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Korruption: Fahrstuhl zum Fleischtopf

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Korruption
 

Fahrstuhl zum Fleischtopf

Der übergangslose Wechsel von Politikern zu Großkonzernen befeuert eine Debatte über Korruption. Den Anfang machte Altbundeskanzler Helmut Kohl mit einem schönen Beratervertrag bei Leo Kirch. Maßstäbe der Dreistigkeit setzte Nachfolger Gerhard Schröder. Spitzen-Grüne sind beim Verwerten ihrer Regierungsämter besonders moralelastisch. Die wenigsten versuchen es mit ernsthafter Arbeit.
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Geldrolle mit 500-Euro-Scheinen: Die wenigsten versuchen es mit ernsthafter Arbeit Foto: www.pixelio.de/Michael Staudinger

Das Politikerdasein kann auf die Dauer ganz schön öde sein: Jahrein, jahraus telefonieren, Hände schütteln, netzwerken, sein Adreßbuch hegen und pflegen und dabei aufpassen, daß man weder ins Fettnäpfchen tritt noch ganz in Vergessenheit gerät. Wie angenehm, daß auf so manchen nach Jahren tapferen Durchhaltens das große Los wartet: nach dem – freiwilligen oder erzwungenen – Abgang aus Amt und Mandat einfach als Lobbyist für Konzerne, Unternehmen oder Interessenverbände weitermachen, was man die ganze Zeit schon eingeübt hat, nur entspannter und für viel mehr Geld.

Eckart von Klaeden, der zeitweise als CDU-Hoffnungsträger gehandelte letzte Mohikaner aus der Generation Wulff, um den es zuletzt recht still geworden war, ist nicht der erste und nicht der letzte, der dieser Versuchung erliegt. Die Oppositionskritik ist wahlkampfbefeuert, aber sachlich richtig: Ein designierter Daimler-Türöffner, der noch ein halbes Jahr als Staatsminister im Zentrum der Macht am Kabinettstisch sitzen will, bevor er nahtlos in den Dienst eines Großkonzerns tritt, das ist unappetitlich und riecht streng.

Die wenigsten versuchen es mit ernsthafter Arbeit

Heuchlerisch, verlogen und unernst ist die gespielte rot-grüne Empörung trotzdem. Denn im Bestreben, Amt und Mandat als Fahrstuhl zu den Fleischtöpfen des großen Geldes zu benutzen, herrscht quer durch alle Parteifarben stillschweigendes Einvernehmen. Lange waren es die großen Staatsbetriebe und Landesbanken, in denen man sich geräuschlos wohldotierte Posten zur Vergoldung des Lebensabends zuschanzte. Privatisierungswellen und Bankenpleiten haben diesen Kuchen schrumpfen lassen. Daß man sich ungeniert in der Privatwirtschaft umtut, um nach dem Auslaufen der politischen Karriere noch mal richtig Kasse zu machen, ist hierzulande erst in den letzten anderthalb Jahrzehnten eingerissen.

Die wenigsten versuchen es mit ernsthafter Arbeit, etwa als Anwalt oder in unternehmerischen Führungsaufgaben, wie es eigentlich dem Ideal des Politikers auf Zeit entspräche, der im zivilen Leben noch einen echten Beruf hat. Der Regelfall ist, daß einer soviel Zeit als Berufspolitiker verbracht hat, daß ihm gar nichts anderes einfällt, als seine Kontakte, Kenntnisse und Einflußmöglichkeiten als bezahlter Lobbyist an den Meistbietenden zu verhökern.

Den Anfang machte Altbundeskanzler Helmut Kohl

Den Anfang machte Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU), der sich noch vor seiner Abwahl 1998 einen schönen, sechsstellig dotierten Beratervertrag beim Medienunternehmer und Unions-Spezl Leo Kirch besorgte. Dann folgte FDP-Schwergewicht Martin Bangemann, der vom Sessel des EU-Kommissars für Industriepolitik und Telekommunikation in den Verwaltungsrat eines spanischen Telefonriesen wechselte.

Maßstäbe der Dreistigkeit setzte Kohls Amtsnachfolger Gerhard Schröder (SPD), der, kaum aus dem Kanzleramt ausgezogen, beim russischen Staats-Gaskonzern Gazprom und beim Erdgasleitungsprojekt Nord Stream anheuerte, das er als Regierungschef mit durchgeboxt hatte. Beim kasachischen Präsidenten Nasarbajew, der ausrangierte europäische Regierungschefs als Sympathiebotschafter sammelt wie andere Leute Briefmarken, steht Schröder übrigens auch auf der Gehaltsliste. Sein grüner Vize Joschka Fischer berät das Pipeline-Konsortium Nabucco. Und die Energieriesen RWE und OMV. Und den REWE-Handelskonzern, Siemens, BMW…

Spitzen-Grüne sind besonders moralelastisch

Spitzen-Grüne sind beim Verwerten ihrer Regierungsämter besonders moralelastisch: Schröders frühere Umweltstaatssekretärin Margareta Wolf hängte sogar Bundestagsmandat und Parteibuch an den Nagel, um die Kernkraftlobby zu beraten. Andere Parteiökos zieht’s zu den von Rot-Grün gepäppelten Windkraft- und Solarherstellern. Die Abgeordnete Marianne Tritz ließ sich von der eben noch bekämpften Zigarettenlobby bezahlen, der frühere grüne Ernährungs-Staatssekretär Matthias Berninger vom Schokoriegel-Hersteller Mars.

Ex-Arbeitsminister Walter Riester (SPD) stand erst beim Riesterrenten-Profiteur Union Investment und dann bei Drückerkönig Maschmeyer auf der Soldliste, Merkel-Duzfreund Matthias Wissmann (CDU) wechselte zum Automobilverband – die Liste ließe sich noch lange fortsetzen. Auf den inneren Zustand unserer politischen Klasse wirft das ein bezeichnendes Licht: Die Skrupel, sich von Privatpersonen und Unternehmen bezahlen zu lassen, die eben noch vom eigenen Regierungs- oder Abgeordnetenhandeln profitiert haben, sind in Rekordzeit vaporisiert. Man nennt das Korruption: Ein erklecklicher Teil unserer Volksvertreter dient nicht dem Gemeinwesen, sondern vorrangig sich selbst.

Märchenhafte Aufstiegschancen für einen gewissen Typus

Politiker sind gerade wegen dieses rasanten Sittenverfalls gesuchte Anwerbeobjekte geworden: nicht aufgrund beruflicher Qualifikation, sondern als willfährige und abhängige Einflußagenten. Vor diesem Hintergrund relativiert sich das Gerede von den angeblich „unterbezahlten“ Politikern: Politik als Beruf bietet einem gewissen Typus Mensch märchenhafte Aufstiegschancen; einmal in diesen Sphären angelangt, erscheint die Rückkehr in vorherige bescheidene Verhältnisse als Zumutung, die um jeden Preis zu vermeiden ist.

In Deutschland ist so eine Kaste wendiger, gesinnungs- und überzeugungsloser Karrieristen herangewachsen, die diesen Zustand als Ideal betrachtet und mit Zähnen und Klauen verteidigt. Das belegt allein schon die parteiübergreifende Weigerung, Kontrollmechanismen einzuführen, wie sie nicht nur in der Wirtschaftswelt, sondern auch in vielen anderen westlichen Staaten selbstverständlich sind: Wer aus einem sensiblen Posten ausscheidet, muß mehrere Jahre warten, bevor er bei einem Arbeitgeber mit konkurrierenden Interessen anheuert.

Wundert es da noch jemanden, wenn auf diese Weise rekrutiertes Personal mit der Lösung ernsthafter ökonomischer und politischer Krisen heillos überfordert ist?

JF 24/13

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