DRESDEN. Mehrere Oberbürgermeister und Veranstalter haben mit scharfer Kritik auf den Appell von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) reagiert, Weihnachtsmärkte abzusagen. „Im Falle einer Absage prüfen wir Schadensersatzansprüche gegen den Freistaat“, sagte der parteilose Freiberger Oberbürgermeister Sven Krüger der Bild-Zeitung. „Die Händler haben sich in Treu und Glauben an die öffentlichen Zusagen der Politik mit Waren und Produkten eingedeckt“, ergänzten die Oberbürgermeister von Dresden und Chemnitz, Dirk Hilbert (FDP) und Sven Schulze (SPD).
Mehrere Händler zeigten sich empört. „Eine Absage wäre für mich ein Genickbruch. Die Ware ist geordert, die Mitarbeiter sind eingestellt. Ich bin außer mir. Andere Händler rufen mich an und heulen. Fair wäre es gewesen, wenn die Politik gesagt hätte, wir setzen noch einmal aus und unterstützen euch beim Überleben. Ich sitze auf 8.000 Litern Glühwein“, zitierte das Blatt einen Händler.
Ein anderer sagte: „Selbst wenn ein Marktbetreiber aus Corona-Bedenken absagen wollte, würde er dafür von der Stadt eine Strafe kassieren – weil im Konzessionsvertrag die Durchführung verpflichtend geregelt ist. Wir sind die total letzten Looser.“
Corona-Inzidenz liegt in Sachsen bei 569
Kretschmer hatte zuvor angesichts der neuen Höchststände an Corona-Infizierten an die Kommunen und Städte im Freistaat appelliert, die Weihnachtsmärkte abzusagen. „Man kann sich doch nicht vorstellen, daß man auf dem Weihnachtsmarkt steht, Glühwein trinkt und in den Krankenhäusern ist alles am Ende und man kämpft um die letzten Ressourcen“, sagte der Christdemokrat dem Sender ntv.
Er bat die zuständigen Bürgermeister und Landräte, die entsprechende Entscheidung vor Ort zu treffen und sagte ihnen Unterstützung zu. „Wir sollten ihnen das klare Signal geben, ihr habt Recht, trefft diese schwere Entscheidung.“
Laut dem Robert-Koch-Institut lag die Sieben-Tage-Inzidenz in Sachsen am Freitag morgen bei 569. Bundesweit beträgt sie 264.
Bayern ruft wegen Corona Katastrophenfall aus
Zugleich richtete Kretschmer Kritik an die Parteien der möglichen Ampelkoalition, SPD, FDP und Grüne, nicht schnell genug zu reagieren. „So wie die neue Regierung, die sich jetzt aufmacht, agiert, ist es viel zu langsam. Ich finde, das ist ein schuldhaftes Zögern, was dieser Situation in Deutschland in keiner Weise gerecht wird.“
Nach Kretschmers Willen sollte die Entscheidung über den Gesetzentwurf der möglichen neuen Bundesregierung zur Corona-Pandemie schon vor dem 25. November erfolgen. Der Entwurf sieht unter anderem eine 3G-Regelung am Arbeitsplatz vor.
Unterdessen rief Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in dem Freistaat wegen der hohen Corona-Zahlen den Katastrophenfall aus. „Die Krankenhäuser sind voll. Sie sind maximal am Limit und emotional extrem gefordert. Nun sollen in Bayern alle freien Betten in Krankenhäusern aktiviert werden. Zu diesem Zweck soll den Kliniken eine Freihaltepauschale von 300 Euro gezahlt werden.
Stiko-Mitglied will Lockdown für alle
Zudem warb Söder erneut für die Ausweitung der 2G-Regel in ganz Bayern. „Wir werden das unserem Koalitionspartner vorschlagen“, kündigte Söder laut der Bild-Zeitung an. Das bedeute quasi einen Lockdown für Ungeimpfte.
Demgegenüber forderte das Mitglied der Ständigen Impfkommission, Klaus Überla, gegenüber der Nürnberger Nachrichten starke gesellschaftliche Einschränkungen für alle Bürger. „Wir brauchen einen Notschalter, falls die Intensivstationen wirklich zusammenbrechen sollten. Das kann ein Lockdown sein.“ Denn ob eine flächendeckende 2G-Regel ausreiche, sei unsicher.
Ähnlich äußerte sich auch Kretschmer. „Einen Lockdown kann man nicht ausschließen! Was machen Sie denn, wenn die Krankenhäuser nicht mehr können? Dann muss es dieses Instrument geben, um noch Schlimmeres zu verhindern“, sagte er am Donnerstag abend in der ZDF-Sendung „Maybritt Illner“. Er warnte davor, anderenfalls in eine Situation wie im italienischen Bergamo im vergangenen Jahr zu kommen. Dort waren die zahlreichen Corona-Toten mit Militär-LKWs aus der Stadt gebracht worden.
Unterdessen sprach sich die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) dafür aus, sich sicherheitshalber privat nur noch mit Geimpften zu treffen. „Empfehlung privat: Kontakt nur mit Geimpften“, twitterte die Politikerin am Donnerstag. Alle noch nicht Geimpften müßten sich jetzt sofort impfen lassen. Auch die 2G-Regelung müsse nun weiträumig eingeführt werden.
Inzidenz mit hoher Dynamik (+33 % 7T) ist auch Frühindikator für Intensivpatienten. 2G umfassend ist erforderlich. Ob es reicht, hängt davon ab: Alle (ab 12J !!) Nicht-Geimpfte: Impfung jetzt! Nach 6 Monaten: Booster-Impfung! Empfehlung privat: Kontakt nur mit Geimpfte! pic.twitter.com/F38WhYrzwc
— Dilek Kalayci (@dil_kal) November 11, 2021
(ls/ag)