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Asylkrise: Eine Prognose ist nicht möglich

Asylkrise: Eine Prognose ist nicht möglich

Asylkrise: Eine Prognose ist nicht möglich

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Frauen und Kinder in einer hessischen Asylunterkunft Foto: picture alliance/dpa
Asylkrise
 

Eine Prognose ist nicht möglich

Es ist eine der großen Unbekannten in der Asylkrise: die Frage des Familiennachzugs. Die Zahlen wären wichtig, damit Länder und Kommunen wissen, worauf sie sich in den kommenden Jahren einstellen müssen. Doch kaum jemand scheint einen Überblick zu haben, wie viele Angehörige von Asylbewerbern bereits nach Deutschland gekommen sind.
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Es ist eine der großen Unbekannten in der Asylkrise: die Frage des Familiennachzugs. Wie viele Familienangehörige folgen auf jeden anerkannten Asylbewerber? Bereits Ende vergangenen Jahres, als sich abzeichnete, daß 2015 wohl über eine Million Flüchtlinge nach Deutschland kommen würden, warnten Migrationsexperten, die Zahl könne sich durch den Familiennachzug noch vervielfachen.

Konservative Schätzungen gingen von bis zu vier Nachzüglern pro Asylsuchendem aus – insbesondere, da unter den Flüchtlingen viele Syrer und Afghanen waren, die eine hohe Anerkennungsquote genießen. Und wer als Asylbewerber anerkannt ist, ist auch berechtigt, den engsten Kreis seiner Familie (Ehepartner und Kinder) nachzuholen.

Doch schon im vergangenen Oktober stellte der Sprecher des Bundesinnenministeriums, Tobias Plate, auf einer Regierungskonferenz klar, der Familiennachzug könne „zahlenmäßig nicht seriös“ prognostiziert werden. „Wie viele zum Beispiel minderjährige Kinder eine Person, die in Deutschland bereits angekommen ist, hat, die für einen Nachzug in Frage kommen, hat natürlich nicht jede Person, die hier angekommen ist, bereits irgendwo registermäßig erfassen lassen. Dafür gibt es keine zentrale Datei oder Ähnliches.“

Recherche gestaltet sich schwierig

Die Zahlen zum Familiennachzug des Flüchtlingsstroms aus dem vergangenen Jahr sind deshalb von Bedeutung, da sie Aufschluß darüber geben, auf wie viele Asylsuchende sich Deutschland in den kommenden Jahren insgesamt einstellen muß. Die Kommunen müssen wissen, für wie viele Personen sie Unterkunftskapazitäten bereitstellen oder schaffen müssen.

Schulen müssen planen, wie viele Flüchtlingskinder künftig integriert werden müssen. Auch für das Gesundheitssystem und die Sozialkassen sind die Zahlen zum Familiennachzug ein nicht unbedeutender Faktor. Bekannt ist, daß 2015 mehr als 82.000 Personen über die Familienzusammenführung nach Deutschland kamen. Hierzu zählen aber auch Angehörige von Einwanderern, die keine Flüchtlinge oder Asylsuchende sind.

Für das erste Halbjahr 2016, also die Zeit nach der großen Flüchtlingswelle, gestaltet sich die Recherche jedoch schwierig. Anfrage beim Bundesverwaltungsamt, das für das Ausländerzentralregister (AZR) zuständig ist: Eine Sprecherin teilt mit, die Anzahl von Personen, die 2016 oder 2015 zum Zweck der Familienzusammenführung tatsächlich nach Deutschland eingereist seien, könne aus dem Ausländerzentralregister nur teilweise ausgewertet werden, da die Gründe eines Aufenthaltsbegehrens nicht erfaßt würden. Die Gründe eines erteilten Titels dagegen schon.

Verfahren sind „komplex“

Nur dürfe das Bundesverwaltungsamt diese Zahlen nicht herausgeben, da es das AZR nur im Auftrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) führe. Dieses sei „die Herrin“ über das AZR und allein auskunftsberechtigt.
Dort heißt es auf Nachfrage: „Das Bundesamt ist beim Thema Familiennachzug nicht der richtige Ansprechpartner.“

Das BAMF führe zwar das Asylverfahren und entscheide, ob Schutz zu gewähren oder ein Asylantrag abzulehnen sei. Der Familiennachzug erfolge aber im Rahmen des regulären Visumsverfahrens. Daher sei das Auswärtige Amt für die Frage zuständig. Generell gelte: „Schutzberechtigte, denen der Flüchtlingsschutz oder die Asylberechtigung zuerkannt wurde, haben das Recht auf privilegierten Familiennachzug.“ Hierfür müsse der entsprechende Antrag innerhalb von drei Monaten nach der Zuerkennung der Schutzberechtigung beim Auswärtigen Amt gestellt werden.

Das Bundesinnenministerium, dem das BAMF untersteht, bestätigt das, rät aber, sich bei Fragen zum Familiennachzug an die „zuständigen Länder beziehungsweise die kommunalen Ausländerbehörden“ zu wenden. Allerdings könne weder berechnet noch zuverlässig prognostiziert werden, wie viele Familienangehörige zu Flüchtlingen nachziehen dürfen oder werden. Dies liege auch daran, daß die Verfahren „komplex“ seien und „viel Zeit in Anspruch“ nähmen. Zudem liege die Entscheidung, ob eine Familie nachziehe oder nicht, auch immer bei den Asylbewerbern und deren Familien in der Heimat.

Kein Grund zu „Hysterie oder Panikmache“

Anruf beim Auswärtigen Amt: Auf die Frage, wie viele Familienangehörige von Flüchtlingen im ersten Halbjahr 2016 ein Visum erhalten haben, erläutert ein Sprecher: „Eine automatisierte statistische Erfassung von Visaerteilungen in der Kategorie Familiennachzug zum Schutzberechtigten und nach Staatsangehörigkeiten der Antragsteller findet nicht statt.“

Es gebe allerdings derzeit die Prognose, daß pro Flüchtling 0,9 Personen nachzögen. Bei syrischen Staatsangehörigen habe man im „Wege des Abgleichs von erhobenen Daten mit Schätzungen“ ermittelt, daß für den Zeitraum 2014 bis Ende September 2015 etwa 18.400 Visa zum Familiennachzug an den Botschaften Beirut, Amman, Kairo und an den Auslandsvertretungen der Türkei erteilt wurden.

Nicht enthalten seien darin aber die Bundes- und Landesaufnahmeprogramme. Zudem hätten die deutschen Auslandsvertretungen zwischen Januar 2015 und Juni 2016 circa 45.000 Visa im Familiennachzug zu Schutzberechtigten aus Syrien ausgestellt.

Die Frage nach der Gesamtzahl des Familienzusammenzugs bleibt somit aber weiterhin offen. Doch dies sei kein Grund zu „Hysterie oder Panikmache“, betonte der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, auf einer Regierungskonferenz Anfang Juni. All das seien Dinge, „die sich im Zweifel über viele Jahre erstrecken können“.

JF 40/16

Frauen und Kinder in einer hessischen Asylunterkunft Foto: picture alliance/dpa
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