auf den Weg nach Europa machen.“ Schnehage, die das humanitäre Hilfsprojekt Katachel für Afghanistan gründete, äußerte, Afghanen wollten lieber nach Deutschland kommen, als beispielsweise in das ebenfalls islamische Saudi-Arabien.
Bundesinnenministerium setzt Abschiebungen aus
Das Bundesinnenministerium hatte am Mittwoch bekanntgegeben, aufgrund der aktuellen Sicherheitslage vorerst keine Afghanen mehr abzuschieben. „Sobald es die Lage zuläßt, werden Straftäter und Gefährder wieder nach Afghanistan abgeschoben.“ Bereits Anfang der Woche hatte das Innenministerium einen Abschiebeflug nach Afghanistan kurzfristig abgesagt.
Eigentlich sollten am Dienstag abend vergangener Woche sechs Migranten von München nach Kabul gebracht werden. Aufgrund von Explosionen in der afghanischen Hauptstadt an dem Tag habe die Behörde die Ausreise der Männer, unter denen auch Straftäter sind, aber verschoben, wie eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums der JUNGEN FREIHEIT auf Nachfrage bestätigte. (ls)