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Euro-Krise: Ein Hauch von Endzeitstimmung

Euro-Krise: Ein Hauch von Endzeitstimmung

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Euro-Krise
 

Ein Hauch von Endzeitstimmung

Im System Merkel werden größere Risse sichtbar. Nach dem Debakel bei der Aufstellung des Bundespräsidentenkandidaten folgte gut eine Woche später mit dem Verlust der Kanzlermehrheit die nächste Blamage. Die Bundeskanzlerin hat scheinbar ihr Gespür verloren, Gefahren noch im Entstehen zu vermeiden.
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Bundeskanzlerin Angela Merkel: Eine deutliche Warnung aus der Partei Foto: Wikipedia/Armin Linnartz mit CC-Lizenz https://tinyurl.com/6a7uf7

Im System Merkel werden größere Risse sichtbar. Nach dem Debakel bei der Aufstellung des Bundespräsidentenkandidaten, wo die CDU-Vorsitzende erstmals von einer Mehrheit der anderen Parteien mit dem Kandidaten Joachim Gauck in die Enge getrieben wurde und schließlich auf deren Linie einschwenkte, folgte gut eine Woche später am vergangenen Montag im Bundestag die nächste Blamage. Die formal zwar nicht notwendige, aber symbolisch höchst bedeutsame Kanzlermehrheit von Union und FDP ließ sich nicht mehr erzielen bei dem Versuch, für Griechenland 130 Milliarden Euro Kredite zu bewilligen. Nur dank SPD und Grünen kam die Kanzlerin zu einer deutlichen Mehrheit.

Wie schon bei Gauck hatte es an Zeichen im Vorfeld nicht gefehlt, daß aus der Abstimmung ein Fanal für den Zustand des eigenen Ladens werden könnte. Der stets nette Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte am Wochenende vor der Abstimmung Griechenland einen Austritt aus der Euro-Zone nahegelegt. Er spreche nicht darüber, „Griechenland rauszuschmeißen, sondern Anreize für einen Austritt zu schaffen, die sie nicht ausschlagen können“. Damit hatte Merkel eine scharfe Warnung erhalten: Ein Mitglied des Kabinetts, also aus dem ganz engen Kreis, ging per Interview auf Distanz zur Politik der Kanzlerin.

Hochgradige Nervosität bei der CDU-Fraktion

Es gehört wenig Phantasie zu der Annahme, daß hinter Friedrich Teile der Unionsfraktion und der CSU-Führung standen, die ihn zu diesem Treiben ermuntert haben dürften. Im CDU-Teil der Fraktion war außerdem hochgradige Nervosität festzustellen. Dort traut offenbar kein Haushalts- und Finanzpolitiker mehr dem anderen über den Weg. Schon wieder wurde Merkel von ihrem sonst sicheren Instinkt, Bedrohungen vor ihrem Entstehen erkennen zu können, verlassen.

Die Bundestagsdebatte über das aus dem Rettungsschirm EFSF auszuzahlende 130-Milliarden-Kreditpaket machte streckenweise einen gespenstischen Eindruck. Auf der Regierungsbank saß Merkel und wechselte mit ihrem Vizekanzler Philipp Rösler (FDP), der sie bei der Gauck-Nominierung vorgeführt hatte, keinen Blick. Von SPD und Grünen kamen kraftvolle Oppositionsreden, aber dennoch kündigten ihre Redner Zustimmung an. Merkel spielte sich zur vorbildlichen Europäerin auf und versprach, dem dauerhaften Rettungsschirm ESM schneller die deutschen Milliarden zu überweisen. Noch in diesem Jahr sollen elf Milliarden gezahlt werden, die Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf dem Kapitalmarkt leihen wird.

„Abenteuer darf ich nicht eingehen“

Merkels Auftritt wurde von der Angstmalerei eines drohenden Scheiterns Europas beherrscht, das – wenn man die Rede richtig liest – nur sie verhindern kann. Und wenn Griechenland geholfen wird. Dabei unterschlug sie, daß selbst Schäuble schon von einem dritten Griechenland-Paket gesprochen und damit eingeräumt hatte, daß die 130 Milliarden nicht das letzte Wort sind. Merkel erklärte: „Abenteuer darf ich nicht eingehen. Das verbietet mir mein Amtseid.“ In dem hatte sie sich verpflichtet, Schaden vom deutschen Volke abzuwenden. Wie der Eid mit der Konkursverschleppung Griechenlands durch immer höhere Bürgschaften zu Lasten Deutschlands in Einklang zu bringen ist, sagte sie nicht.

Für Ehrlichkeit in der Debatte sorgten die Euro-Realisten Klaus-Peter Willsch (CDU) und Frank Schäffler (FDP), die von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) wieder Rederecht erhalten hatten – ein klares Zeichen, daß Merkels Kettenhunde und Fraktionsdisziplinierer wie der Parlamentarische Geschäftsführer Peter Altmaier an Autorität verloren haben. Willsch gab sich überzeugt, daß Griechenland außerhalb des Euro eine „wirkliche Chance hätte“ und sagte zu den Milliardenbürgschaften und -garantien: „Das ist das Gegenteil zu dem, was wir den Menschen bei Einführung des Euro versprochen haben.“

„Griechenland ist ein Faß ohne Boden“

Schäffler argumentierte ähnlich. Griechenland sei insolvent, so die Wahrheit des FDP-Mannes. Alle Zahlen, die das Land 2010 und 2011 vorgelegt hätte, würden nicht stimmen. Die Troika, wie das internationale Kontrollgremium für Griechenland genannt wird, rechne die Wirtschaftslage viel zu günstig. Statt um 4,5 schrumpfe die Wirtschaft um sieben Prozent. „Es ist nichts besser geworden. Es ist alles schlimmer geworden. Das kann nicht funktionieren“, rief Schäffler aus. Das Handelsblatt schrieb später: „Griechenland ist ein Faß ohne Boden. Das wissen alle, bis auf eine Mehrheit im Bundestag.“

Die schrumpft jedoch – jedenfalls auf der bürgerlichen Seite. Zwar wurde dem Antrag der Bundesregierung auf Zustimmung zum zweiten Griechenland-Paket in einer namentlichen Abstimmung mit 496 von 591 abgegebenen Stimmen zugestimmt. 90 (zumeist von der Linkspartei) waren dagegen, fünf enthielten sich. Aber die Kanzlermehrheit von 311 Stimmen erreichten Union und FDP nicht mehr. Nur 304 Stimmen kamen zusammen. Aus der Union gab es 13 Nein-Stimmen, darunter von Willsch und auch Peter Gauweiler (CSU). Bei der FDP waren es vier Nein-Stimmen. Zwei Enthaltungen kamen noch aus der CDU und eine aus der FDP.

Bei einer folgenden einfachen Abstimmung (also ohne Stimmkarten), bei der Kontrolle und Disziplinierung von Abweichlern schwierig wird, ging es beinahe chaotisch zu. Der nach Lammert in der Sitzungsleitung folgende Wolfgang Thierse (SPD) stellte zu einem gemeinsamen Entschließungsantrag von Union und FDP, in dem die Regierungspolitik noch einmal bekräftigt wurde, Zustimmung der FDP und nur „von Teilen der CDU“ fest. Ein Hauch von Endzeitstimmung kam im Plenarsaal auf.

JF 10/12

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