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Handreichung von Intensivmedizinern: Was passiert, wenn die Intensivbetten knapp werden?

Handreichung von Intensivmedizinern: Was passiert, wenn die Intensivbetten knapp werden?

Handreichung von Intensivmedizinern: Was passiert, wenn die Intensivbetten knapp werden?

Intensivstation in römischem Krankenhaus
Intensivstation in römischem Krankenhaus
Intensivpfleger betreuen Coronapatienten in Rom Foto: picture alliance/Pressebildagentur ULMER
Handreichung von Intensivmedizinern
 

Was passiert, wenn die Intensivbetten knapp werden?

Es ist eine Horrorvorstellung: Plötzlich werden so viele Kranke eingeliefert, daß die Betten knapp werden. Ärzte müssen entscheiden, wer behandelt wird und wer nicht. Vor solchen Entscheidungen könnten wegen der Coronakrise bald auch Ärzte in Deutschland stehen. Medizinische Fachgesellschaften haben deshalb eine Handlungsempfehlung für solche Fälle herausgegeben.
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Es ist eine Horrorvorstellung: Plötzlich werden so viele Kranke eingeliefert, daß die Betten in den Krankenhäusern knapp werden. Ärzte müssen entscheiden, wer behandelt wird und wer nicht. Für alle Beteiligten, für Mediziner, Angehörige und natürlich die Patienten selbst eine folgenschwere und belastende Situation.

Wegen der zunehmenden Ausbreitung der von dem Coronavirus ausgelösten Lungenkrankheit Covid-19 wird die Frage, wer im Zweifel überleben darf, brandaktuell. Weltweit sorgten die Aussagen von Ärzten in der von dem Virus schwer betroffenen italienischen Region Lombardei für Schlagzeilen, wonach sie nicht mehr jedem Patienten die nötige intensivmedizinische Betreuung bieten konnten. Zuletzt schilderten auch Franzosen und Spanier ähnliche Probleme.

Vor solchen Entscheidungen könnten bald auch Ärzte in Deutschland stehen. „Nach aktuellem Stand der Erkenntnisse zur Covid-19-Pandemie ist es wahrscheinlich, daß auch in Deutschland in kurzer Zeit und trotz bereits erfolgter Kapazitätserhöhungen nicht mehr ausreichend intensivmedizinische Ressourcen für alle Patienten zur Verfügung stehen“, schreiben sieben fachmedizinische Gesellschaften in einer am gestrigen Mittwoch veröffentlichten Handreichung.

Wann eine intensivmedizinische Versorgung abgelehnt wird

Demnach sollen Ärzte auf Basis der medizinischen Indikationen und des Patientenwillens entscheiden. Heißt: Eine Intensivtherapie erfolgt nicht, „wenn

  • der Sterbeprozeß unaufhaltsam begonnen hat,
  • die Therapie als medizinische aussichtslos eingeschätzt wird, weil keine Besserung oder Stabilisierung erwartet wird, oder
  • ein Überleben an den dauerhaften Aufenthalt auf der Intensivstation gebunden wäre“.

Zudem solle eine Behandlung auf der Intensivstation nicht erfolgen, wenn Patienten dies nicht wollen. „Dies kann auf der Grundlage des aktuell geäußerten, erklärten (z.B. in einer Patientenverfügung), früher mündlich geäußerten oder mutmaßlichen Willens erfolgen.“

In Deutschland gab es vor der Coronakrise rund 28.000 Plätze auf Intensivstationen. Zwar stockten die Krankenhäuser die verfügbaren Betten auf und wurden von Bund und Ländern angewiesen, nicht zwingend notwendige Behandlungen zu verschieben. Die Fachvereinigungen und Experten gehen dennoch davon aus, daß die Plätze auf dem Höhepunkt der Virusausbreitung nicht ausreichen könnten.

Unmißverständliche Empfehlungen

„Wenn nicht mehr alle kritisch erkrankten Patienten auf die Intensivstation aufgenommen werden können, muß analog der Triage in der Katastrophenmedizin über die Verteilung der begrenzt verfügbaren Ressourcen entschieden werden“, heißt es in der Handlungsempfehlung mit dem Titel „Entscheidungen über die Zuteilung von Ressourcen in der Notfall- und der Intensivmedizin im Kontext der COVID-19-Pandemie“ unmißverständlich.

Priorität hätten demnach diejenigen Patienten, die die beste klinische Erfolgsaussicht haben. Die Mediziner betonen: Dabei handle es ich nicht um eine Entscheidung im Sinne der „best choice“, sondern um „den Verzicht auf Behandlung derer, bei denen keine oder nur eine sehr geringe Erfolgsaussicht besteht“.

Eine solche Entscheidung solle jedoch nicht allein getroffen werden, sondern nach dem „Mehraugen-Prinzip“ erfolgen. Idealerweise sollten zwei intensivmedizinisch erfahrene Ärzte, ein Vertreter des Pflegepersonals und ein weitere Fachvertreter eingebunden werden.

Explizit betonen die Fachgesellschaften, daß die Priorisierung immer „zwischen allen Patienten, die der Intensivbehandlung bedürfen, erfolgen (soll), unabhängig davon, wo sie gerade versorgt werden“. Nicht vertretbar und nicht zulässig sei, „nur innerhalb der Gruppe der Covid-19-Erkrankten“ oder „allein aufgrund des kalendarischen Alters oder aufgrund sozialer Kriterien“ zu entscheiden.

Mediziner fordern Debatte

Solche Verfahren zur Priorisierung in der Medizin sind bislang aus Katastrophenfällen bekannt. Eine Triage, auch Einteilung oder Ersteinschätzung genannt, wird in Deutschland heute vor allem in der Notaufnahme oder an Unfallorten angewandt. Gibt es beispielsweise eine Massenkarambolage auf der Autobahn mit mehreren Schwerverletzten, entscheidet der erste Notarzt am Unfallort, wer als erster in den Krankenwagen darf. Hierbei spielt meistens die Überlebenschance des Schwerverletzten die maßgebliche Rolle.

Neu wäre im Fall von Covid-19 jedoch die flächendeckende Belastung. Denn mittlerweile sind alle Bundesländer betroffen. Ein Ausweichen auf Intensivbetten in anderen Ländern könnte nicht mehr möglich sein. Wohl auch darum wissend, fordern die Fachvereinigungen, zu denen unter anderem die „Deutsche Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin“, die „Deutsche Gesellschaft für Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin“ sowie die „Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin“ gehören, ausdrücklich eine Diskussion um ihre Handlungsempfehlung.

Intensivpfleger betreuen Coronapatienten in Rom Foto: picture alliance/Pressebildagentur ULMER
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