BERLIN. Wenig Betrieb im Berlin Boulevard an diesem Mittwoch. Niemand bei Orsay. Wenige Kauflustige flanieren durch die Hallen und Gänge. Selbst bei Karstadt und Saturn mehr Personal als Kundschaft. Trotz der angebrochenen Mittagszeit steht niemand vor dem asiatischen Schnellimbiß Schlange und nur wenige beim Italiener nebenan („Da Emilia“).
Obwohl mitten in den Pfingstferien haben die Jugendlichen, die für so schlechte Schlagzeilen gesorgt haben, heute offenbar etwas anderes zu tun. Wie die Berliner Morgenpost und die BZ berichten, verbringt eine größere Gruppe von ihnen regelmäßig ihre Zeit im zweiten Stock des nach eigenen Angaben zweitgrößten Berliner Einkaufszentrums in der Schloßstraße. 160 Geschäfte, noble Wohngegend im Stadtteil Steglitz. Kopftuchquote stark steigend in jüngster Zeit.
Diese Jugendlichen werden als überwiegend türkischstämmig identifiziert. Sie treffen sich dort, weil es ein freies W-Lan gibt. Sie können mit dem Smartphone surfen ohne Extrakosten. Die Gruppe ist nach einem Polizeibericht bis zu 35 Personen groß. In dem Papier wird von sexuellen Belästigungen und Pöbeleien berichtet. Bei einer Festnahme sei Diebesgut bei einem der Jungen gefunden worden.
Vor einer Woche ist die Angelegenheit eskaliert: Ein Hausdetektiv, ein Wachmann und mehrere Polizisten konnten die Lage nicht mehr kontrollieren, als ein polizeibekannter Jugendlicher sich fallen ließ, nachdem er seine Freunde mit dem Mobiltelefon herbeigerufen hatte („Ärger mit den Bullen“). Diese erschienen und umringten die Beamten, die mit dem Einsatz des Pfeffersprays drohen und Verstärkung rufen mußten. Später versuchten die Freunde und Cousins den Jungen zu befreien. Das Centermanagement hat zwischenzeitlich neues Personal rekrutiert.
„Streßtypen“
Nun, eine Woche später, sind die Jungs nirgendwo zu sehen. „Nee, die sind heute nicht da“, verrät Alpay, ein 13jähriger mit türkischen Wurzeln. Er ist mit drei gleichaltrigen Freunden, die alle Migrationshintergrund haben, unterwegs. Sie sind einen Kopf kleiner als die Gesuchten, kennen aber die „Streßtypen“, die hier rumhängen. „Die spucken manchmal andere Leute an“, sagt einer der vier. „Wenn wir sie sehen, sagen wir Ihnen Bescheid“, sagt Bilal freundlich zum Abschied.
Eine Kundin, die gerade ihr Mittagessen verzehrt, bestätigt die Gerüchte über Auseinandersetzungen: „Ich habe gehört, daß es neulich einen Kampf gegeben hat. Zwei Jungs sind aufeinander losgegangen, um sie herum eine große Traube von Menschen.“ Dann sei die Polizei gekommen, und einige hätten sich der Festnahme widersetzt.
Ein weiterer Ladenbesitzer will gerade etwas erzählen, da kommen zwei Wachmänner. „Sind Sie von der Presse?“, raunzt einer von ihnen. „Dann muß ich Sie bitten zu gehen. Sie dürfen hier niemanden befragen. Das ist verboten. Bitte gehen Sie.“ Ein anderer Wachmann sagte: „Fragen Sie das Centermanagement.“
Kölner Silvesternacht im kleinen
Gesagt, getan. Anruf beim Centermanagement. Frau Putzke kann nur einen einzigen Satz. „Wir werden diese Berichte nicht kommentieren.“ Sie wiederholt den Satz zweimal, dann ist das Gespräch vorbei.
Die ganze Geschichte ist wie die Kölner Silvesternacht im kleinen. Erst wird ein Problem lange genug ignoriert, bis es nicht mehr zu ignorieren ist. Dann, wenn die Sache bekannt wird, beschäftigen sich die Verantwortlichen vorwiegend damit, die Aufklärung zu behindern.
Morgen sind die Pfingstferien vorbei. Mehr Wachleute gibt es jetzt auch, zum Beispiel den netten Wachmann im ersten Stock mit ausländischem Akzent, der vorher in Schönefeld gearbeitet hat, wie er sagt. Vielleicht reichen diese zwei Faktoren, um den Ärger mit den Jugendlichen in diesem Einkaufszentrum in nächster Zeit zu unterdrücken. Die Schloßstraße ist voll mit weiteren Einkaufszentren rechts und links vom Berlin Boulevard.
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