HAMBURG. Deutschland könnte 2015 erstmals zum Haupteinwanderungsland aller westlichen Industrienationen werden. Zähle man die Arbeitseinwanderer aus der EU hinzu, könnte die Differenz zwischen ein- und auswandernden Ausländern laut dem Statistischen Bundesamt in diesem Jahr über eine Millionen Menschen betragen, berichtet der Stern. Damit läge die Bundesrepublik noch vor den Vereinigten Staaten von Amerika. Bislang hatte Deutschland Platz zwei belegt.
„Unsere Bevölkerungspyramide steht Kopf“, erläuterte Gunter Brückner vom Statistischen Bundesamt gegenüber dem Magazin. „Durch die Migration wird sie nicht umgedreht, aber mit etwas Glück bekommen wir eine tragfähige Säule von Jüngeren, die den Bauch der in den fünfziger und sechziger Jahren Geborenen tragen kann.“
Lammert: Asylwelle kann gemeistert werden, wenn die Deutschen nur wollen
Der Großteil des zu erwartenden Wanderungssaldos von einer Millionen Ausländern ist jedoch auf die hohe Zahl der Asylbewerber zurückzuführen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rechnet in diesem Jahr mit bis zu 800.000 Asylsuchenden. Der Asylansturm führt trotz erhöhtem Personal in der Behörde dazu, daß sich beim Bundesamt immer mehr unerledigte Asylverfahren aufstauen. Bis Ende Juli gab es 254.559 unerledigte Verfahren. Dem Bericht nach könne das Bundesamt 2015 und 2016 etwa 910.000 Fälle bearbeiten. Erwartet werden aber bis zu 1,6 Millionen Asylgesuche. Inklusive der 254.559 Altfälle könnte die Zahl der unerledigten Asylverfahren deshalb bis Ende 2016 auf eine Million anwachsen.
Unterdessen meldet sich auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) in der Asylfrage zu Wort. Die Versorgung und Unterbringung der hunderttausenden von Asylbewerbern sei zwar eine riesige Herausforderung, sagte Lammert der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Sie sei aber zu bewältigen, wenn die Deutschen nur wollten. „Erinnern wir uns mal an die größte einzelne Flüchtlingswelle in der neueren europäischen Geschichte: Nach dem Zweiten Weltkrieg haben zwölf bis 15 Millionen Menschen ihre Heimat verloren. Sie kamen in ein zerstörtes Deutschland. Das war unter jedem Gesichtspunkt eine schwierigere Lage als heute.“ (krk)