BERLIN. Erklären statt Tilgen – unter diesem Motto hat die AfD-Bundestagsfraktion eine Alternative zur gängigen Praxis der Straßenumbenennung gefordert. Immer öfter würden in Städten „die Namen von Persönlichkeiten aus der deutschen Geschichte von den Schildern unserer Straßen, Plätze und Gebäude verschwinden“, kritisieren die Oppositionspolitiker. Diese Auslöschung der Erinnerung betreffe mittlerweile nicht mehr nur Namensgeber, die in der Zeit des Nationalsozialismus gelebt haben wie die Schriftstellerin Agnes Miegel oder der Jagdflieger Werner Mölders, sondern weiter zurückreichend auch Persönlichkeiten etwa aus der preußischen Geschichte.
In einem am Donnerstag vorgestellten Positionspapier plädiert der Arbeitskreis für Kultur und Medien der Fraktion dafür, diese Praxis zu beenden und stattdessen die herkömmlichen Bezeichnungen beizubehalten, aber mit zusätzlichen Hinweisschildern auf den historischen Kontext der Namensgeber zu ergänzen. Gerade angesichts der aktuellen „Bilderstürme und Denkmalstürze“ sei eine „gelassenere und überlegtere Vorgehensweise angebracht“, meinte der kulturpolitische Sprecher der Fraktion, Marc Jongen.
Mit Hinweisschildern den zeitlich-politischen Kontext klarmachen
Auch Erinnerungskulturen veränderten sich, betonte der Abgeordnete und kritisierte, daß „hypermoralische Maßstäbe unserer Zeit“ an Persönlichkeiten früherer Jahrhunderte angelegt würden. Dem Trend, Namen, die heute als anstößig gelten, politisch korrekt zu ersetzen, hält die AfD ihren Ansatz des „integralen Historismus“ entgegen. Mit entsprechenden Hinweisschildern könne der zeitlich-politische Kontext klargemacht werden. So würde verhindert, daß „durch vorschnelle, dem Zeitgeist geschuldete Bewertungen die Namensgeber“ aus dem historischen Bewußtsein verdammt werden.
Jongens Kollege Götz Frömming ergänzte, daß erste Anregungen für das Positionspapier aus der Lokalpolitik kamen. So hätten Gewerbetreibende und Anwohner des Afrikanischen Viertels im Berliner Stadtteil Wedding gegen die beschlossene Änderung der dortigen Straßennamen protestiert. Betroffen von der geplanten Umbenennung sind vor allem Namensgeber, die dem Bezirk zufolge während der Kolonialzeit im Kaiserreich für eine menschenverachtende Behandlung der afrikanischen Zivilbevölkerung verantwortlich gemacht werden.
Zweck des Papiers sei nun unter anderem, Betroffenen und Kritikern der Umbenennungen Argumente an die Hand zu geben, da die Verteidiger der überkommenen Straßennamen angesichts der „moralische Überwältigungsargumente“ ihrer Gegner bisher stets in die Defensive gedrängt worden seien, betonte die AfD-Politiker. Im Fall des Afrikanischen Viertels könnten Hinweisschilder erläutern, daß die Motive, „Kolonien zu erwerben und zu erhalten, aus heutiger Sicht befremdlich erscheinen, sie seinerzeit jedoch auch dem Zeitgeist, zivilisatorische Standards weiterzugeben, entsprangen“. Dabei sollten auch die Schattenseiten der Epoche nicht verschwiegen werden.
„Nicht mehr als Helden, die man ehrt, sondern als Opfer, derer man gedenkt“
In anderen Fällen – etwa bei den nach der Schlacht von Langemarck im Ersten Weltkrieg benannten Straßen – könnte etwa der frühere „monumentalen“ Ansatz durch entsprechende Hinweise ersetzt werden: In diesem Interpretationskontext erschienen die Gefallenen dann nicht „mehr als Helden, die man ehrt, sondern als Opfer, derer man gedenkt“.
Er habe die Hoffnung, sagte Jongen bei der Vorstellung des Positionspapiers, daß die aktuellen Extremformen von Bilderstürmerei die Kritiker solcher Vorgänge wachrüttele und ermutige zu sagen: so nicht. Denn der Prozeß, erinnerungspolitisch „tabula rasa“ zu machen, dauere schon lange an. Er werde jedoch nicht mit wissenschaftlich belegbaren Fakten betrieben, sondern aus einer reinen Position der Stärke heraus. Die bürgerliche Intelligenz habe dem zu lange keine Argumente entgegengesetzt, kritisierte Jongen. Dies werde sich nun angesichts der aktuellen Denkmalstürze hoffentlich ändern. (vo)