BERLIN. Drei Jahre nach dem islamischen Terroranschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt befindet sich fast zwei Dutzend Überlebende weiterhin in Pflege. „Ein Verletzter muß rund um die Uhr gepflegt werden“, sagt der Opferschutzbeauftragte des Bundes, Edgar Franke, der Nachrichtenagentur dpa. „Von etwa 20 Menschen ist mir persönlich bekannt, daß sie nach wie vor unter den psychischen Folgen dieser schrecklichen Tat leiden.“
Der IS-Anhänger Anis Amri hatte am 19. Dezember 2016 einen polnischen LKW-Fahrer getötet, dessen Fahrzeug gestohlen und war dann auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche am Breitscheidplatz gerast. Er tötete dabei elf Personen und verletzte etwa 100 weitere teils schwer.
Betroffenen mit großem Gesprächsbedürfnis
Laut Franke hätten die Betroffenen nach wie vor ein großes Bedürfnis nach Gesprächen. Seine Mitarbeiter stünden mit rund zwanzig von ihnen in regelmäßigem Kontakt. „Vorrangig geht es um finanzielle Entschädigungen, zunehmend auch um Erwerbsminderungsrenten oder um Fragen des Wiedereinstiegs in den Beruf.“ Seine Behörde vermittle aber auch medizinische und psychotherapeutische Unterstützung. Bislang seien etwa 4,3 Millionen Euro an Betroffene und Hinterbliebene ausgezahlt worden.
Für die Opfer könne es sehr belastend sein, daß sie ihren Berufen vielleicht dauerhaft nicht mehr nachgehen können, verdeutlichte Franke.Das Opferentschädigungsgesetz sei zwar gerade reformiert und die Leistungen verbessert worden. „Allerdings hätte ich mir als Opferbeauftragter gewünscht, daß das gesamte Gesetz früher in Kraft tritt, nicht erst im Jahr 2024.“ Die Erhöhung der Waisenrenten rückwirkend zum Juli 2018 komme den Opfern jetzt schon zugute.
Die Opferrenten für die Verletzten machten derzeit je nach Grad der Schädigung zwischen 151 und 784 Euro im Monat aus. Mindestens drei Personen würden lebenslang monatliche Entschädigungszahlungen erhalten, sagte Franke.
AfD kritisiert Regierung für Umgang mit Opfern
Die Bundesregierung wird wegen des Umgangs mit den Opfern und Hinterbliebenen seit dem Anschlag von der Opposition scharf kritisiert. Die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion, Beatrix von Storch, teilte am heutigen Mittwoch mit: „Diese Menschen wurden von Behörden und Politik in unanständiger Weise zu spät und völlig unzureichend versorgt – mit Anteilnahme und mit materieller Entschädigung.“
Der Untersuchungsausschuß zu dem Fall müsse weiter vorangetrieben werden – „gegen die Bestrebungen der Bundesregierung, hier Hintergründe vertuschen zu wollen“. In den vergangenen Wochen seien neue Widersprüche zu den Erklärungsversuchen der Regierung ans Tageslicht gekommen. So seien die Sicherheitsbehörden viel näher an Amri dran gewesen, als sie zunächst zugeben wollten. (ls)